Bademantel-Trend in Luxushotels:Frottee passé

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Selbst Marilyn Monroe war mit einem weißen Bademantel zufrieden. Vorbei. (Foto: mauritius images)

Der gute alte weiße Bademantel verschwindet aus den Hotels. Zu langweilig, nicht fancy, nicht social-media-tauglich genug. Wie bitte?

Von Hannes Vollmuth

Es ist nicht so, als hätte es keine Warnungen gegeben. Zuerst waren diese bodentiefen Fenster in den Hotels aufgetaucht. Beim Betreten des Zimmers muss man heute also sofort die Vorhänge vorziehen, um sich den letzten Rest Privatheit zu erhalten und den Blicken der Gesellschaft zu entgehen. Und jetzt ist also der wundervoll fad-weiße Bademantel dran.

Luxus-Hotelketten, so berichtet die Washington Post, sehen Nachholbedarf bei ihren Bademänteln: zu langweilig, zu funktional, einfach nicht social-media-tauglich. "Es reicht nicht mehr, das Logo des Hotels auf einen schlapprigen, weiten, weißen Bademantel zu drucken", sagte Greg Eubanks von Standard Textile, einem weltweit tätigen Bademantel-Lieferanten unter anderem für Hilton und Marriott. "Heutzutage", sagte Eubanks, "wollen sich Gäste als etwas Besonderes fühlen, sogar, wenn sie ihren Bademantel tragen."

Ja, der moderne Gast, er will sich fotografieren und digital verbreiten in seinem Bademantel. Weshalb jetzt von San Francisco bis Singapur mehr und mehr fancy Hotelbademäntel im Schrank hängen; im Leoparden-Look, aus Satin, gestreift, kariert, im Krepp-Look und in der Modefarbe "singrünblau". Instagram-tauglich. Verwertbar für die conditio humana 4.0.

Und der weiße Bademantel, der jeden in ein Frottee-Michelin-Männchen verwandelte? Passé, abgestreift, hingeworfen und zurückgelassen im analogen Zeitalter der Schmuddeligkeit.

Dabei war der weiße Bademantel immer auch ein geniales Anti-Statement: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein, flüsterte er, wenn sich müde Handlungsreisende am Ende ihres Tages in einem anonymen Standardhotelzimmer im schnöden Irgendwo einmummelten und abtauchten in der weißen Masse der Bademantelfraktion; auf dem Bett lümmelnd, Privatfernsehen schauend. Befreit von jedem Anspruch auf Repräsentation, frei von jedem Performance-Zwang. Nur in Frottee gewickelt, eine Stufe vor nackt.

Der weiße Mantel - das ist Reha, das ist Krankenhaus und Sauna, das ist Demokratie

Der weiße Bademantel, das ist auch Reha, Krankenhaus und Sauna, ein demokratisches Kleidungsstück für einen demokratischen Ort. Weshalb die grundehrliche Prostituierte Vivian alias Julia Roberts in "Pretty Woman" auch im plebejisch weißen Bademantel am Frühstückstisch sitzt, während sich Richard Gere im adeligen Morgenmantel-Fummel, dunkel natürlich, durch die Zeitung schmökert.

Das Hotelzimmer stülpt sich mit dem Instagram-Bademantel endgültig nach außen, aus Intimität wird Öffentlichkeit. Weiß ist die Farbe der Unschuld. Die Zeit der Unschuld ist vorbei. Gehet hin, ihr neuen Bademantelträger, und knipst euch die Finger wund.

© SZ vom 28.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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