Baum-Maklerin:Hoch hinaus

Wald in Frankfurt am Main

Bäume - öffentliche Möbel oder Statussymbole? Im Frankfurter Stadtteil Ginnheim.

(Foto: dpa)

Sie haben ein Schloss gekauft und brauchen nun nur noch einen Park, der aussieht wie in Jahrzehnten natürlich gewachsen? Katharina von Ehren schafft Abhilfe. Sie ist Deutschlands erste Baum-Maklerin.

Von Charlotte Frank

Eigentlich merkwürdig, dass einem so ein Baum noch nie als Statussymbol aufgefallen war. Ein Baum steht halt da: in der Stadt, wo die Hunde dagegen pinkeln, an der Autobahn, wo die Wagen vorbeischießen, vor dem Fenster, wo er einem das Licht nimmt.

Es geht auch weniger prosaisch, also stellen wir uns den Baum im Park vor, im Wald, im Garten, auf der Wiese, wo die Menschen ihn bewundern, seinen Schutz suchen und wo sie ihre Baumhäuser festnageln, ihre Hängematten anknoten, ihre Liebe einritzen. Dann ist ein Baum etwas Besonderes, Gewaltiges, manchmal Atemberaubendes, und doch immer noch gewissermaßen ein öffentliches Möbelstück. Wie eine Parkbank oder ein Bushäuschen, nur in Schön.

Das ist natürlich eine Illusion. "Ein Baum ist eine Aussage seines Besitzers", sagt Katharina von Ehren, "er ist eine wertvolle Antiquität". Sie läuft durch eine Reihe Esskastanien, bleibt bei einer stehen, die besonders tief beastet ist und an den Austrieben rötlich. Manchmal, wenn Katharina von Ehren über ein besonders rares Gehölz spricht, nennt sie es "eine blaue Mauritius". Aber die teuerste Umschreibung, die ihr für einen Baum einfällt, geht so: "Wer einen Baum kauft, kauft Zeit."

So gesehen handelt Katharina von Ehren mit Zeit, und wer würde die nicht gerne kaufen? Wahrscheinlich ist sie deshalb so erfolgreich: Katharina von Ehren ist Deutschlands erste "Tree Brokerin", zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Maike Rohde führt sie in Hamburg die International Tree Broker GmbH. Wörtlich würde man ihren Beruf als "Baum-Makler" übersetzen, aber das zeigt nur, wie ungewöhnlich der Job in Deutschland ist. So ungewöhnlich, dass es dafür nicht einmal eine sinnvolle Übersetzung gibt. "Im Grunde bin ich Baumhändlerin", sagt Katharina von Ehren, setzt sich in ihr Auto und fährt los.

Suche nach dem perfekten Gehölz

Wenn Architekten, Bauherren oder Privatleute ein bestimmtes Gewächs für ihren Garten oder ihr Projekt suchen, rufen sie Katharina von Ehren an. Die zieht los und findet irgendwo in Deutschland oder Europa genau das richtige Gehölz. "Baum-Sucherin" wäre insofern wohl die beste Übersetzung für das, was sie tut.

Die Arbeit der Baum-Sucherin erinnert an die Sachen-Sucherin bei Astrid Lindgren: "Die ganze Welt ist voller Sachen, und es ist wirklich nötig, dass jemand sie findet", sagt Pippi Langstrumpf zu ihren Freunden. Dann läuft sie los und findet einen Eimer, den sie sich auf den Kopf setzt. Die ganze Welt ist auch voller Bäume. Es ist nur nötig, dass jemand die richtigen findet. Aber um herauszufinden, welches Gehölz zu wem passt, welches einen fairen Preis hat, eine gute Qualität, einen passenden Wuchs und in welcher der 3000 Baumschulen in Deutschland es steht: Dazu braucht man sehr viel, sehr altes und spezielles Wissen. Katharina von Ehren ist in dieses Wissen sozusagen hineingeboren. Als Tochter einer der berühmtesten Baumschulfamilien Deutschlands kennt sie die Branche so gut wie nur wenige.

