Anglerglück:Der Wurf ist das Ziel

Es war immer schon ein königlicher Zeitvertreib und ist bis heute die höchste Form des Angelns: Ein neuer Bildband feiert die Eleganz des Fliegenfischens.

Von Max Scharnigg

Charles C. Ritz war der Beste. Wie kein anderer verkörperte der Sohn des legendären Hotelgründers César Ritz den Gentleman-Fliegenfischer. Fast ein Jahrhundert lang reiste der elegante kleine Mann mit seiner Fliegenrute um die Welt, fischte in bayerischen Wildbächen auf Äschen, in Schottland auf Lachs, in Norwegen auf Meerforellen. Er korrespondierte mit anderen Fliegenfischern, baute seine Ruten selbst, band im Winter seine Fliegen und konnte über all diese und hundert weitere Facetten seiner Passion auch noch begnadet schreiben. Sein Buch "Erlebtes Fliegenfischen" von 1956 wurde zum Standardwerk für Generationen von Fliegenfischern, heute ist jedes Exemplar ein antiquarischer Schatz. Das Vorwort hatte damals natürlich Ernest Hemingway geschrieben.

Auch wenn Hemingway diesmal nicht zur Verfügung stand - der Herr Ritz hätte sich wahrscheinlich über das Buch "The Fly Fisher" gefreut, das gerade im Gestalten-Verlag in Berlin erschienen ist. Denn neben der fachlichen Grundinformation, für die man es bestimmt nicht kauft, beleuchtet es von der ersten Seite an vor allem die besondere Lebensart, die der Fliegenfischer pflegt. Er definiert sich ja ganz besonders über diese sinnliche Auseinandersetzung mit seinem Gerät, mit Bindematerialien für die Fliegen, mit den richtigen Wurftechniken, der sensiblen Beobachtung der Natur und bis hin zur passenden Kleidung, die heute irgendwo zwischen Hightech-Wathose und sorgsam abgewetzter Tweed-Schirmmütze changiert.

Es ist, bei allem neuen und in diesem Band ausgiebig zelebrierten Outdoor-Lifestyle, eben doch eine alte, königliche Passion, die die Herausgeber Jan Blumentritt und Thorsten Strüben in eine gelungene Mischung aus Coffeetable-Book und Nachschlagewerk verpackt haben. Diese bildlastige Würdigung war eigentlich überfällig, denn sie passt ziemlich gut in eine Zeit, in der die Städter die stilvolle Selbstversorgung als Wochenendbeschäftigung wiederentdeckt haben. Nach dem Lob des Gärtners, der einsamen Hütten und des Wanderns erlebt nun also auch das Angeln seinen Hochglanz-Moment.

Wobei, einen Fliegenfischer zu den schnöden Anglern zu zählen ist etwa so, als würde man Golf eine gesellige Ballsportart nennen. Nein, das Wedeln mit der leichten Fliegenrute gilt allgemein als gediegenes Endstadium der Fischerei. Tatsächlich sind die meisten Fliegenfischer vorher normale Angler gewesen, die irgendwann einen Kurs zum Fliegenfischer absolviert haben oder von einem väterlichen Gentleman eingeführt worden sind, zumindest hierzulande. Bemerkenswert ist aber, dass die meisten dem Fliegenfischen dann noch mal neu und komplett verfallen.

Die Unterschiede zum gemeinen Boots- und Stegangler sind in allen Bereichen eklatant, der größte ist die Technik. Grob gesagt möchten Fliegenfischer einen schwerlosen Köder vor das Fischmaul bugsieren und bedienen sich dafür einer beschwerten Schnur. Bei dem auffälligen Wurfvorgang wird über die Rute in mehreren Zügen immer mehr von dieser fliegenden Schnur ausgelassen, bis schließlich die richtige Länge in der Luft ist und die Fliege am Ende wie schwerelos auf die gewünschte Stelle im Wasser tupfen kann. Klassischer Austragungsort für den Fliegenfischer ist ein Fließgewässer mit forellenartigen Fischen, sogenannten Salmoniden. Hecht und Karpfen sind ihm meistens zu unfein, andere Fischarten wie Zander oder Wels bekommt er aus fressbiologischen Gründen nie zu Gesicht. Neben einer komplett anderen Ausrüstung bewegt der Fliegenfischer sich auch anders, nämlich nicht am, sondern überwiegend im Wasser, wo er mittels Wathose, Watschuhen und Watjacke vorwärts kommt. Seine spezielle Technik macht ihn zu dem Typus unter den Anglern, der am meisten Gymnastik abbekommt. Er wandert zudem den Fluss entlang, von Gumpen zu Gumpen, immer auf der Suche nach verräterischen Ringen auf dem Wasser, die eine steigende Forelle anzeigen.

Dadurch ist der Fliegenfischer oft elegant und leichtfüßig unterwegs. Eimer, Anker, Stühle und große Gerätekisten sind ihm fremd, seine Ausrüstung wiegt wenig, und er hält zudem auch etwas auf seine stimmige Gesamterscheinung. Das ist vielleicht das größte Verdienst des neuen "Fly Fisher"-Buches, es macht die perfekte Symbiose dieses kunstvollen Fischjägers mit der Natur mit spektakulären Fotos deutlich. Ob in der Weite Montanas oder im knietiefen Wasser vor Mauritius - der Fliegenfischer ist hier im wahrsten Sinne in seinem Element.

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(Foto: Gestalten Verlag)

Eine Ahnung von der philosophischen Qualität dieser Passion hat jeder spätestens seit dem Film "Aus der Mitte entspringt ein Fluß", in dem Brad Pitt so lässig die Fliegenrute schwang. Tatsächlich liegt in dem stillen Werfen in Verbindung mit der Naturkonzentration des Anglers ein meditatives Premiumerlebnis, das für viele Infizierte mehr wert ist als der Fischfang. Aber auch das Fliegenbinden, bei dem in kunstvoller Bastelarbeit auf winzigsten Haken die naturgetreue Imitation einer Fliege entsteht, atmet diese Konzentration. Charles Ritz schrieb, dass ihn mit zunehmenden Alter die Verfeinerung seiner Technik in diesen Bereichen so sehr in Anspruch nahm, dass er in dem Moment, in dem der Biss erfolgte, beinahe gelangweilt war. Um die kunstvolle List, die Pirsch und die Täuschung der schlauen Äsche geht es, nicht um Drill und Beute.

Davon hat sich vieles bis heute erhalten, nirgends gelten edlere Regeln als bei dieser "hohen Fischwaid". Widerhaken an den Haken sind zum Beispiel ebenso verpönt wie Fischentnahme, auch wenn im Gegenzug gerne mal dreistellige Beträge für eine Tageserlaubnis an Fliegenfisch-Strecken verlangt werden. Aber es geht dabei eben, und in diesem Sinne wirkt auch das Buch, um die Schönheit des Erlebens. Und natürlich um den magischen Moment, in dem die Forelle steigt.

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