Models über ihren Alltag:Kein leichter Gang

Heerscharen von Models laufen derzeit auf der Fashionweek in Paris. Nur wenige von ihnen wird man wiedersehen - in kaum einer Branche ist die Fluktuation höher. Und der härteste Gegenspieler ist das Alter. Fünf deutsche Models erzählen, wie sie mit dem Druck umgehen. Und was sie im Leben noch vorhaben.

Danijela Pilic

Mercedes-Benz Fashion Week - Stegner

Julia Stegner

(Foto: dpa)

Julia Stegner: "Für mich ist es nach wie vor schwierig, morgen angerufen zu werden und übermorgen am anderen Ende der Welt sein zu müssen. Ich mag einen geregelten Alltag: Ich habe einen Hund, mit dem muss ich dreimal am Tag raus - das liebe ich.

Ich wurde mit 14 Jahren entdeckt, wollte aber einen Schulabschluss machen. Ich bin mit meiner Mutter in den Ferien nach Mailand und New York und sah Mädchen bei Castings, die die Schule abgebrochen und es sehr schwerhatten. Jeder denkt, in diesem Job sei alles super und easy, aber man ist von zu Hause weg und muss viel Kritik einstecken. Mit 14, 15 ist man zu jung für so was. Ich bin froh, dass ich erst mit 18 richtig angefangen habe, aber selbst da war ich noch sehr jung im Kopf.

In meinem Business geht es um Äußerlichkeiten, klar. Aber das ist doch nicht nur in der Mode so: Heute ist ein Sixpack normal. Ich würde deshalb nicht von Jugendwahn, sondern von Schönheitswahn sprechen. Diesen Einheitslook finde ich traurig. Modelbilder werden manchmal übertrieben digital bearbeitet. Neulich war eine Freundin ganz besorgt wegen meiner dünnen Beine auf einem Foto, ich konnte sie aber beruhigen: alles nur retuschiert.

Ich bin Unicef-Botschafterin, und wenn es mit dem Modeln langsamer wird, möchte ich mehr Zeit da hinein investieren. Mein Traum wäre es, Gesundheitswissenschaften zu studieren. Wie meine Kollegin Christy Turlington, sie hat mir davon erzählt. Ich will in New York nicht alt werden oder Kinder großziehen, aber ich fühle mich gerade sehr wohl da und die Chancen zu studieren, sind größer. Nach Deutschland wollte ich schon oft zurückkehren.

So ein Modelleben schult einen, ganz widersprüchlich: Einerseits lernt man Disziplin, man muss früh aufstehen, flexibel sein, viel aushalten. Das fiel mir nie schwer, denn ich bin in dieser Hinsicht sehr "deutsch". Andererseits wird einem viel abgenommen. Ich musste erst lernen, eine Reise selbst zu buchen. Schön wäre es, wenn ich mal sagen könnte: So, jetzt ist Schluss. Dass ich immer noch arbeite, ist Wahnsinn. Klopf auf Holz, ich freu mich! Es kann jederzeit passieren, dass mich die Leute nicht mehr buchen. Das war immer das Krasseste für mich: Egal, wie hart ich arbeite - ich kann nicht beeinflussen, wie gefragt ich bin."

Stegner, 27, war in Kampagnen von Yves Saint Laurent und Chloé zu sehen. Forbes listet sie unter den zehn bestverdienenden Models der Welt.

Vanessa Hegelmeier

Vanessa Hegelmeier: "Ich habe bei Heidi Klums Castingshow mitgemacht - und bin lange vor dem Finale ausgestiegen. Diese Entscheidung war in meinem Fall genau richtig. In der Modebranche ist Germany's Next Topmodel nicht das beliebteste Format. Aber das hat mir nicht geschadet, denn als ich nach New York zog, wusste dort keiner, dass ich da mitgemacht hatte.

