Ausstellung zu Unterwäsche:Kleine Geschichte des Drunter

Warum sollten Unterhosen um 1900 besonders kratzen? Welcher Schweizer revolutionierte die Wäschewelt? Eine Stuttgarter Ausstellung zeigt Buxen und BHs aus drei Jahrhunderten.

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"Auf nackter Haut - Leib. Wäsche. Träume" Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg Stuttgart

Quelle: HDGBW/Sacha Dauphin

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Was auf den ersten Blick aussieht wie Mode aus den 1970er Jahren, ist in Wirklichkeit Unterbekleidung aus dem ausklingenden 19. Jahrhundert. Nicht gedacht, um darin gesehen zu werden, zumindest nicht in der Öffentlichkeit.

130 Jahre Wäsche-Historie werden derzeit im Stuttgarter Haus der Geschichte Baden-Württemberg gezeigt. In der Ära dieser züchtigen Stücke stritten die Experten nicht über Stil - sondern über das beste Material für Unterbekleidung. Und zwar aus medizinischer Sicht: "seuchenfeste" Wollware, Leinen oder Baumwolle? Hauptsache kratzig, so die Überzeugung zeitgenössischer Experten - das sollte die Durchblutung fördern.

"Auf nackter Haut - Leib. Wäsche. Träume" Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg Stuttgart

Quelle: Haus der Geschichte

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Die Firma Schiesser entwickelte nach den Empfehlungen des Münchner Hygienikers Max von Pettenkofer "Abhärtungswäsche" - teils aus Ramieleinen, teils aus Baumwolle. Der gebürtige Schweizer Jacques Schiesser, der 1875 in Radolfzell seine Trikotagenfabrik gegründet hatte, erhielt auf der Pariser Weltausstellung 1900 für diverse Patente im Wäschebereich den Grand Prix für Innovation. Dieses Flechttrikot stammt aus dieser Zeit.

"Auf nackter Haut - Leib. Wäsche. Träume" Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg Stuttgart

Quelle: Maute Benger GmbH

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Die Unterwäsche-Revolution war zunächst eine technische. Die Erfindung des Zirkularwirkstuhls ermöglichte es, die kratzigen Materialien durch elastische Stoffe zu ersetzen. Und schuf so die Voraussetzung dafür, dass sich Unterwäsche von einem notwendigen zu einem modisch relevanten Teil der Garderobe entwickeln konnte.

Und für Badeanzüge, die tatsächlich funktionierten. Bis in die 1930er wurden sie noch aus Wolle gefertigt. Der Markenname Ribana für Badekleidung der schwäbischen Firma Benger geht übrigens auf Winnetous Freundin zurück.

Werbung für Ribana-Badeanzüge, um 1920

"Auf nackter Haut - Leib. Wäsche. Träume" Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg Stuttgart

Quelle: HDGBW/Sacha Dauphin

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Die modische Revolution vollzog sich - zumindest für die Dame - in den 1930er Jahren. Ein neues Frauenbild fand in Kurzhaarfrisuren, knapperen Röcken und einem schlanken, sportlichen Körperideal Ausdruck. Eng anliegende Bademode betonte die neue Figur. Während des NS-Regimes war die Einfuhr von Wolle und Baumwolle stark begrenzt, die Hersteller waren auf alternative Materialien wie Zellwolle oder Kunstseide angewiesen.

"Auf nackter Haut - Leib. Wäsche. Träume" Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg Stuttgart

Quelle: Haus der Geschichte

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Nach dem Krieg boomte auch die Wäschebranche. Die Konzerne vertrieben erfolgreich Feinripp aus der Rundstrickmaschine (Modell im Bild von ca. 1965). Die Doppelripp-Unterhose mit Seiteneingriff wurde zum Bestseller - und später zum Symbol für Spießigkeit und Prüderie.

"Auf nackter Haut - Leib. Wäsche. Träume" Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg Stuttgart

Quelle: HDGBW/Noshe

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Die Möglichkeiten der Damenwäsche - auch dank neuer Stoffe wie Elastan und Perlon - haben sich in den vergangenen Jahrzehnten verzigfacht (im Bild: Benger-Bikini von 1968). Mit der fortschreitenden Sexualisierung des Körpers seit den 1980er Jahren wurde die Erotik mehr und mehr zum Verkaufsfaktor: Reizwäsche statt Abhärtungswäsche - zumindest bei den Frauen.

"Auf nackter Haut - Leib. Wäsche. Träume" Ausstellung im Haus der Geschichte Baden-Württemberg Stuttgart

Quelle: Schiesser AG

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Bei der Herrenhose herrschte dagegen jahrzehntelang überwiegend Einheitslook (Plakat von ca. 1970). Erst in den 1980er Jahren entwickelten sich modische Schnitte für Männer; ein Werbespot des Jeanskonzerns Levi's machte die Boxershorts in Europa bekannt.

Jüngste Entwicklungen in Material und Mode haben die Grenzen zwischen Unter- und Oberbekleidung inzwischen völlig verwischt. Oder würden Sie das Kompressionsshirt von Manuel Neuer als Unterhemd bezeichnen?

Die Ausstellung "Auf nackter Haut - Leib. Wäsche. Träume" ist noch bis 31. Januar 2016 im Haus der Geschichte in Stuttgart " zu sehen.

© Süddeutsche.de/leja/vs
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