Auszeichnung für deutsche Spitzenköche:Top of the Klops

Daniel Achilles

Der "Koch des Jahres" kommt aus Berlin: Kritiker des Restaurantführers Gault & Millau kürten Daniel Achilles zu Deutschlands bestem Küchenchef.

(Foto: dpa)

Sie kochen auf Weltniveau, bekommen aber wenig Anerkennung: Der Gault & Millau ehrt deutsche Spitzenköche, in diesem Jahr erhält der Berliner Daniel Achilles die begehrteste Auszeichnung. Der Gourmetführer beklagt eine kulinarische Ignoranz der Politik. Jetzt soll die Misere ein Ende haben.

Von Marten Rolff

Die deutschen Spitzenköche haben ein immer gravierenderes Luxusproblem. Weil sie einerseits längst auf Weltniveau kochen und in Europa - gleich nach ihren französischen Kollegen - regelmäßig die besten Bewertungen einfahren. Weil aber andererseits diese Exzellenz im In- wie im Ausland noch zu wenig wahrgenommen wird.

Hohe Noten, aber niedrige Anerkennung und infolge dessen zu wenige Gäste lautet also das Dilemma, über das man sich in der deutschen Restaurantkritik inzwischen einig ist. Neu an dem Problem: Man beschränkt sich nicht mehr darauf, es auszusprechen und zu analysieren, sondern dringt nun immer beharrlicher darauf, es auch zu lösen.

An diesem Dienstag erscheint der Gault & Millau, neben dem Guide Michelin der zweite große Gastroführer. Und wie schon in der vergangenen Woche bei Michelin urteilen auch die Gault & Millau-Tester ausgesprochen wohlwollend über die deutschen Edelküchen. Um dann schon im Vorwort der von Jahr zu Jahr umfassender ausfallenden Gourmetbibel Konsequenzen aus diesem Urteil zu fordern.

Tenor der im Appellstil verfassten Vorrede: Die Köche haben ihre Hausaufgaben gemacht, nun sei es an der Zeit, die hervorragenden Ergebnisse auch angemessen in der Welt zu kommunizieren und den Spitzenchefs endlich dieselbe Förderung zukommen zu lassen, die sie in Ländern wie Spanien, Peru oder Schweden erhalten.

Kulinarische Ignoranz

Eine Ursache für die Misere sieht der Gault & Millau in der allgemeinen kulinarischen Ignoranz der Berliner Republik. So seien Starköche wie Tim Raue bei Staatsbesuchen des US-Präsidenten gezwungen, "ein jeder Dekadenz unverdächtiges Gericht wie Königsberger Klopse" zu servieren anstatt mal zu zeigen, was sie können. Für mehr Küchenkunst ist womöglich auch kein Bedarf. Denn, so ätzt der Gourmetführer: "Deutsche Politiker (. . .) sehen nach wie vor ein Wiener Schnitzel im Borchardt als den Höhepunkt lukullischer Freuden."

Werden Restaurantkritik und Köche, die ja im Erfolg aufeinander angewiesen sind, mit solchen Appellen mehr Gäste ziehen und letztlich auch die Kanzlerin von Klopsen und Kartoffelsuppe abbringen? Das könnte eine interessante Debatte werden. Denn es gilt zwar als unbestritten, dass Spitzenrestaurants den Kampf um Anerkennung im globalen Gourmetzirkus oft nur noch mit Lobbyarbeit bestehen, und die Politik wirbt schließlich im Ausland auch für deutsche Luxuskarossen. Doch ob die Volksvertreter eines Landes, in dem ein SUV für 100.000 Euro weiter als völlig vertretbar gilt, solange man sich dessen Kofferraum mit Discountertüten volllädt, mit der Hummerschere zu packen sind? Das darf man mal vorsichtig bezweifeln; schließlich ist der letzte SPD-Kanzlerkandidat auch an dem Bekenntnis gescheitert, dass er keinen Weißwein trinke, der weniger als fünf Euro kostet.

Dem Eifer, die Berliner Republik kulinarisch zu missionieren, kommt entgegen, dass die Anreize für die Politiker gewissermaßen vor der Haustür liegen. Denn die Restaurantszene der Hauptstadt entwickelt sich auch nach Meinung des Gault & Millau weiterhin auf das Prächtigste. So geht der begehrte Titel "Koch des Jahres 2014" an den Berliner Daniel Achilles.

Gewisser sportlicher Grundgedanke

Der 37-Jährige Küchenchef des "Reinstoff" erhält - in einem System von bis zu 20 Punkten - erstmals eine 18-Punkte-Wertung. Achilles, so lautet das Urteil der Tester, entwickle sich von allen Berliner Köchen derzeit am schnellsten, er koche längst "auf Augenhöhe mit seinem ehemaligen Lehrmeister Juan Amador". Gelobt wird seine "stilistische Geschlossenheit", seine außerordentliche Präzision und die Fähigkeit, aus "vermeintlich einfachen Produkten" wie Petermännchen oder Wels durch mehr Denkarbeit "große Küche" zu machen.

Auch Hendrik Otto vom "Lorenz Adlon Esszimmer" wurde auf 18 Punkte hochgestuft, der Koch brilliere durch einen "extremen technischen Schwierigkeitsgrad". Der von Jahr zu Jahr wachsende Erfolg der Hauptstadtköche erklärt sich auch aus dem Druck der steigenden Konkurrenz. "Ein gewisser sportlicher Grundgedanke ist ein Schlüssel zu Erfolg", sagte Achilles der SZ. Stehen zu bleiben sei in Berlin heute weniger möglich denn je, "man muss immer ein bisschen mehr machen als die Nachbarn."

Ebenfalls 18 Punkte erkochte sich Volker Drkosch vom "Victorian" in Düsseldorf. An der Spitze ändert sich beim Gault & Millau allerdings nichts; angeführt wird die Wertung mit jeweils 19,5 Punkten weiter von Harald Wohlfahrt ("Schwarzwaldstube", Baiersbronn), Joachim Wissler ("Vendôme", Bergisch-Gladbach), Klaus Erfort ("GästeHaus", Saarbrücken) und Helmut Thieltges ("Waldhotel Sonnora", Dreis). "Aufsteigerin des Jahres" ist Jacqueline Amirfallah vom "Gauß" in Göttingen, die Deutsch-Iranerin, die eigentlich Soziologie studiert hat, ist mit 17 Punkten neben Douce Steiner ("Hirschen", Sulzburg) nun die höchstbewertete Köchin im Gastroführer. Die Auszeichnung "Sommelier des Jahres" geht in diesem Jahr nach Hamburg: an Markus Berlinghof vom "Hotel Louis C. Jacob".

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