Zero + Maria Cornejo - Front Row & Backstage - Fall 2011 Mercedes-Benz Fashion Week

Vanessa Hegelmaier

(Foto: AFP)

Bei den internationalen Modewochen sind sehr junge Mädchen gefragt. Gerade am Anfang war es hart für mich, eine Absage zu kassieren, nur weil ich zum Beispiel braune und nicht blonde Haare habe. Doch ich bin froh, dass ich gelernt habe, das zu akzeptieren. Mit der Zeit wird man selbstsicherer und das hilft einem auch im Alltag. Wenn es um Kataloge oder kommerziellere Jobs geht, kommen junge Frauen besser an. Letztendlich geht es immer um den Look, und ob der gerade gesucht wird.

Modeln stand nie wirklich auf meinem Programm. Nach dem Abitur habe ich Mathematik in Bielefeld studiert. 2008 gab es dort ein Casting von Germany's Next Topmodel, und zwei Freundinnen haben mich da regelrecht hingeschleppt. Ich hatte die Show nur einmal kurz gesehen, bei Freunden, denn ich selber besitze bis heute keinen Fernseher. Ich wurde ausgewählt - und war unter den letzten neun Mädchen, als ich in einer Drehpause stürzte und mich verletzte. Ich habe freiwillig aufgegeben.

Kurz darauf rief mich die Hamburger Agentur "Place Models" an. Im September 2009 flog ich nach New York, musste von dort aus noch meine Bachelor-Arbeit schreiben und habe dann die Fashionweek mitgemacht.

Ich möchte noch studieren, am liebsten Medizin, und ich will damit nicht erst in fünf Jahren anfangen. Toll wäre es, an einer Uni zu arbeiten, oder als Ärztin. Wenn mir die Zeit bleibt, kann ich mir auch vorstellen, nebenher zu modeln. Dadurch, dass ich in Bushwick lebe, habe ich viele Freunde, die Künstler sind. So sehr ich diesen Input schätze, eines weiß ich genau: Für den kreativen Bereich bin ich einfach nicht geschaffen."

Hegelmaier, 25, ist das erfolgreichste Model, das je aus GNTM hervorging: Sie lief für Vuitton, Dolce Gabbana, Missoni und warb für DKNY.

Eva Padberg

FC Bayern Muenchen v Brose Baskets Bamberg - Beko BBL

Eva Padberg

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Eva Padberg: "Als Model ist man immer damit konfrontiert, dass es jeden Moment vorbei sein kann. Die Möglichkeiten, die sich bieten, wenn man als Model bekannter wird, sind trotzdem toll. Es kann sein, dass man einen Job hat, der dann fürs nächste Jahr alles bezahlt. Ich wollte wissen, wie es am Filmset ist - und habe mich als Schauspielerin ausprobiert. Ich habe zweimal live den "Bambi" moderiert, jetzt moderiere ich "InStyle TV". Das liegt mir mehr als ein Live-Event, bei dem der Druck immens ist. Bei der Musik ist es mein Herz - die mache ich mit meinem Mann zusammen.

Heute ist es für Models einfacher als früher, weil es soziale Netzwerke gibt, durch die man sich ganz gut promoten kann. Ich wurde mit 15 entdeckt; die 15-Jährigen heute, die ich über meine Show "Das perfekte Model" kennengelernt habe, sind oft viel erwachsener, abgeklärter und reifer, als ich es war. Manchmal finde ich das krass. Ich war das unschuldige Ding vom Land, und die wissen schon alle, wie sie mit den Medien umzugehen haben. Die Mädchen können heute googeln, wie Castings stattfinden, welche Designer oder Fotografen angesagt sind - ich musste das in der Bravo nachlesen.

Als Model altern ist blöd, ganz klar. Die Branche will junge Mädchen. Doch die Erfahrung, die man als älteres Model mitbringt, macht einiges wett. Ich habe mir früher nie Gedanken gemacht - ich sah halt so aus, wie ich aussah -, doch wenn man auf die 30 zugeht, geht man dann doch ins Fitnessstudio und arbeitet an sich, und das ist auch okay. Ich ärgere mich, dass ich das nicht früher gemacht habe, allein vom Wohlfühlfaktor her.

