Bester Oberkellner 2011 über Gourmetküche:"Keine Hemmungen vor Sterne-Restaurants!"

Schon mal von Enrico Spannenkrebs gehört? Der 37-Jährige wurde vom "Gault Millau" zum besten Oberkellner des vergangenen Jahres gekürt. Im Gespräch erklärt er, warum jeder den Koch, aber keiner den Kellner kennt, warum die Angst vor der Gourmetküche unbegründet ist - und wie das wirklich ist mit der Flasche Ketchup.

Johanna Bruckner

Dass man als Ober bedient wird, zumal in seinem eigenen Restaurant, kommt vermutlich eher selten vor. Und so wirkt Enrico Spannenkrebs dann auch fast ein bisschen überrascht - und erfreut -, als er von einem Kollegen nach seinem Getränkewunsch zum anstehenden Interview gefragt wird. Nach diversen Stationen in deutschen und europäischen Spitzengastronomien ist der 37-Jährige seit zweieinhalb Jahren Restaurantleiter im "Atelier" im Bayerischen Hof in München. Hier wurde nicht nur die Küche mit höchsten kulinarischen Ehren ausgezeichnet (ein Michelin-Stern), auch der Service ist seit November vergangenen Jahres hochdekoriert: Der renommierte Restaurantführer Gault Millau hat Spannenkrebs zum "Oberkellner des Jahres" gekürt, für seine "souverän-kosmopolitische und ebenso professionell wie lockere" Gastfreundschaft. Beim Gespräch nippt er nur am bestellten Cappuccino - ganz der aufmerksame Gastgeber.

Enrico Spannenkrebs, Restaurantleiter im "Atelier" im Bayerischen Hof in München

Beruflich wie privat ein Verfechter der guten Küche: Fast Food kommt Enrico Spannenkrebs, Restaurantleiter im "Atelier" im Bayerischen Hof, nicht auf den Teller.

(Foto: Bayerischer Hof München)

Süddeutsche.de: Herr Spannenkrebs, wären Sie rückblickend lieber Koch geworden? Die bekommen eigene Fernsehshows, ernten den ganzen Ruhm ...

Enrico Spannenkrebs: Der Service agiert im Hintergrund und fällt deshalb weniger auf: Jeder kennt den Koch, keiner den Kellner. Wir dürften ruhig selbstbewusster auftreten, denn eine Spitzengastronomie muss sowohl gutes Essen als auch herausragende Gastfreundschaft bieten. Im "Atelier" herrscht zwischen Küche und Service ein blindes Verständnis. Mich hat es schon früh in die Gastronomie gezogen und tatsächlich habe ich mich sogar mal ein Jahr hinterm Herd probiert - aber ich bin sehr zufrieden da, wo ich heute bin.

Süddeutsche.de: Die meisten kleinen Jungen würden vermutlich lieber auf einer Raumstation als im Restaurant arbeiten.

Spannenkrebs: Natürlich wollte ich auch Astronaut werden - oder Fußballer. Aber eigentlich hat sich mein Berufswunsch dann ziemlich schnell in eine konkrete Richtung entwickelt: Ich mag den Umgang mit Menschen - und Weine! Weine sind so grenzenlos wie die Gastronomie selbst.

Süddeutsche.de: Der Gault Millau hat Sie zum besten Oberkellner 2011 gekürt. Wie haben Sie von dem Titel erfahren?

Spannenkrebs: Ich war hier im "Atelier". Unsere Sommelière kam ganz aufgeregt und freudestrahlend auf mich zu. Das ist eine große Ehre, weil der Titel auch dafür steht, dass man konstant sehr gute Leistungen gebracht hat. Nur ganz selten bekommt ein Newcomer den Preis. Tester und Journalisten beobachten einen oft jahrelang. Vor mir wurden einige der Besten der Branche ausgezeichnet.

Süddeutsche.de: Auf Sterne-Köchen lastet ein großer Druck, mancher hat seinen Stern sogar schon zurückgegeben, weil ihm der damit verbundene Stress zu viel wurde. Wie geht es Ihnen als Kellner mit Ihrer Auszeichnung?

