Beauty-Business:Hightech im Badezimmer

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Ein smarter Spiegel spricht und gibt Schminktipps. (Foto: Screenshot/Hi Mirror)

Sprechende Spiegel, oszillierende Reinigungsbürsten oder Lasergeräte zur Haarentfernung: Wo sich früher nur Tiegelchen und Töpfchen stapelten, wartet nun ein ganzer Gerätepark.

Von Tania Messner

Wer eine Ahnung davon haben will, wie unsere Welt im Jahr 2030 aussehen wird, zumindest die Welt des Badezimmers, ist bei Panasonic in Tokio ganz gut aufgehoben. Das Licht auf der 500 Quadratmeter großen Etage ist dramatisch gedimmt, einzelne Präsentationsinseln geschickt beleuchtet. Kameras sind verboten, schließlich geht es um die nächsten, großen Innovationen im Technikbereich, um Industriegeheimnisse, für welche die Konkurrenz Millionen zahlen würde. Nun liegen da aber weder Laserkanonen noch Röntgenbrillen. Es sind Föhns zu sehen, Rasierapparate und Gesichtsbürsten. Die Mitarbeiter, die diese Prototypen präsentieren, tragen weiße Laborkittel, sehen aber eher nach hippen Moderatoren als nach Wissenschaftlern aus. Während die Besucher von Station zu Station ziehen, übersetzen Dolmetscher vom Japanischen ins Englische.

Sobald es ums Äußere geht, können die Preise höchst irrational ausfallen

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Es gibt kaum einen Bereich, bei dem den Konsumentinnen das Geld so locker sitzt wie in der Schönheitspflege. Das geht bei der Fitness los, wo Unsummen für Armbänder und Brustgurte ausgegeben werden, die den Blutdruck messen und die Ergebnisse der Joggingrunde per Facebook an den Freundeskreis übermitteln. Das gilt aber noch mehr für alles, was direkt an der Haut seinen Dienst tut. In den vergangenen Jahren kamen Maschinen in die Haushalte, die man früher eher in einem Kosmetikstudio gesucht hätte: Lasergeräte zur Haarentfernung, Face Steamer, Lichttherapie-Masken oder Massagegeräte, die mit Ultraschall, Radiofrequenz oder Schwachstrom die Zellerneuerung und den Stoffwechsel der Haut anregen sollen.

Der Grund, warum die Konzerne so intensiv in diesem Bereich forschen, liegt, klar, bei den riesigen Gewinnmargen. Vor etwa einem Monat stellte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Studie "Preisdifferenzierungen nach Geschlecht in Deutschland" vor. Das Ergebnis: Frauen müssen häufig tiefer in die Tasche greifen als Männer.

Das ist ungerecht, aber manchmal auch über Generationen verinnerlicht, und Frauen hinterfragen diesen Umstand vor allem dann nur selten, wenn es um ihr Äußeres geht. Dass Frauen beim Friseur durchschnittlich 12,50 Euro mehr bezahlen, ließe sich noch damit argumentieren, dass sie aufwendigere Frisuren wollen. Doch dass die exakt gleichen Rasierklingen - nur eben in rosa - für Frauen bei Aldi 4,49 Euro kosten, während Männer lediglich 3,89 Euro hinblättern müssen, ist damit nicht zu rechtfertigen. Sobald es ums Äußere geht, fällt die Preisgestaltung für Frauen auch gerne mal irrational aus.

Die entscheidende Erkenntnis machte sich im Panasonic-Konzern bereits in den 1990er-Jahren breit, so erzählt es einer der asiatischen Hipster-Wissenschaftler beim Rundgang. Damals brachte die Firma einen neuen Föhn auf den Markt. Bis dahin kostete ein handliches Haartrockengerät etwa 30 Dollar - japanische Produkte traten aggressiv auf Märkten auf, wo sie die Konkurrenz preislich unterbieten konnten. Der neue Panasonic-Föhn jedoch, der den Trockenvorgang mit "ionisierten Wassermolekülen" unterstützte, die als feiner Nebel aus dem Gerät strömten und für "seidigeres Haar" sorgen sollte, ging plötzlich spielend für 180 Dollar über den Tresen.

Während asiatische Autos bis heute als Kopien westlicher Ingenieurskunst gelten, spricht man asiatischen Konzernen im Bereich Beauty vollkommen zu Recht eine große Kompetenz zu. Auch die Tiegelchen und Töpfchen von Shiseido und Kanebo sind hochpreisig - und sehr erfolgreich.

