Beauty:Lange Wimpern lassen Kassen klimpern

Frau mit falschen Wimpern

Echter Blickfang: Derzeit können Wimpern gar nicht lang genug sein.

(Foto: benjamin harms / photocase.de)

Mit Mascara und falschen Wimpern verdienen Kosmetikhersteller Millionen. Besonders erfolgreich ist ein Serum, dass Wimpernwachstum verspricht.

Von Tania Messner

Wimpern sind das unauffälligste Attraktivitätsmerkmal der Frau. Männer nehmen sie meistens erst wahr, wenn sie sind, wo sie nicht hingehören, im günstigeren Fall auf einer Wange, wo man sie charmant aufnehmen und wegpusten kann. Doch wie wichtig sie für die Gesamterscheinung sind, lernen Frauen bereits als Teenager.

Ein verführerischer Augenaufschlag hat ja mehr mit den Wimpern als mit den Lidern zu tun. Ein üppiger Wimpernkranz verändert den Gesichtsausdruck, intensiviert den Blick und lenkt die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Wesentliche.

Deswegen sind Wimpern derzeit auch der kleinste gemeinsame Nenner zweier sehr unterschiedlicher Großtrends in Sachen Make-up. Jüngere Frauen schminken sich seit einigen Jahren sehr stark und artifiziell, mit dicken Augenbrauen und leuchtendem Gloss auf den Lippen.

Sie wollen nicht mehr so sehr dem direkten Gegenüber gefallen, sondern optimieren sich für Selfies und Instagram-Fotos - so wie Kim Kardashian, die Meisterin der Selbstinszenierung. Die andere, etwas ältere Gruppe setzt hingegen auf den Nude-Look. Diese Frauen wollen sich mit möglichst wenig sichtbarer Schminke möglichst natürlich verschönern.

Für beide aber gilt: Die Wimpern sollen dicht, lang, dunkel und geschwungen sein - "beim Nude-Look, weil die Wimpern das Augen-Make-up fast vollständig ersetzen, und bei der Über-drüber-Schminke, weil sie eben ein starkes Signal setzen" sagt Luis Huber, Make-up-Artist aus München. "Wimpern, die wie ein voller Fächer aussehen, können zwar schnell unnatürlich wirken - sie sind aber der schnellste und einfachste Weg, das Auge zu öffnen."

Da die Natur aber nur den wenigsten Frauen bei der Geburt einen üppigen Liderkranz mitgibt, wird gepflegt und geklebt, gezüchtet, verlängert und getuscht, was das Zeug hält (derzeit möglichst auffällig mit Wimperntusche in Lila, Blau und Grün).

Wer es zurückhaltend mag, benutzt verlängernde, verdichtende oder pflegende Mascara, während sich die anderen glänzend-schwarze Haarfächer an die Lider kleben, die man sonst eher aus dem Faschingsbedarf kennt. Väter pubertierender Töchter berichten im Büro, dass sie den ersten falschen Wimpernkranz auf dem Boden noch als potenziell gefährliches Insekt verkannt und mit einem Gartenhandschuh bekämpft haben.

5000 Dollar pro Auge

Angefangen hat der anhaltende Hype um künstliche Wimpern im Jahr 2006. Damals trug Madonna für ihre "Confessions on a Dancefloor"-Tour falsche Wimpern aus Nerz und echten Diamanten, die das Licht der Bühnenscheinwerfer besonders reflektierten sollten. Der Designer Shu Uemura hatte sie speziell für die Sängerin entworfen und ließ darüber hinaus tausend Paar dieser Luxus-Exemplare im Edelkaufhaus Neiman Marcus anbieten - für den Preis von 10 000 Dollar, also 5000 pro Auge.

Verrückt? Tja, wo die meisten Frauen entsetzt nach Luft schnappen würden, zuckten einige damals nicht mit der Wimper: Die Madonna-Lashes waren innerhalb weniger Tage ausverkauft. Für einen breiteren Markt lancierte Shu Uemura gleichzeitig Replikas mit Swarovski-Kristallen für rund 25 Euro pro Stück. Durch diesen Erfolg waren die glitzernden, spinnenbeindicken Wimpern auch gleich ihr Trash-Image los.

Nebenwirkung: Wimpernwachstum

Etwa zu dieser Zeit hat auch für die Familie Moysies aus Köln ihr sehr persönliches Wimpern-Wachstum begonnen. Die amerikanische Visagistin Marci Adams erzählte den deutschen Freunden bei einem Abendessen, dass sich in ihrer Heimat plötzlich alles um Wimpern drehte: Lash-Studios schossen wie Pilze aus dem Boden, es wurde nicht mehr nur mit künstlichen, sondern auch mit echten Haaren verlängert. Und unter Insidern machte ein Medikament gegen den Grünen Star die Runde, das als Nebenwirkung die Wimpern wachsen ließ.

"Ein Medikament für kosmetische Zwecke zu missbrauchen, kam für uns nicht infrage", sagt Alexa Moysies, die damals im Marketing einer Telekommunikationsfirma arbeitete und heute Geschäftsführerin der Firma "M2Beauté" ist. Und so begannen Moysies, ihr Mann und ihre Eltern Studien zu analysieren, sie schrieben Wissenschaftler an und knüpften Kontakte, alles neben ihren eigentlichen Jobs.

