Posse um Kleidung russischer Soldaten:Frostbeulen durch Designer-Uniform

Nicht nur tapfer, sondern auch trendy. So stellt sich das Verteidigungsministerium in Moskau den russischen Soldaten vor. Also wurde flugs der angesagte Designer Valentin Judaschkin engagiert, damit er den Militärs Modisches auf den Leib schneidere. Doch nun sind die Uniformen nicht praxistauglich - und der Couturier ist sauer.

Frank Nienhuysen, Moskau

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Schneidig sehen Judaschkins Kreationen ja aus - im Bild: eine Zeremonie-Uniform für das Kreml-Regiment. Nur warmhalten sollen seine Felduniformen so gar nicht.

(Foto: AFP)

Mut gehört zum Rüstzeug russischer Soldaten, aber dass die Armee vor einer Weile einen Modedesigner verpflichtete, war eben doch etwas Besonderes. Zwei Welten ließen sich aufeinander ein, als vor fünf Jahren der Moskauer Couturier Valentin Judaschkin damit begann, im Auftrag des Verteidigungsministeriums neue Uniformen für die Streitkräfte zu entwerfen. Auf der einen Seite die konservative Bastion der Soldaten, auf der anderen der Freigeist Judaschkin, der bereits Raissa Gorbatschowa einkleidete und ständig in den Modezentren der Welt unterwegs ist.

Winterfeste Camouflage-Uniformen statt sanft fallender Frauenkleider - würde diese Liaison gut gehen? Spätestens seit Mittwoch weiß ganz Russland, dass diese Affäre vorbei ist. Judaschkins Interview in der Zeitung Iswestija war so etwas wie ein Scheidungsantrag, in dem gleich auch noch schmutzige Wäsche gewaschen wurde.

Judaschkin beschuldigte das Verteidigungsministerium, die neuen Uniformen derart verändert zu haben, dass er sie nun nicht mehr als seine anerkennen könne. Die Farbe sei anders, der Stoff, die Knöpfe und Klettverschlüsse, das Innenfutter. "Wissen Sie", sagte er in dem Interview, "das ist, als wenn Sie die Jacke einer bekannten Marke haben wollten und man Ihnen eine vom chinesischen Markt geben würde." Und so ging es weiter mit Judaschkins Giftpfeilen.

Dolce & Gabbana im Verteidigungsministerium

"Offiziell erkläre ich, dass das, was die Armee derzeit trägt, nicht die Uniform ist, die ich und meine Mitarbeiter 2007 auf Bestellung des Verteidigungsministeriums ausgearbeitet haben." Bis zuletzt habe er ja gehofft, jemand vom Militär möge erklären, dass Judaschkin nichts mit der Kleidung zu tun habe, dass sie im Ministerium "selber wie Dolce & Gabbana sind und sich alles ausgedacht haben". Das ist natürlich nicht passiert. Und so marschierte Judaschkin voran.

So überraschend ist das Zerwürfnis aber auch wieder nicht. Die verschiedenen Mentalitäten waren offensichtlich schwer vereinbar. Von Anfang an schwang Skepsis mit. Russische Zeitungen weideten sich daran, wie teuer der extravagante Judaschkin den Staat doch zu stehen kommen würde. Allein die Entwürfe sollen umgerechnet mehr als vier Millionen Euro gekostet haben.

Und auch das noch: Offiziere berichteten, dass die Felduniform nicht einmal praxistauglich sei. Sie war angeblich nicht in der Lage, den Soldaten die Kälte vom Leib zu halten. Und das in Russland.

In der 74. Schützenbrigade wurden im Herbst 2010 gleich 129 Soldaten mit Unterkühlung oder beginnender Lungenentzündung ins Lazarett gebracht. Es folgten Meldungen von Massenerkältungen, in Orenburg soll ein Soldat gestorben sein weil bei minus 30 Grad seine Kleidung nicht ausreichend schützte. "Mir ist völlig egal, wer die Uniform modelliert hat, aber dass die Leute in ihr frieren, daran gibt es keinen Zweifel", klagte ein Militärstaatsanwalt im Frühjahr.

Dem polternden Abgeordneten Wladimir Schirinowskij, Parteichef der patriotischen Liberaldemokraten, kommt der Streit gerade recht. Er würde Judaschkin am liebsten ins Gefängnis schicken. Der sei "ein Junge, der nicht in der Armee gedient hat, der nicht versteht, was Russland eigentlich ist - er kennt nur Moskau, Sotschi und Nizza." Woraufhin Judaschkin antwortete: "Ich habe zwei Jahre in der Sowjetarmee gedient und alle Lasten und Entbehrungen am eigenen Leib erfahren."

Das nützt ihm auch nicht viel: Der neue Verteidigungsminister Sergej Schojgu will die Uniform bis zum Sommer ein weiteres Mal überarbeiten lassen.

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