Den wirklichen Technik-Boom im Badezimmer löste allerdings eine US-amerikanische Firma im Jahr 2003 aus. Die Firma Clarisonic aus Seattle brachte das erste oszillierende Reinigungsbürstchen auf den Markt. Zuvor hatten die Clarisonic-Gründer eine elektrische Zahnbürste namens "Sonicare" mit Schalltechnologie an Philips verkauft. Die Gründer nahmen das Geld als Forschungsfinanzierung und bastelten an einem ähnlichen Gerät für die Haut. Nachdem Oprah Winfrey 2007 in ihrer Show davon schwärmte, dass das Gesichtsbürstchen "eine Wundermassage" sei und ihren Zuseherinnen versprach, dass "sich ihre Haut damit verändern wird", gab es acht Stunden später kein Gerät mehr in den USA zu kaufen. Mittlerweile gehört das Unternehmen zu den 500 weltweit am schnellsten wachsenden.

Und Clarisonic produziert nicht mehr nur das Mia-2-Basismodel, sondern eins für die Füße, eins für den Körper und eins zum Auftragen von Foundation. In den USA benutzt jede vierte Frau ein Clarisonic-Bürstchen, und mittlerweile wurde das Patent für Millionen an L'Oréal verkauft, einen der weltweit größten Beauty-Konzerne. Firmen wie Foreo (Reinigungsbürstchen für verstopfte Poren) oder Wellbox (Massagegeräte für Gesicht und Körper) setzen auf dasselbe Erfolgsrezept.

Der Spiegel im Bad kennt den Wetterbericht - und weiß, was man ins Gesicht schmieren soll

Es geht also zu wie im Silicon Valley, wenn man in den Bereich der Hightech-Beauty blickt, und so ist es nicht verwunderlich, dass es bei Panasonic auch ein "Future Lab" gibt, in dem an wirklich wahnsinnig klingenden Dingen geforscht wird. Der Rundgang führt natürlich auch zu einem sogenannten smarten Haus, das in Küche, Wohnzimmer und Bad zerlegt ist - samt sprechendem Spiegel im Badezimmer. Dieser projiziert per Sprachsteuerung auf Wunsch nicht nur verschiedene Make-up-Optionen (passend zum anstehenden Termin) direkt auf das Spiegelbild, er kann über spezielle Sensoren den Zustand der Haut, den Puls und sogar den Fitnesszustand der Person analysieren, die vor ihm steht.

Abgestimmt auf das Wetter draußen, gibt der Spiegel auf Wunsch Pflegeempfehlungen und erinnert daran, wenn die Zahnpasta ausgeht (oder bestellt sie gleich online nach). Er macht Termine beim Dermatologen oder Friseur aus und merkt sogar an, dass zum aktuellen Kleid ein Lippenstift in der Farbe "Ombré" besonders gut passen würde. Das projizierte Make-up sieht täuschend echt aus und erscheint neben dem Spiegelbild in einer Bilderfolge aus Screenshots aus verschiedenen Winkeln.

Als "24h assistants" werden solche Systeme bezeichnet, bereits nach wenigen Minuten hat man das Gefühl, einer künstlichen Intelligenz gegenüberzustehen, die einen bis in die letzte Fettzelle hinein kennt. Man will sich lieber nicht vorstellen, was passiert, wenn diese Daten einmal gehackt werden. "Typisch deutsche Angst" sagt der Hipster-Kittelträger, der die Persönlichkeitsrechte in Deutschland kennt, "bei Ihnen dauert es sicher noch, bis smarte Komplettlösungen im privaten Bereich umgesetzt werden, aber die Nachfrage im amerikanischen, arabischen und asiatischen Markt ist bereits riesig."

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Eine Kostprobe davon, was die Neuigkeiten der Gegenwart angeht, darf noch vor Ort genommen werden - der Enhancer EH-XT20, der auch in Deutschland vor Kurzem auf den Markt gekommen ist. Der EH-XT20 sieht so etwa aus wie ein Rasierapparat, nur dass statt rotierender Klingen eine dreieckige, metallische Platte auf dem Kopf sitzt, welche die Haut auf Wunsch kühlt oder wärmt und auch schwer erreichbare Gesichtsbereiche wie die steile Augen-Nasen-Kante gut erreicht. Er kann zur Reinigung und Massage eingesetzt werden und soll vor allem die Wirkstoffe von Pflegecremes und Lotionen tiefer in die Haut einarbeiten.

Der Beauty Enhancer liegt gut in der Hand, schäumt das Reinigungsprodukt perfekt auf und vibriert sanft. Dabei sammelt das Gerät sympathischerweise überhaupt keine Daten, sondern sorgt nur dafür, dass sich die Haut sogar nach dem anschließenden 12-Stunden-Flug zurück nach Deutschland auffällig seidig anfühlt. Nur der Preis von mehr als 250 Euro sorgt dann doch gleich wieder für ein paar Sorgenfältchen.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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