Wunderserum für lange dunkle Wimpern

Alexa Moysies hatte sich in den Kopf gesetzt, ein Produkt zu entwickeln, das rein kosmetisch, aber genauso effizient wie das besagte Medikament sein sollte. 2009 brachte das frisch gegründete Unternehmen das erste Wimpern-Serum auf den Markt. Es wird abends nach der Reinigung auf den oberen Wimpernkranz aufgetragen und lässt durch den Wirkstoff MDN (Methylamido-Dihydro-Noralfaprostal) die Wimpern bei regelmäßiger Anwendung tatsächlich länger, voller und mit der Zeit sogar dunkler wachsen.

Im ersten Jahr brachte es das Serum auf 700 000 Euro Umsatz. Im zweiten Jahr waren es schon zwei Millionen. Heute sind es 14 Millionen Euro. In 30 Ländern verkaufen die Moysies ihre Wundertinktur, deren Name "M2 Lashes Eyelash Activating Serum" schon vielversprechend lang ist.

Der Preis von 120 Euro für gerade mal fünf Milliliter schreckt Frauen nicht ab. "Rechnet man den Preis auf die vier Monate, für die das Fläschchen reicht, ist es schließlich nur ein Euro pro Tag", kalkuliert Alexa Moysies die Kosten auch gleich geschickt klein. Mittlerweile hat sie das Firmen-Portfolio um ein Brauen-Serum und um sogenannte Nano-Sprays erweitert, die die Wirkstoffe besonders tief in die Haut schleusen sollen.

Alles, was nur in, aber nicht unter die Haut geht, ist der Graubereich, in dem Kosmetikfirmen operieren dürfen, ohne für ihre Mittel und Cremes eine Zulassung als Medikament zu benötigen. Doch der medizinische Ansatz scheint den Erfolg des Serums zu befeuern, ebenso wie die Selbstvermarktung junger Anwenderinnen, die die Effizienz des Wimpernserums bei Instagram und Facebook mit unzähligen Selfies belegen: Bei einigen sind die Wimpern nach ein paar Monaten so gewachsen, dass sie von innen an die Gläser der Sonnenbrille stoßen. Schädliche Nebenwirkungen sind bisher keine bekannt. Hört man mit der Anwendung des Mittels auf, schrumpfen die Härchen allerdings innerhalb eines Wachstumszyklus wieder in ihren Normalzustand zurück.

Auf die Kleber, die bei der künstlichen Wimpernverlängerung, der "Lash-Extension", benutzt werden, reagieren hingegen viele Frauen sensibel. Bei einer einzigen Sitzung liegt man bis zu zwei Stunden auf einer Kosmetikliege und lässt sich von einer Spezialistin künstliche oder natürliche Wimpern einzeln an die eigenen kleben. Der Vorteil: Länge und Dichte kann man selbst bestimmen. Nachteil: der Preis (ab etwa 300 Euro), die Kleber sind oft aggressiv, und die Pflege ist aufwendig. Zudem hält das Ganze nur vier bis fünf Wochen, die falschen Härchen fallen mit den natürlichen nach der Zeit einfach aus.

Handgefertigt, einzeln angeklebt

Der Kosmetikkonzern M.A.C, der mit Shu Uemura und Laura Mercier die wertigsten künstlichen Wimpern produziert, macht keine Angaben zu Umsatzzahlen, teilt aber mit, dass seine Bestseller in Deutschland die Modelle "#36", "#04 Lash Black" und "#07 Lash Black" sind, die laut dem blumigen PR-Sprech "für eine Prise Glamour im Alltag sorgen sollen". Diese handgefertigten Wimpernhärchen werden einzeln oder in kleinen Bündeln zwischen die natürlichen geklebt. Wem das zu profan ist, der kann auch leuchtende LED-Wimpern kaufen, die erst unter Neonlicht strahlen, oder filigrane Kunstwerke aus Papier in Form von Miniatur-Schwänen und ornamentalen Blüten.

Als Erfinder der falschen Wimpern gilt vielen der amerikanische Regisseur D. W. Griffith. In seinem Film "Intolerance" sollte die Stummfilm-Schauspielerin Seena Owen "doppelt so große und überirdische Augen haben", und so bestellte Griffith im Jahr 1916 ein Paar Fake Lashes bei einem Perückenmacher, der die filigranen Bögen aus menschlichem Haar und einem Kautschukring herstellte.

In Wahrheit aber meldete bereits 1902 der badische Friseur Karl Ludwig Nessler aus Todtnau die ersten falschen Wimpern zum Patent an. Nessler, der später in New York als Charles Nestle für die Erfindung der Dauerwelle bekannt wurde, bewarb die falschen Wimpern damals als Schutz gegen elektrisches Licht und stellte junge Chormädchen ein, die den Kunden zuzwinkerten - mit Erfolg. Ein amerikanischer Kolumnist warnte seine männlichen Leser 1921 in einem Essay: "Wenn ein hübsches junges Ding Sie mit verschleiertem Blick durch ihre langen, geschwungenen Wimpern anblickt, verfallen Sie ihm nicht, bevor Sie den Fall geprüft haben. Die Wimpern könnten nur zu ihr gehören, weil sie dafür bezahlt hat."

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