Deshalb vertrauen ihr so viele Menschen bei der teuren Baumsuche. Deshalb läuft ihr Geschäft so gut. Deshalb ist sie an diesem Tag unterwegs im Ammerland.

Stauden für den Schlossherrn

Ammerland, schon der Name klingt sanft wie aus einem Schlaflied. Sanft und schön, so ist auch die Landschaft hier, weit und grün und voller Hofgüter und Bauernhäuser. Das Ammerland ist tiefste niedersächsische Provinz hinter Oldenburg, an den Wegen reihen sich Baumschulen an Gärtnereien. Wer in dieser Gegend nicht selbst Pflanzen zieht, der hat zumindest seinen Garten mit seltenen Exemplaren bepflanzt, selbst der "Raüchereiverkauf" an der Straße nach Bad Zwischenahn schmückt seine Beete mit knorrigen Bonsai-Stämmen.

Katharina von Ehren ist oft im Ammerland unterwegs. "Die Region ist eines der größten Anbaugebiete Deutschlands", erklärt sie auf der Fahrt über die Landstraße. Links kleben flach geschnittene Buchsbäume auf einem Feld wie Schildkröten. Rechts reihen sich säulenartige Hainbuchen aneinander. Dann wieder links: meterweise Kletterhortensien, bis zu vier Meter hoch. Katharina von Ehren wird euphorisch: "Haben Sie die gesehen? Hammer! Da müssen wir hin", sagt sie. "Hammer" sagt sie meistens, wenn ein Gewächs sie beeindruckt. Also oft an diesem Tag. Erst mal hat sie aber keine Zeit für die Hortensien.

Es ist früher Vormittag, Katharina von Ehrens Auto rumpelt über einen Feldweg auf einen Bungalow zu. Im Besprechungsraum hängt eine Mahnung: "Lebe bescheiden wie ein Baum. Stehe fest wie ein Baum. Wachse hoch wie ein Baum. Strebe beständig wie ein Baum. Werde kraftvoll wie ein Baum", steht da. Der Verkaufsleiter bietet Kaffee an. Katharina von Ehren zückt ihren Block. "Ich brauche Äpfel. Einen so groß wie möglich und einen mehrstämmigen Wildapfel", sagt sie. Es folgen klangvolle lateinische Namen, Cornus kousa chinensis, Ilex, Picea, und schöne deutsche Wörter, Zaubernuss, Kugelahorn, Lebensbaum. "Ich suche Gehölze für einen Auftrag aus Tschechien", erklärt Katharina von Ehren, dort habe ein Kunde ein Schloss gekauft, der Park sei verwildert. "Jetzt braucht er Eiben, Esskastanien, Sträucher, Stauden."

Walnüsse für den bayerischen Einsiedlerhof

Außerdem ist sie für einen Kunden aus Bayern auf der Suche. Der hat in den Voralpen einen Einsiedlerhof gekauft, nun braucht er große Fichten, Walnüsse, Buchen. "Der Besitzer hat zuerst Linden gekauft und bedauert jetzt, dass er sie ohne Beratung ausgesucht hat: Die sind zu klein. Es gefällt ihm nicht, über seinen riesigen Grund zu blicken und drei schmale Stämmchen zu sehen", sagt Katharina von Ehren. Dann steigt sie in den Geländewagen des Verkäufers. Die Baumsuche beginnt.

Drei schmale Stämmchen: Das ist natürlich nichts. Wer es sich leisten kann, schenkt seinem Kind schon lange nicht mehr zur Taufe ein dürres Pflaumenbäumchen, damit das Kind zu seiner Silberhochzeit mal einen Kuchen backen kann. Der pflanzt keine armen, kniehohen Eiben an die Grundstücksgrenze, um sich dann doch noch jahrelang mit seinem Nachbarn von Balkon zu Balkon winken zu können.

