Aquazzura-Schuhe:Wie ein Gang auf Wolken

Edgardo Osorio von Aquazzura ist der neue Liebling der Frauen. Warum? Weil er sich traut, was andere nicht wagen: Er macht High-Heels, die nicht nur schön aussehen, sondern bequem sind. Ein Besuch in Florenz.

Von Julia Werner

Fast jede große Karriere im Schuh-Business beginnt mit dem Auftritt einer Frau. Als Bianca Jagger in den Siebzigerjahren ihren Geburtstag im New Yorker Studio 54 feierte, trug sie Stilettos von Manolo Blahnik, dem bis heute unangefochtenen Schuhkönig. Der Franzose Roger Vivier überwand seinen Insider-Status, als Catherine Deneuve im Film "Belle de Jour" seine Pilgrim-Pumps trug. Und auch Edgardo Osorio erging es nicht anders. Viel verdankt sein gerade sehr angesagtes Label Aquazzura - erst 2011 gegründet - der Stylistin Giovanna Battaglia, die so gut angezogen ist, dass sie zu den Top Ten der Social-Media-Ikonen gehört. Also zu denen, die Trends setzen.

Diese Modestars von Instagram & Co. haben natürlich schon jede Menge neuer Schuhlabels zur Schau getragen. Nie war schließlich der Hunger nach immer höheren, bunteren, wahnsinnigeren Schuhkreationen größer als in den vergangenen Jahren. Viele sind längst wieder vergessen. Eines nämlich ging bei dieser Laufbandproduktion der Fetische verloren: der eigentliche Sinn und Zweck eines Schuhs. Also das Laufen. Aquazzura hingegen hat gute Chancen, auch noch in zehn Jahren hübsch pedikürte Füße zu zieren. Weil Osorio, der gerade mal 28 Jahre alt ist, vieles anders macht als andere junge Schuhdesigner.

Zum Beispiel redet er über Bequemlichkeit, ein absolutes Unwort in der Welt der Mode, wo man sich lieber die Ferse abhacken würde als in komfortabler Uneleganz erwischt zu werden. Natürlich: eingefleischte Birkenstock-Träger wären von der Art des Komforts, von der wir hier reden, eher enttäuscht. Für High-Heels-Fans aber fühlen sich Aquazzura-Schuhe an wie ein Gang auf Wolken.

Nach 90 Sekunden ein internationales Unternehmen

Osorio hat schon jetzt einen Klassiker im Sortiment: Sexy Thing heißt dieser zehneinhalb Zentimeter hohe Hybrid aus Sandale und Stiefelette. Giovanna Battaglia sei nach der New York Fashion Week in den Aquazzura-Showroom gekommen, habe Flats getragen und über ihre schmerzenden, von High Heels ramponierten Füße gejammert, erzählt der gebürtige Kolumbianer. "Dann probierte sie den Sexy Thing an. Und trug ihn für die restliche Zeit der Schauen. Sie wurde so oft fotografiert, dass wir innerhalb von 90 Sekunden ein internationales Unternehmen waren."

Wir, das sind er und sein portugiesischer Geschäftspartner Ricardo D'Almeida Figueiredo. Die beiden sitzen in ihrem Florentiner Atelier unweit des Doms, im Palazzo Malaspina. Im Erdgeschoss befindet sich der Eingang eines Hotels, Tee für den Gast wird in der benachbarten Bar in einem Pappbecher geholt. Beide Herren tragen ihr Haar etwas länger, so wie das nur wohlerzogene Jetset-Boys können, Edgardo Osorio trägt Kaschmirpulli zu weißen Jeans.

Das Atelier: ein prachtvolles, mit hellblauem Stuck geschmücktes Großraumbüro. Hier wird nicht nur entworfen, sondern auch der Rest erledigt, und so sitzen die Mitarbeiter zwischen Schuhbergen, Entwürfen und Rechnungen. Luxuriöse Start-up-Atmosphäre eben. "Wir sind aber in Verhandlungen für ein neues Domizil in einem historischen Palazzo von Florenz", berichtet Osorio. "Wenn das klappt, eröffnen wir dort auch unseren ersten Laden."

Schon nach zwei Jahren ein eigener Store in Toplage: Dafür muss man in Rekordzeit ziemlich viele Schuhe verkauft haben. Das gelingt nicht nur mit schönen Entwürfen. Sondern vor allem mit gutem Handwerk. Edgardo Osorio ist zwar noch keine dreißig, aber schon so etwas wie ein alter Hase im Geschäft. Schon als Kind habe er davon geträumt, ein großer Designer zu werden, "einer wie Valentino!". Jugendliche Leidenschaft schwingt in jedem seiner Sätze mit. Und trotzdem: "Edgardo ist ein Geschäftsmann, der genau weiß, was er will", beschreibt ihn sein Partner. "Er weiß genau über die Märkte Bescheid. Und darüber, was in seinen Showrooms passiert."

