Berlin Fashion Week:Ich blogge

Julia Weiß bloggerin Berlin Fashion Week

Die Schauen, die Jessica Weiß besucht, müssen zu Journelles passen.

(Foto: Jessica Weiß)

Modekritikerin, Gesicht, Marke: Bloggerinnen wie "Journelles"-Gründerin Jessica Weiß sind Ein-Frau-Marketingunternehmen, ihr Produkt sind sie selbst. Zunehmend bestimmen sie, was in der Arena des Modezirkus' gezeigt werden soll.

Von Elisabeth Dostert, Berlin

Bald hat es Jessica Weiß geschafft. Der Eröffnungstag der Berlin Fashion Week sei wohl der stressigste, schreibt sie auf ihrer Homepage. Der war am Dienstag. Schauen, Partys, Termine. Das ist keine richtige Klage, das ist ihr Geschäft. Jessica Weiß, 27, ist Modebloggerin, eine von vielen, aber eine der erfolgreichsten in Deutschland.

Ihr Blog heißt Journelles. Sie mag solche Wortschöpfungen und Französisch. Journal wie Magazin, elles wie sie. Frauen zwischen Mitte 20 und Mitte 30 sind ihre Zielgruppe, ihre Anhängerinnen.

Eine andere Legitimation als die Zahl der Menschen, die ihnen folgen, haben Blogger wir Jessica Weiß nicht. Wer viele Klicks bekommt, kann bestehen und bekommt die besten und teuersten Werbeaufträge. Und die anderen eben nicht.

Mode-Dialoge

Wie viele Modeblogs es genau gibt, weiß niemand. Es gibt Tausende. Während Anna Wintour, die Chefin der amerikanischen Vogue, noch vor drei Jahren über die neue Konkurrenz ätzte - "wir haben den Eindruck, dass viele der Neuankömmlinge in dieser Welt nicht ganz das Verständnis für Mode und nicht ganz die Erfahrung haben, die sie haben sollten" - erkannte Suzy Menkes, Modekritikerin der Tageszeitung International Herald Tribune, die Zeichen der Zeit.

"Früher war Mode ein Monolog, jetzt ist sie ein Dialog." Die Marken könnten das Internet nicht länger außen vor lassen, sie müssten sich den neuen Zeiten öffnen, sagt sie. Für sie eine "Revolution".

Das Urteil über das, was auf den Laufstegen gezeigt wird, fällen schon lange nicht mehr nur die Einkäufer und ausgewählte Journalisten, sondern auch Blogger wie Weiß.

Stylight zählt sie zu den einflussreichsten Bloggerinnen in Deutschland. Zum ersten Mal verleiht das Online-Portal in diesem Jahr während der Modewoche den europäischen Fashion Blogger Award. Er ging - in verschiedenen Kategorien - an Negin Mirsalehi, Aida Domenech, Louise Ebel und Kenza Zouiten.

Bei Journelles dreht sich wie in vielen anderen Blogs alles um eine Person. Jessica Weiß beschäftigt zwar ein paar Autorinnen, "aber meine Beiträge werden am häufigsten gelesen", sagt sie. Weiß ist fast immer im Bild - in Interviews, am Laufsteg und Backstage, auf der Straße. Sie ist Produkt und Marke zugleich. Und im Vergleich zu manch anderem ist Weiß noch ein Spätzünder.

Extrovertierte Nebendarsteller

Julia Weiß bloggerin Berlin Fashion Week

Jessica Weiß bloggt in Berlin.

(Foto: Jessica Weiß)

Die 27-Jährige bloggt seit sieben Jahren. Die Amerikanerin Tavi Gevinson schrieb mit elf Jahren ihren ersten Eintrag: "Also ich bin hier neu", sollen ihre ersten Worte gewesen zu sein. Der Teenager ist längst selbst eine Stil-Ikone, ihren Blog The Style Rookie lesen Millionen.

Auf Modemessen in Berlin, Paris, London oder New York ist mittlerweile ein ganzes Heer von Bloggern und Bloggerinnen unterwegs, eine immer noch relativ neue Kaste im Modegeschäft. Viele von ihnen brillante Selbstdarsteller, die mit extrovertierten Auftritten die Aufmerksamkeit der Fotografen auf sich zu lenken und von den eigentlichen Stars - den Designern und Mega-Models - abzulenken versuchen.

Es gehe zu wie im Zoo, schäumte im vergangenen Dezember während der New Yorker Modewoche Catherine Bennett, Geschäftsführerin des Veranstalters, und kündigte an, die Modewoche wieder exklusiver machen zu wollen und die Liste der eingeladenen Journalisten um ein Fünftel zusammenzustreichen. Nur solche Medienmenschen sollten künftig an den Schauen teilnehmen dürfen, die für die Designer von Wert seien, die anderen können die Bilder ja online verfolgen.