"Der Trend geht zum Instant-Garten", sagt Katharina von Ehren und reicht ihr iPad herüber. Die Fotos beweisen es: Wer die Tree Broker engagiert, kann in wenigen Monaten eine nackte Wiese in einen Garten verwandeln, der aussieht, als wäre er natürlich gewachsen. "Weil es alte Bäume sind, die wir verkaufen", sagt Katharina von Ehren. Einen alten Baum verpflanzt man nicht? Das Sprichwort lügt. Mit Pflanzen ist es nicht anders als mit Menschen, die oft umgezogen sind: Wird ein Baum regelmäßig alle paar Jahre umgesetzt, so bildet er ein feines, kurzes Wurzelwerk aus und lässt sich bis ins hohe Alter verpflanzen. "Die Grenze für den Transport ist nicht das Alter der Bäume - sondern die Höhe der Brücken", sagt Katharina von Ehren.

Geld zum Anfassen

Sie streicht über ihr iPad, dann zeigt sie Fotos einer Verladung: Um den Ballen aus Wurzeln und Erde wird ein Jutetuch geschlungen. Die Äste werden mit Kordeln in mehreren Partien zusammengebunden, bis der Baum aussieht, als habe er Zöpfe. So kommt er auf den Tieflader, maximal darf er dann noch vier Meter hoch sein. Ein Baum braucht Jahrzehnte, bis er, verschnürt wie ein Rollbraten, im Liegen immer noch vier Meter Höhe misst.

"Die sind ja der Hammer!", ruft Katharina von Ehren und springt aus dem Auto. Über Löwenzahn und Klee stapft sie auf eine Gruppe Linden zu, zieht ein Maßband aus der Tasche, prüft den Umfang. Langsam geht sie von Baum zu Baum, legt den Kopf in den Nacken, umkreist die Stämme. Schließlich bleibt sie stehen. "Die hier ist schön im Astwerk und Kronenaufbau", sagt sie. Diese Linde wird sie ihrem Kunden anbieten. Sie stellt sich daneben und bittet um ein Foto. Das ist wichtig für den Verkauf: Mit Katharina von Ehren neben dem Baum zeigt das Bild dem Kunden dessen Dimensionen. Und es zeigt, dass die Brokerin das Gehölz persönlich in Augenschein genommen hat. Das macht ihren Service aus.

In den USA, wo Katharina von Ehren drei Jahre als Tree Brokerin an der Ostküste arbeitete, ist das Geschäft verbreitet. In Deutschland müssen sich Kunden noch immer an die Baumschulen direkt wenden, die aber selten die gesamte Bestellung parat haben. "Die meisten müssen Teile der Lieferung zukaufen", sagt Katharina von Ehren. Sie hingegen kauft die gesamte Lieferung zusammen, und weil sie besonders viel herumkommt und Fotos macht und in Karteien ordnet, weiß sie immer, wo es welchen Baum am günstigsten gibt. "Ich nehme einen Aufschlag, aber offenbar bin ich konkurrenzfähig", sagt sie. 2011 hat sie ihre Firma gegründet - und schreibt bereits schwarze Zahlen.

Fertigbaum für 11.500 Euro

Katharina von Ehren läuft zu Fuß zu den Esskastanien, umrundet auch diese, betastet die Blätter. Ein Sommernieselregen fällt, sie stellt sich unter den Baum, bleibt trocken. "Die ist 25 Jahre alt, da geht das", sagt sie. Wie viel es denn kosten würde, sich von ihr so eine Esskastanie in den Fertiggarten liefern zu lassen? "Mit 11.500 Euro muss man schon rechnen", sagt sie.

Ein Baum ist halt da, ein öffentliches Möbelstück, gehört allen? Falsch. Ein Baum ist ein Statussymbol. Geld zum Anfassen. Zeit zum Kaufen. Hoch im Kurs.

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