Spannenkrebs: Der Druck ist jetzt schon größer. Viele Gäste sprechen mich direkt darauf an. Ich stehe viel stärker unter Beobachtung als früher - und meine Leistung wird natürlich doppelt kritisch beurteilt. Ich will aber so bleiben wie ich bin und mache weiter wie gehabt: Ich kann schließlich bisher nicht alles falsch gemacht haben!

Süddeutsche.de: Sind Gourmets besonders schwierige Gäste?

Spannenkrebs: So würde ich das nicht sagen. Sie essen einfach gerne gut. Manche kommen einmal in der Woche. Andere Gäste sind mir gefolgt, haben mich in jedem Lokal besucht - zu denen habe ich über die Jahre eine richtige Beziehung aufgebaut. Ein Stammgast hat mich mal zu sich nach Hause eingeladen, um sich zu revanchieren. Der hat ein Acht-Gänge-Menü vom Feinsten auf die Teller gezaubert, seine Frau hat den Sous-Chef gespielt - und erst der Weinkeller!

Süddeutsche.de: So bewandert in der Gourmetküche sind die wenigsten. Manche Menschen meiden Feinschmecker-Lokale, weil sie Angst haben, sich zu blamieren.

Spannenkrebs: Denen kann ich nur sagen: keine Hemmungen vor Sterne-Restaurants! Meistens erkennt man relativ schnell, wer zum ersten Mal da ist. Dann ist der Service gefragt, dem Gast unauffällig zur Hilfe zu kommen. Natürlich wird man Neulingen nicht unbedingt das ausgefallenste Menü empfehlen. Und wer eine Hilfestellung bei der Reihenfolge der Bestecke braucht, bekommt die selbstverständlich. Leider gibt es in der Branche auch vereinzelt arrogante Kollegen, die einen Gast vielleicht tatsächlich zurechtweisen würden, wenn er den falschen Löffel benutzt. Aber die meisten Vorurteile gegenüber der Sterne-Gastronomie sind schlichtweg falsch. Zum Beispiel hört man immer wieder, man bekomme nichts auf den Teller - dabei sind die Portionen reduziert, damit man mehrere Gänge schafft.

Süddeutsche.de: In einem guten Restaurant sollte man auf keinen Fall nach Ketchup fragen. Richtig?

Spannenkrebs: Wir haben Ketchup. Aber wir würden es vermutlich nicht in der Tube, sondern in einem Porzellan-Schälchen servieren. Der Gast ist König. Grundsätzlich freue ich mich aber schon, wenn sich jemand auf das Erlebnis Gourmetküche einlässt.

Süddeutsche.de: Ihr schlimmster Gast?

Spannenkrebs: Ich erinnere mich lieber an die guten Gäste. Mit meinem "Kellnerauge", wie ich es nenne, erkenne ich, wenn ein Gast einfach einen schlechten Tag in der Arbeit hatte. Dann gebe ich mir besonders Mühe, zumindest den Abend versöhnlich ausklingen zu lassen. Mein Beruf basiert neben einer soliden Ausbildung vor allem auf guter Menschenkenntnis. Das ist im Übrigen auch der Grund dafür, dass Frauen im Service auf dem Vormarsch sind. Ich habe zu Beginn meiner Laufbahn auch schon in Restaurants gearbeitet, in denen es keine einzige Frau gab. Da war die Ansage: "Das können nur Männer." Dieses Verständnis hat sich heute grundlegend geändert. Zum Glück.

Süddeutsche.de: Schon mal einen Gast mit Wein übergossen?

Spannenkrebs: Gott sei Dank nicht! Aber mir ist beim Tranchieren auch schon mal was danebengegangen: Da muss man Humor zeigen. Und hier im Bayerischen Hof haben wir das Housekeeping ja in Rufweite - falls doch mal eine Bluse Rotweinspritzer abbekommt.

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