Beauty:Hey, Alter!

Schön altern wollen alle Frauen. Aber wie geht das noch mal? Ausgerechnet die ewig junge Cameron Diaz erklärt es jetzt in ihrem neuen Buch.

Von Tanja Rest

Ein Blick auf den Titel, und die innere Bitch lacht höhnisch auf. Cameron Diaz hat ein Buch über das Älterwerden geschrieben. Das ist ein Witz, ja? Cameron Diaz, vor 20 Jahren weltberühmt geworden durch eine Filmszene, in der sie Ben Stillers Sperma im Haar hatte, seither auf leichte bis sehrleichte Komödien abonnierter Superstar, Superkumpel und ewige "Sexiest Woman Alive", mit 43 Jahren schöner, fitter, strahlender als die meisten von uns mit Anfang zwanzig nicht waren, legt jetzt 260 Seiten über "die Wissenschaft des Alterns, die Biologie der Stärke und das Privileg der Zeit" vor. Für wie doof hält sie uns?

"Privileg der Zeit", bitte, war sie vor ein paar Jahren nicht bis unter die Haarwurzeln gebotoxt? Hat sie pünktlich zum Erscheinen ihres Buchs nicht diesen scheinheiligen Dreisatz ausgeatmet: Ja, ich habe gebotoxt; nein, für mich war das nichts; aber ich verurteile keine Frau, die das tut? Das Titelfoto ähnlich weichgespült: Cameron im Nivea-Look, weißer Body, Haare hochgeknotet, mikroskopischer Nasenstecker, subtiles Makeup um die hammerblauen Augen - alles ganz soft und pseudo-pur, und guck mal, die Bildbearbeitung hat sogar extra ein paar Fältchen stehen lassen, wegen der Credibility. Mädel, sagt die innere Bitch: Kann ja sein, du meinst es ernst. Aber ich glaub dir kein Wort.

Eine 43-jährige Frau darf sich heute natürlich Gedanken machen über das Älterwerden

Und sofort schämt man sich. Weil das natürlich die billigsten Klischees sind, mit denen man da operiert. Eine 43-jährige Frau darf sich heute selbstverständlich Gedanken machen über das Älterwerden, egal, wie viele Millionen sie verdient und wie toll sie aussieht. Diese Gedanken müssen auch nicht notwendig oberflächlich sein, nur weil sie in einer oberflächlichen Branche arbeitet. Überhaupt: Was wissen wir schon wirklich über Cameron Diaz?

The Other Woman - Photocall

Cameron Diaz gibt Ratschläge fürs Älterwerden. Beinahe möchte man hämisch werden.

(Foto: Mauritius Images)

Skeptisch, aber offen für Überraschungen also hinein in die Einleitung, die mit dem Anstoß für das "Buch des langen Lebens" ("The Longevity Book", Harper) beginnt: Die noch längst nicht 40-jährige Cameron wurde von Journalisten nämlich andauernd gefragt, ob sie sich vor ihrem 40. Geburtstag nicht fürchte - was sie absurd fand, nahezu komisch. Das ist nun gleich doppelt gelogen, denn: Wem könnte man diese Frage eher stellen als einer Schauspielerin im System Hollywood, das Frauen ab vierzig in Nebenrollen abschiebt und Regisseurinnen nach wie vor kaum beschäftigt? Davon abgesehen, wer hätte an seinem 40. Geburtstag nicht wenigstens ein bisschen geschluckt? Die Autorin aber findet, nachdem sie ihr Erstaunen überwunden hat, zu folgender Antwort: "Altern ist ein Privileg und ein Geschenk. Mit zunehmendem Alter habe ich ein differenzierteres Verständnis von Schönheit entwickelt. Schönheit ist nicht etwas, mit dem du geboren wirst. Schönheit ist etwas, in das du hineinwächst." Uff.