Die Ästhetik der Marken, von deren Schauen Weiß berichtet, müsse zu Journelles passen, sagt Weiß: zeitgeistig, modern, avantgardistisch, nicht allzu kommerziell, auch wenn vieles auf ihrer Seite durchaus massenkompatibel sei. Es hört sich aufdringlich danach an, als beschreibe sie mit solchen Worten auch sich selbst.

Spiegel des Zeitgeistes

Die Blogger schreiben, fotografieren und filmen. Bilder und Kommentare stehen binnen kurzer Zeit im Netz, ihr Tempo passt zum Takt der Mode und sie beschleunigen weiter. Sie sind schneller als die Hochglanz-Magazine mit ihren Monate im Voraus geplanten Bildstrecken. Schon deshalb gewinnen die Beiträge der renommierten Blogger bei den Modemachern an Gewicht. "Blogs sind ein Spiegel des Zeitgeistes", heißt es beim Familienunternehmen Marc Cain: "Sie sind Opinionleader."

Alles kommt ins Netz, persönliche Ansichten und alles immer in Ich-Form. "Ich kann ganz nach meinem Gusto Themen, Bilder und Worte zusammenfassen", sagt Weiß. "Ich bin ein Slash-Kid. Ich mache alles gleichzeitig. Ich bin Journalistin, Moderatorin, Gründerin. Ich mache einen Großteil der Fotos selbst. Ich mache das Lektorat von meinen Autoren. Ich bin Chefredaktion und Redaktion in einem. Dann zeige ich noch mein Gesicht auf der Seite. Das gehört dazu, das ist mein Business. Gesicht zeigen fördert Nähe."

Ziemlich viele Ichs in ziemlich kurzer Zeit. Die Einträge lesen und hören sich an, als würde Weiß mit einer Freundin über Mode, Make-up, Handtaschen, Accessoires, Stars und Sternchen plaudern. Die Freundinnen antworten.

Vermarktung bis in die Flitterwochen

Am Montag hat Weiß ihr neues Büro am Prenzlauer Berg eröffnet. Ein unscheinbares Gebäude mit einem Blumenladen und einem Sicherheitsfachgeschäft im Erdgeschoss. Die Räume sind so eingerichtet, wie es Weiß gerne mag: clean, minimalistisch, skandinavische Designs, nicht zu introvertiert, nicht zu extrovertiert. "Modisch bin ich nicht die krasseste Mitläuferin. Ich bin relativ klassisch." Früher war das anders, da mochte sie Asymmetrien und Gothic. "Ich bin erwachsener geworden. Ich weiß, was mir steht." Im Sommer heiratet sie. "Vielleicht blogge ich irgendwann über Kinder."

Sie mag Isabelle Marant und die Schnitte von Stella McCartney sind "der Knüller". "Nur sind die meist leider unbezahlbar." Sie bekomme viele Angebote von Firmen, sie einzukleiden oder Werbung zu machen. "Das meiste lehne ich ab, den Großteil meiner Kleider kaufe ich mir selbst, weil ich mir ungern reinreden lassen. Ich würde niemals etwas anziehen, das mir nicht steht oder wo ich die Marke nicht mag."

Selbst für die Vermarktung ihrer Flitterwochen hatte sie ein Angebot. Aber ihr Freund interessiere sich nicht für Mode. Selbst eine sich selbst so veröffentlichende Person wie Jessica Weiß hat eine persönliche Grenze.

Von Les Mads zu Journelles

Weiß hat gelernt, zu verkaufen, sie ist Marketingkommunikationswirtin. Sie ist auf allen Kanälen: Twitter, Facebook, Instagram und Pinterest. Ihr Blog ist erst seit Oktober 2012 online. "Ich habe am Tag eins schon Geld verdient. Die Leute wussten, wer die Seite macht." Journelles ist nicht ihr erster Blog. 2007 gründete sie gemeinsam mit Julia Knolle Les Mads. Schon nach wenigen Monaten wurde der Burda-Konzern auf sie aufmerksam, übernahm die Marke und stellte die Gründerinnen ein.

Das ging ein paar Jahre gut. Doch erst ging Knolle, dann im September 2011 auch Weiß. Die beiderseitigen Möglichkeiten waren wohl ausgeschöpft. Weiß tritt nicht nach. Sie weiß, was ihr Burda gebracht hat. Bei Journelles jedenfalls redet ihr keiner rein. Sie ist noch lange nicht fertig. Sie will aus dem Blog eine Marke machen, "die nicht nur mit mir als Gesicht funktioniert". "Was passiert, wenn ich alt, dick, hässlich werde?" Und wenn noch einmal ein Konzern wie Burda käme und viel Geld böte? Die Antwort gibt Weiß unverzüglich: "Würde ich es nicht machen. Ich kann es offenbar auch alleine." Da ist es, wieder das große Ich.

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