Dem Geheimnis auf der Spur:Antikes Quizduell

Dem Geheimnis auf der Spur: Ein Tafelbild aus dem 15. Jahrhundert zeigt das Treffen von Salomo und der namenlosen Monarchin.

Ein Tafelbild aus dem 15. Jahrhundert zeigt das Treffen von Salomo und der namenlosen Monarchin.

(Foto: artothek)

Angeblich stellte sie Salomo mit kniffligen Denkspielen auf die Probe, dabei ist die Königin von Saba bis heute selbst ein Rätsel geblieben. Nicht einmal der Name der klugen Regentin ist bekannt - da blieb viel Raum für die Fantasie von Schriftstellern.

Von Florian Welle

Seit dem Monumentalfilm "Salomon und die Königin von Saba" trägt die Herrscherin aus dem antiken Reich für viele die Züge von Gina Lollobrigida plus einen Touch Orientvamp: Pagenfrisur, kajalumrandete Augen, bauchfreie Gewänder. Für immer in den Köpfen verankert: ihr lasziv die Hüften schwingender Tanz, den sie dem Fruchtbarkeitsgott Ragon darbringt, mit dem sie aber in erster Linie den Männern den Kopf verdreht. Allen voran Yul Brynner als Salomo.

Als mythische Figur mit orientalischem Zauber hat die Regentin, schon bevor Hollywood sie entdeckte, jahrhundertelang Stoff für Geschichten geliefert. Ihr Leben ist von Legenden umrankt, die sich immer weiter ausdifferenzieren, neu zusammensetzen, und an denen alle drei großen monotheistischen Religionen kräftig mitstrickten. Da es weder im heutigen Jemen, dem einstigen Kernland des sabäischen Reiches, noch in Äthiopien stichhaltige archäologische Beweise für die Existenz der Königin gibt, haben sich die Menschen zu allen Zeiten ihr eigenes Bild der Herrscherin gemacht. 2008 glaubte der Hamburger Forscher Helmut Ziegert im äthiopischen Aksum ihren Palast entdeckt zu haben, datiert auf das 10. Jahrhundert vor Christus - und erntete dafür scharfe Kritik. "Die Königin selbst bleibt ein Geheimnis", lautet die Bilanz einer Monografie von Ulfrid Kleinert, die vor zwei Jahren erschienen ist.

Die Regentin begibt sich mit erlesenen Ölen und Edelsteinen im Gepäck nach Jerusalem

Zum ersten Mal findet die Begegnung zwischen Salomo und der Herrscherin im Alten Testament Erwähnung. Im 10. Kapitel des 1. Buchs der Könige begibt sich die exotische Regentin mit üppigem Gepäck von erlesenen Ölen und kostbaren Gemmen nach Jerusalem, um mit Rätselfragen zu prüfen, wie groß die allseits gerühmte Klugheit Salomos wirklich ist. Und siehe da, dieser enttäuscht nicht, worauf sie baff vor Erstaunen antwortet: "Deine Weisheit . . . übertrifft alles, was ich gehört habe." Über das Ende der Geschichte heißt es dann: "Und sie schenkte dem König 120 Taler Gold und sehr viel Balsamöl und kostbare Steine . . . König Salomo aber gab der Königin von Saba alles, was sie begehrte . . . Danach kehrte sie um und zog in ihr Land mitsamt ihrem Gefolge."

So weit, so gut? Mitnichten. Jetzt geht es mit der reichen und klugen Königin erst richtig los. Schließlich hält der Text so viele Leerstellen parat, die nur darauf warten, erst die Vorstellungskraft zu entzünden und dann von ihr je nach religiöser Couleur gefüllt zu werden. Das fängt mit der Namenlosigkeit der Königin an und hört damit auf, dass die Rätsel selbst mit keinem einzigen Wort genannt werden.

