Badehosen für Männer:Strandgötter? Von wegen!

Weltmeisterschaft im Splashdiving

Ausgefallene Wassersprünge in auffallenden Hosen.

(Foto: dpa)

Männer in Badehosen haben es nicht leicht. Oft ist der Auftritt peinlich, nur selten eine Augenweide. Momente der Wahrheit in einem besonderen Kleidungsstück.

Von Christian Mayer

Der Typ da oben auf dem Fünf-Meter-Brett hat alles, was man heute braucht, um die Blicke im Schwimmbad auf sich zu ziehen. Er hat diesen leicht ausgemergelten Jungmännerkörper, der neuerdings schick ist, und nicht ein Härchen auf der Brust, dafür aber um so mehr Barthaare. Was die Coolness angeht, könnte er es locker mit dem Schauspieler James Franco aufnehmen, der auch immer diesen amüsierten Blick aufsetzt. Drei, vier Mal springt er in die Höhe, bis sich die Abschussrampe gummiartig verformt, dann macht er einen doppelten Salto und gleitet mit einem Plopp ins Wasser.

Grinsend steigt er aus dem Becken. Die aschgrauen Boardshorts hängen ihm bis knapp über die Knie. Der Freibad-Adonis aus dem Münchner Vorort weiß genau, was gar nicht mehr geht, im Hochsommer 2015: Shorts, die ihren Namen verdienen. Mit seiner überlangen Badehose ist er keineswegs alleine, sehr viele tragen dieses Modell jetzt, selbst Mittvierziger, die gerne noch mal so aussehen würden wie ihre halbwüchsigen Söhne.

Die Badehose, so viel steht fest, ist das heikelste Kleidungsstück des Mannes. Eine Verlegenheitslösung. Das liegt in der Natur der Sache: Auch kurzbeinige, dickbäuchige oder spindeldürre Männer können im Anzug eine passable Figur machen, sie sind Meister der Tarnung und Täuschung. Wenn dann die Hüllen fallen, kommt der Moment der Wahrheit, sie spüren die Fragilität, die Lächerlichkeit der eigenen Existenz. So ein nackter, in der Sonne rot anlaufender Männerrücken mit vereinzelt sprießenden schwarzen Haaren - ist der nicht komisch?

Vielen Männern war das lange wurscht, sie hatten ein größeres Selbstbewusstsein als heute oder ein geringeres Schamgefühl. Manche eiferten auch nur den hübscheren Bikini-Frauen an ihrer Seite nach. Die Badehose konnte nicht kurz genug sein, sie stellte den Träger oft auf erschreckende Weise bloß. Noch in den Achtzigerjahren durfte man sich hemmungslos im Slip auf der Liegewiese breitmachen und sich wie ein Männermodell aus einer Helmut-Newton-Inszenierung fühlen, selbst wenn man figürlich eher bei den dicken Jungs aus den Ausziehfilmchen "Eis am Stil" angesiedelt war.

Die meisten dieser Höschen sahen nach dreimal Waschen so schlapp aus wie Topflappen. Außerdem zwickte und zwackte es ständig im Genitalbereich, das lag auch an der Kordel, die zuverlässig im Saum verschwand. Die Badehosen-Schnur war grundsätzlich zu kurz, weshalb man stets ein paar Sicherheitsnadeln zum Herausfummeln mitnehmen musste. Tarzan alias Johnny Weißmüller wusste schon, warum er lieber einen Schwimmrock mit Haltevorrichtung für sein Messer trug.

Vor dem Jahrtausendwechsel: Schlabbershorts in Neonfarben

Irgendwann in den Neunzigern hatte der Badeslip, der in prüderen Gesellschaften wie den USA den Sportschwimmern vorbehalten blieb, weitgehend ausgedient. Nur noch die alternden Beckenrand-Stenze wollten ihren Mini-Streifen behalten, jene Männer also, die sich gerne ausführlich den haarigen Bauch kratzen und dabei ein Weißbier trinken.

Was folgte, war allerdings nicht unbedingt eine stilistische Verbesserung. Männer trugen nun viel zu weite Schlabbershorts in Neonfarben. Badehosen waren billig, das sah man ihnen an. Und meist waren die Stoffe so schwer, dass sie selbst nach drei Stunden auf der Haut kein bisschen trockneten. Das galt auch für eine weitere Abart der Badehose, die Fußballer-Hose aus glänzendem Kunststoff, die sich im Wasser wie ein Plastiksack aufblähte. In solchen Shorts, die gerne mit unförmigen Hawaiihemden kombiniert wurden und auch abends als Ausgehuniform dienten, zogen Hunderttausende deutscher Touristen durch die mediterranen Länder, sehr zur Erheiterung der Ureinwohner, die sich hinter dem Rücken der Gäste über so viel Stillosigkeit mokierten. "Je breiter der Rumpf eines Deutschen, desto knapper sind die Badehosen und desto lauter die Stimme", ätzte der amerikanische Reporter und Satiriker P. J. O'Rourke in seinem Erlebnisbericht "Reisen in die Hölle und andere Urlaubsschnäppchen".

