Alexander Wang für H&M:Nächtliches Schwitzen

Alexander Wang für H&M: Am Donnerstagabend präsentierte Alexander Wang seine Kollektion für H&M.

Am Donnerstagabend präsentierte Alexander Wang seine Kollektion für H&M.

(Foto: AP)

Streng, sportlich, monochrom: Der Designer Alexander Wang hat für die Modekette H&M eine futuristische Kollektion entworfen. Zukunftsweisend könnte vor allem die Art ihrer Präsentation sein.

Von Lena Jakat

Wie sieht die Mode der Zukunft aus? Und wie die Zukunft der Mode? Zwei große Fragen, auf die Designer Alexander Wang bei einem kleinen Event am Donnerstagabend Antworten gab. Klein oder zumindest überschaubar war die Präsentation seiner neuen Kollektion für die Modekette H&M freilich nur in ihrer analogen Dimension in New York, groß dagegen in ihrer digitalen Wirkung.

Die Antwort auf Frage eins: Die Mode der Zukunft ist clean, monochrom, sportlich - eine Art Roboterlook, dominiert von blaugerahmten Sport-BHs, langen Handschuhe wie Box-Bandagen, Kleidern im Stil übergroßer Basketball-Shirts. "Ich liebe die Idee, nachts Sport zu treiben", sagte Wang der Daily News zu seinen Entwürfen. "Alle, die ich kenne, trainieren, jeder ist aktiv, jeder rennt herum." Ob sich der nächtliche Bewegungsdrang im Fitnessstudio oder im Club entlädt, ist da zweitrangig. Wang sagt, er schätze die Vielseitigkeit von Sportswear, in der man auch tanzen gehen könnte. Schließlich sei das verbindende Element: nächtliches Schwitzen.

Die Antwort, die Wang mit seiner Präsentation auf Frage zwei nach der Zukunft der Mode gab, ist ein wenig komplexer als die klaren, puren Entwürfe seiner Kollektion. Wang ist es gelungen, die Präsentation von ein paar Shirts, Hosen, Kleidern und Jacken einerseits als ein exklusives Event mit ausgewählten Gästen zu feiern, bei dem andererseits jeder virtuell dabei sein konnte - vor dem PC, am Handy oder Tablet. Die Modenschau wurde auf den Webseiten des Designers und seines Kooperationspartners H&M im Livestream übertragen. Das an sich wäre nicht weiter bemerkenswert, lassen sich doch auch die Schauen der großen Fashion Weeks in Paris, London oder Mailand regelmäßig und in Echtzeit verfolgen.

Wangs Launch am Donnerstagabend unterschied sich davon in zweierlei Hinsicht. Zum einen war es nicht nur eine Live-Übertragung. Über soziale Netzwerke wurden - gemäß der Logik viralen Marketings - vorab Teaser-Clips verbreitet, die Spannung aufbauen und steigern sollten: Da blitzten hier Details der Kollektion auf, machten dort Popcorn-Tüten und Plakate die Modenschau zum Blockbuster. Die Präsentation sollte nicht nur eine Präsentation sein, sondern eine Huldigung der beiden Marken, ein Happening, bei dem sich jeder Fan von Wangs Entwürfen und alle Kunden günstiger Mode aus Fernost als VIPs fühlen durften.

Klingt vertraut? Der Konzern, der diese Veranstaltungsform etablierte, hat eben erst seine neuen Produkte vorgestellt: das iPad Air 2 und das iPad Mini 3.

Mit seinem Launch-Event hat Alexander Wang außerdem einmal mehr bewiesen, dass der Modekalender nicht länger aus den zwei Jahreszeiten Frühjahr/Sommer und Herbst/Winter besteht, sondern aus 365 Tagen. Ein Alexander Wang ist nicht auf die Modewoche in New York angewiesen, wo er zwar seine Kollektion für Frühjahr/Sommer 2015 zeigte, die Aufmerksamkeit aber mit etlichen anderen Modemachern teile musste. Er gibt den Trends seinen eigenen Takt vor.

Dieser Takt wird immer schneller. Eine Frühjahr/Sommer- und eine Herbst-Winter-Kollektion genügt schon seit zehn Jahren nicht mehr. Mittlerweile veröffentlichen Designer wie Marc Jacobs, Burberry's, Michael Kors oder Ralph Lauren inzwischen zusätzliche Linien, die sogenannten Cruise- beziehungsweise Pre-Fall Kollektionen (der britische Telegraph liefert eine genaue Erklärung), bei den großen Ketten sind die Intervalle der sogenannten Fast Fashion noch deutlich kürzer. Händler wie Zara oder Asos bringen pro Jahr sechs bis acht Kollektionen auf den Markt, die Trends von den Laufstegen liegen damit schon binnen Wochen auf den Ladentischen.

Bis zum Hyperventilieren

Dieser Trend zur Beschleunigung ist nicht unumstritten, vor allem in Sachen Nachhaltigkeit. Die Gegenbewegung Slow Fashion versucht zumindest in Nischen das allgegenwärtige Tempo-Diktat auszubremsen. Alexander Wang antwortete im April auf die durchaus auch kritisch gemeinte Frage des Fachmagazins Women's Wear Daily, wie er zu Fast Fashion stehe: "Ich denke, alles verändert sich, das ganze System von Mode und Design, und ich glaube, es gibt für jeden die Möglichkeit, etwas zu machen, das anders und individuell ist." Auch sein Label wolle eigene Wege gehen, sagt Wang. "Die Zeit wird zeigen, wie es sich entwickelt." Von 6. November an wird seine Kollektion online und in Filialen weltweit verkauft.

Ob die Zukunft der Mode tatsächlich in einer Beschleunigung, womöglich bis zum Infarkt, und in einer Eventisierung wie am Donnerstag liegt - oder ob doch irgendwann ein Gewöhnungseffekt eintritt, bleibt abzuwarten. Zu Wangs futuristischen Klamotten lässt sich schon jetzt sagen: Die Mode der Zukunft hat der Modemacher mit seinen Entwürfen vielleicht nicht unbedingt vorweggenommen. Dass er damit aber den Zeitgeist getroffen hat, zeigen die begeisterten Reaktionen vielerorts im Netz.

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