Den ersten Namen gibt ihr der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus um 100 nach Christus. Im Buch "Antiquitates Judaicae" nennt er eine "Beherrscherin von Ägypten und Äthiopien" mit Namen Nikaule, die einst Salomo ihre Aufwartung gemacht habe. In den Schriften muslimischer Gelehrter heißt die Königin dann vom 9. Jahrhundert an Bilqis. Dabei beziehen sich alle Werke auf die Sure 27 des Korans, in der berichtet wird, wie Salomo die Königin zum Islam bekehrt: "Mein Herr, ich habe an mir selbst gefrevelt. Mit Salomo ergebe ich mich Gott, dem Herrn der Weltbewohner."

Noch der letzte äthiopische Kaiser Haile Selassie berief sich auf die exotische Herrscherin

Im großen Volksepos des christlichen Äthiopien, dem Kebra Negast aus dem 13. Jahrhundert, hört die Herrscherin auf den Namen Makeda. Dort gebiert sie Salomo einen Sohn (ein Kind aus der Beziehung kennen auch andere Überlieferungen), den späteren König Menelik I. Noch der letzte äthiopische Kaiser Haile Selassie berief sich als 225. Nachfahre auf die legendäre Königin und ihren Sohn Menelik.

Wann findet der Inhalt der Rätsel Eingang in die Geschichte? Die erste Schrift, die sie ausführlich benennt, ist im 7. Jahrhundert das jüdische "Targum Scheni zum Buch Esther". Die drei Fragen, die dort die Königin stellt, beziehen sich auf die Lebenswelt der orientalischen Frau, es geht um Kosmetik, den häuslichen Bereich. Das Eingangsrätsel lautet: "Was ist das: ein Brunnen aus Holz und ein Schöpfeimer aus Eisen, die Steine schöpfen und Wasser spenden?" Salomo antwortet richtig: "Ein Rohr mit Augenschminke."

Während auch der islamische Historiker al-Tabari um das Jahr 900 drei, allerdings anders geartete, Rätsel beschreibt, werden es in der jüdischen Tradition stetig mehr. Der "Midrasch Mischle" aus dem 11. Jahrhundert wartet bereits mit vier Fragen auf, im "Midrasch-ha-Hefez", gut vier Jahrhunderte später, sind es dann schon stolze 19 Rateaufgaben.

Fenster im Kölner Dom zeigen eine Begegnung auf Augenhöhe, respektvoll und abwartend

Die Geschichte von Salomo und der Königin von Saba inspirierte nicht nur die Schriftgelehrten, sondern auch auf vielfältige Weise die Künste. Im Kölner Dom gibt es Bibelfenster zu bewundern, die eine Begegnung auf Augenhöhe zeigen, respektvoll, abwartend, prüfend. Überaus eindrücklich ist auch Piero della Francescas Fresko "Die Anbetung des heiligen Holzes und die Begegnung zwischen Salomon und der Königin von Saba" in der Kirche San Francesco in Arezzo: Der Maler zeigt die Königin in den spiegelbildlich angeordneten Szenen als Gläubige voller Einsicht und Demut, einmal in marienblauer und einmal in weißer Gewandung. Salomo hingegen wirkt hier vor allem eines: alt.

Die Musikgeschichte kennt unter anderem Händels Oratorium "Solomon" und Karl Goldmarks 1875 uraufgeführte Grand Opera "Die Königin von Saba". Einst eine der populärsten Opern, verschwand sie durch die Nazis von den Spielplänen. 2015, zum 100. Todestag Goldmarks, entdeckte man sie wieder, verstanden auch als Beitrag zum Frieden in Nahost. Der Mythos lebt, und Ulfrid Kleinerts Worte gelten mehr denn je: "Nicht alle Rätsel, die die Königin von Saba aufgibt, sind gelöst. (. . .) Fragen zur Begegnung von Mann und Frau, von Einheimischem und Ausländerin, von einer Religion zur anderen und zum Geist der Zeit stellen sich weiterhin."

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