Schuhe für ein Jahrzehnt

Aquazzura-Schuhe: Vielleicht nichts für Birkenstock-Freunde, aber für High-Heels-Fans allemal: Die Sandale "Sexy Thing", mit der alles begann.

Vielleicht nichts für Birkenstock-Freunde, aber für High-Heels-Fans allemal: Die Sandale "Sexy Thing", mit der alles begann.

(Foto: Aquazzura)

Der Sohn einer Inneneinrichterin und eines Bauunternehmers wuchs kosmopolitisch auf zwischen London und Miami. Mit 19 engagierte ihn Salvatore Ferragamo, später beriet er den Schuhmacher René Caovilla. Und bis vor zwei Jahren verantwortete er die Schuhe von Roberto Cavalli. Bis er mal wieder in einem der großen Kaufhäuser New Yorks unterwegs war, um sich die Schuh-Situation anzuschauen.

Dabei ging es ihm so wie Millionen Frauen: "Alles war so vulgär. Es war gerade die große Plateau-Zeit, und die Schuhe waren schwer, überdekoriert. Ein paar Jahre zuvor fand man diese Art doch eigentlich nur in Sex-Shops, und plötzlich war das Luxus", sagt Osorio mit selbstbewusstem Blick. "Außer den ewig gleichen vier Schuhdesignern, die immer das Gleiche machen, gefiel mir nichts".

Ziemlich sicher, dass unter den für gut befundenen Schuhen auch einer von Manolo Blahnik war, der alle Trends erfolgreich ausgesessen und im wahrsten Sinne des Wortes seinen eigenen Stiefel gemacht hat - weshalb der Grand Seigneur zurzeit ein großes modisches Revival feiert. Blahnik macht seit Jahren das, worauf Osorio zielsicher hinarbeitet: Klassiker, die man nicht nur eine Saison, sondern ein ganzes Jahrzehnt trägt. "Ich will nicht jede Saison eine neue Welt erschaffen", sagt er. "Die Einstellung, in einer Saison etwas zu lieben und in der nächsten unmodern zu finden, gefällt mir nicht. Das hat doch nichts mit dem Leben einer Frau zu tun!" Deshalb sei ein Label wie Céline erfolgreich: es gehe um die Evolution eines Stils, auf dem Frauen ihre Garderobe aufbauen können.

So laufen bei Aquazzura viele Modelle über viele Saisons, in neuen Farbvarianten. Und auf der Innenseite des blauen Schuhkartons mit dem Ananas-Symbol prangt der schlaue Satz: "If the shoe fits, buy it in every colour!" Wenn der Schuh passt, kauf ihn in allen Farben. So wie viele Männer das mit Hemd und Hose machen, wodurch sie ein viel unkomplizierteres Leben führen. "Eleganz hängt auch damit zusammen, wie wohl man sich fühlt", sagt Osorio. "Ich will Schuhe machen, die bequem und schön sind. Die man immer anziehen kann, ohne sich den Kopf zu zerbrechen."

Es geht um die Trägerin

Der Name des Labels trägt den Zusatz: Firenze. Osorio hätte gerne in New York gelebt. Aber da findet man sie nicht, die Schuhspezialisten, die man braucht, um einen wirklich großartigen Schuh zu machen. Er beschäftigt einen Leistenmacher, der seit vierzig Jahren die Architektur von High Heels perfektioniert, mit einem nachgebauten Fußknochenmodell. Für Osorio ist das der wahre Luxus: die Zeit, die Menschen in ein Produkt stecken, um jedes Detail noch besser zu machen.

Es geht um die Umverteilung des Gewichts auf die Ferse und um den grazilen Schwung des Fußrückens. In Aquazzura-Schuhen wird zur Druckentlastung außerdem eine Schicht Memory-Schaum gearbeitet. Und das Wildleder wird so behandelt, dass es butterweich ist und nirgends einschneidet. Die Schuhe sind: leicht. Weswegen sie auch erst am Fuß wirklich gut aussehen. Sie sollen sich anfühlen wie Socken - "und ein Teil des weiblichen Körpers sein", erklärt Osorio etwas pathetisch. Im Gegensatz zu dem, was Mode-Profis "Statement Shoe" nennen, Kunstobjekte, die oft eher wie Fremdkörper an Frauenfüßen wirken.

Osorio geht es um die Trägerin, nicht um den Design-Prozess an sich. Und so haben seine Instagram-Freundinnen auch direkten Einfluss auf seine Arbeit: Er sieht, wie sie leben, und welche Kleider sie zu seinen Schuhen kombinieren.

Genau das ist wohl das Geheimnis, wie bei allen langfristig erfolgreichen Designern. Sie denken bei der Arbeit nicht an ihre eigene Großartigkeit, sondern an die der Frauen. So wie Oscar de la Renta: "Laufen Sie immer so, als hätten Sie drei Männer hinter sich", hat er den Frauen mal geraten. Edgardo Osorio liebt dieses Zitat: "Wenn ich Schuhe entwerfe, denke ich an fünf Männer hinter ihnen."

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