Na gut, die Sätze flutschen so vorbei, da hat man prima Zeit, nebenher ein wenig nachzudenken. Wäre Euphemismus eine Option? Spontane Antwort: Nein, angesichts von Kurzsichtigkeit, Inkontinenz, schmerzenden Knochen, Haarausfall, Hängebusen und Runzelhaut wäre das perspektivischer Selbstbetrug. Nächste Frage: Sind Ratgeber für alternde Frauen Teil der Lösung oder nicht eher Teil des Problems? Bei Amazon Bücher erzielt die Kombination "Frauen" und "Altern" verrückte 158 Treffer; wer bisher noch glaubte, das Älterwerden halbwegs in Würde angehen zu können, bekommt beim Sichten all dieser Titel das ungute Gefühl, die Dramatik der Sache unterschätzt zu haben. Handlungsbedarf scheint jedenfalls dringend geboten, nur über das Wie herrscht Uneinigkeit: Yoga, Meditation, Psychologie, Kosmetik, Fitness, Vegetarismus, OP oder doch Gehirnjogging? Da kommt die Antwort von Cameron Diaz durchaus überraschend, sie lautet: Biologie.

Zwei schlichte, aber bedenkenswerte Grundannahmen. Erstens, Altern ist das Gegenteil von früh sterben, sprich die Abwesenheit lebensbedrohlicher Krankheiten und Gebrechen - es kann also gar nicht darum gehen, den Alterungsprozess aufzuhalten, es gilt, ihn so weit wie möglich zu verlängern (so viel zum Thema Anti-Aging). Zweitens, die Lebenserwartung einer Frau in Deutschland beträgt heute 80 Jahre, lag aber 1850 noch bei 37 Jahren. Die Altersforschung, die auf die Verlängerung des Lebens abzielt, ist noch eine vergleichsweise junge Disziplin, ganz einfach, weil wir erst seit Kurzem alt werden. Da liegt es nahe, sich einen Überblick zu verschaffen über den aktuellen Stand.

Cameron Diaz

"Ich glaube, dass wir alle viel glücklicher wären, uns besser fühlen und einen Seufzer der Erleichterung ausstoßen würden, wenn wir auf die Frage ,Wie alt bist du?' die Wahrheit sagen könnten. Ohne Angst. Ohne Zögern. Ohne Scham. Einfach weil ich glaube, dass Alter ein Wert an sich ist."

Keine einzige Anekdote über den Schönheitswahn von Hollywood

Cameron Diaz ist das klugerweise nicht alleine angegangen, sondern hat sich Unterstützung geholt in Gestalt der Wissenschaftsjournalistin Sandra Bark, mit der sie vor zwei Jahren schon "The Body Book" geschrieben hat, damals ein Topseller. Gemeinsam tingeln die beiden Damen zu den Koryphäen der Altersforschung, nach Harvard, nach Yale, in die Labore des National Institute on Aging. Sie tragen die neusten Studien und Erkenntnisse zum Altersprozess des weiblichen Körpers zusammen, genauer, sie brechen diesen Körper bis auf die einzelne Zelle herunter und setzen ihn dann Schicht für Schicht, Organ für Organ wieder zusammen, immer unter dem Aspekt "Was nützt? Was schadet?". Das liest sich streckenweise wie ein Biologiebuch für Mittelstüfler, hat aber den unleugbaren Effekt, dass man hinterher ziemlich genau kapiert, was im eigenen Körper so los ist.

Interessant ist auch, was auf den 260 Seiten alles nicht steht. Es findet sich zum Beispiel keine einzige süffige Anekdote über den Schönheitswahn von Hollywood und nicht der Hauch eines Tipps, wie Falten und Cellulite wieder weggehen. Diaz und Bark haben tatsächlich kein Anti-Aging-Buch geschrieben, sondern ein populärwissenschaftliches Plädoyer für das Altern. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass sieben Millionen Frauen in unserem Land Geld für Antifalten-Cremes ausgeben, dass viele von ihnen irgendwann anfangen, ihr Alter zu verheimlichen (was man schon immer als eine Art gegen sich selbst gerichteten Sexismus empfunden hat), dann ist das ein wohltuend positiver Ansatz. Wer dem Thema Altern eine solch arge Dringlichkeit einräumt, dass es ihn nach einem Ratgeber gelüstet, liegt mit Mrs. Diaz also gar nicht verkehrt.

Die Mixtur für ein gutes Älterwerden nach Ansicht nahezu aller befragter Experten bliebe noch nachzureichen. Ganz einfach: gesunde Ernährung, viel Bewegung, ausreichend Schlaf, wenig Stress, befriedigende soziale Kontakte. That's it.

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