Strandgötter in knappen Höschen

Wenn es Männern wirklich mal gelingt, in einer Badehose zu glänzen, dann schaffen sie Bilder für die Ewigkeit. Der junge David Hasselhoff hat das lange vor seinen zahlreichen Abstürzen vorgemacht, als er über Nacht zum "Baywatch"-Helden avancierte - am besten ging es ihm in der kurzen roten Rettungsschwimmer-Badehose, sie war sein kalifornischer Traum. Ein Klassiker. Genauso wie die orangefarbene Badehose, in der Alain Delon seine Mitspielerin Romy Schneider sinnvollerweise gleich am Swimmingpool verführte.

Wie man als Strandgott im kurzen blauen Höschen aus den glitzernden Wogen steigt, hat aber natürlich keiner besser vorgeführt als Daniel Craig im James-Bond-Film "Casino Royale". Wochenlang musste der Darsteller pumpen und schwitzen, bis er die richtige Figur für die Szene besaß. Dennoch war ihm der Moment der Selbstentblößung später peinlich. "Die Badehose werde ich nie wieder anziehen, auch wenn das die Produzenten gerne gesehen hätten", ließ Craig seine weiblichen Fans wissen, die noch Jahre später von den Ausformungen des schaumgeborenen Agenten schwärmten. Mindestens so viel Aufmerksamkeit erhielt US-Präsident Barack Obama, als er zu Beginn seiner ersten Amtszeit mit einer Cargo-Shorts am Strand erwischt wurde - der mächtigste Mann der Welt, der noch dazu wie ein kalifornischer Beachboy wirkte, schaffte es damit prompt auf die Titelseiten der großen Lifestyle-Magazine.

Weniger ambitionierte Männer verlassen sich auf ihr Bauchgefühl: Beim Blick in den Spiegel wissen sie, dass die perfekte Beach-Figur eine Illusion ist, da können sie noch so viele Workout-Tricks aus der Men's Health ausprobieren. Die fiese Ausbuchtung in der Mitte geht nicht weg.

Was man heute trägt

Der Kauf einer Badehose ist daher eine Herausforderung, eine Grundsatzentscheidung von einiger Tragweite. Was wirkt denn nun am wenigsten peinlich: gemustert, gestreift, monochrom? Lang, halblang oder doch etwas knapper? Ein, zwei oder vier Taschen? Kordel innen, Kordel außen oder vielleicht sogar ein Gürtel, um alles sicher im Griff zu haben? Die Hersteller haben sich auf die Bedürfnisse der mit sich selbst hadernden Kunden längst eingestellt. Die neuen Kollektionen sind zurückhaltender in Form und Farbe; Flamingos, Motorboote, Palmen, Hunde, Blondinen oder wilde Pop-Art-Motive auf den Kunstfaserstoffen sind genauso selten geworden wie die echten Männer, die sich in jedem Aggregatszustand unwiderstehlich finden.

Marken wie Quiksilver, Tommy Hilfiger, O'Neill, Billabong, Boss oder Adidas setzen auf den Streetwear-Look und auf ganz viel Polyester. Sehr praktisch: Man kann schon morgens seine Badehose anziehen, die wie eine normale kurze Hose wirkt, und springt dann nach der Arbeit gleich ins Wasser, ohne die lästige Umzieherei und das Handtuch-Gefrickel. Zwei, drei Minuten, und der Stoff ist wieder trocken, was den angenehmen Nebeneffekt hat, dass die sensiblen Träger nicht mehr ständig von der feuchten in die trockene Hose wechseln müssen.

Hallo, Waschbrettbauch

Für einige ist die Badehose auch ein Statussymbol. Wer will, kann sich für 300 Euro eine echte Orlebar-Brown-Shorts im Riviera-Style kaufen, die ein britischer Fotograf eigens für Leute erfunden hat, die gerne ein Wasserflugzeug und ein Haus in Palm Springs hätten und am liebsten auch noch den Luxuskörper dieser jungen Kerle aus der aktuellen Retro-Kampagne. Sieht gut aus? Ja - vor allem an den Models auf den Schwarz-Weiß-Bildern.

Und was treibt jetzt unser Adonis aus dem Münchner Freibad? Er hat genau registriert, dass er registriert worden ist. Peinlich ist ihm das gar nicht. Nach dem letzten Sprung vom Fünf-Meter-Brett hängen seine Boardshorts ein wenig zu weit oben; die zieht er rasch wieder runter, damit sein Waschbrettbauch voll zur Geltung kommt.

Und dann ziehen sie von dannen, ein Mann und seine Hose.

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