Ich hatte immer ein dickes Fell. Wenn man sehr sensibel ist, ist das in dem Beruf nicht gut. Man kann es nicht jedem recht machen. Man kann sich an vieles gewöhnen und wenn man aufmerksam ist, bekommt man ein Gefühl dafür, warum etwas gesagt wurde. Ich war da immer eher bockig: Wenn die mich so nicht haben wollen, dann ist das halt so. Es sind übrigens auch nicht alles Einheitsmaße, auch wenn es von außen so aussieht, als ob wir alle groß und dünn sind."

Padberg, 32, warb u.a. für Astor, Otto, Kia Motors, Palmers und lief für Ralph Lauren und Calvin Klein.

Luca Gajdus

Opening Party CHANEL Mobile Art - Arrivals

Luca Gajdus

(Foto: AFP)

Luca Gajdus: "1999 war es eine Sensation, dass ich mit 16 und vor allem als jemand, der noch keine Schauen gelaufen ist, die Show von Prada eröffnet habe - das stand mir irgendwie nicht zu. Heute ist das anders. Die jungen Mädchen können alles sofort machen. Doch alles ändert sich ständig: Mal wollen die Designer nur ganz neue Gesichter, dann holen sie die Supermodels von vorgestern auf den Laufsteg. Es ist also nicht so, dass alles immer nur jünger wird.

Ich bin seit dreizehn Jahren Model, doch ich habe davon nur zwei, drei Jahre lang ausschließlich gemodelt. Am Anfang ging ich noch zur Schule, vor fünf Jahren bekam ich meinen Sohn und vor einigen Wochen meine Tochter, und jetzt studiere ich Sozialwissenschaften und Philosophie an der Humboldt-Universität in Berlin. Mir fehlt nur noch ein Schein, dann bin ich fertig. Vielleicht mache ich danach noch einen Master oder studiere im Ausland. Ich habe früh gelernt, dass alles gleichzeitig geht.

Sozialwissenschaften und Philosophie studiert man ja nicht aus wirtschaftlichen Gründen, ich fand die Thematik interessant. Wahrscheinlich bringt mir der Excel-Kurs, den ich belegt habe, auf dem Jobmarkt am meisten etwas. Als ich anfing zu modeln, dachte ich, ich könnte das nicht - und die würden das dann schon feststellen. Ich hielt es nicht für einen Traumberuf, und es war gut, dass ich Montag bis Freitag in den Schulalltag zurückkehren konnte.

Pläne machen in der Mode geht gar nicht. gefragt ist. Man kann nicht daraufsetzen, dass man noch gebucht wird. Niemals. Als Model muss man akzeptieren, dass ganz viel fremdbestimmt ist. Also plane ich nicht, denn sobald ich von meinen Plänen erzähle, ändern sich die Umstände.

Mit dem Altern habe ich kein Problem. Ich werde nächstes Jahr 30. Dieses Alter fand ich mit 18 ganz schlimm. Heute denke ich: Mein Gott, dann bin ich vielleicht jetzt nicht mehr cool. Ich habe schon während der ersten Schwangerschaft gedacht: Wenn ich danach doppelt so breit wie vorher, dann ist das halt so. Das ist auch meine Einstellung zu dem Job: Dass ich aufhören kann. Wenn man diese Vorstellung schrecklich findet, dann ist die Angst vor Veränderung noch größer, weil man sich davon abhängig macht."

Gajdus, 29, lief für alle namhaften Labels, war in Anzeigen für Chanel und Burberry und auf internationalen Titeln zu sehen wie auf Vogue.

Eveline Hall

Event Prominent 2012

Eveline Hall

(Foto: Getty Images)

Eveline Hall: "Ich glaube, mein Typ ist gefragt, weil ich völlig unbearbeitet bin. Ich habe ungefärbte Haare, das ist ausgefallen. Man darf nicht vergessen, dass ich in die Klamotten reinpasse; ich habe Konfektionsgröße 34/36, wie ein junges Mädchen. Mein Körper hat sich gar nicht verändert.

Ich habe aber Freude am Essen und hungere nicht. Das ginge auch gar nicht, weil sich das ab einem gewissen Alter im Gesicht rächt. Meinen Durchbruch als Model hatte ich vor eineinhalb Jahren auf dem Laufsteg des Berliner Designers Michael Michalsky. Das war nicht geplant: Meine Agentur "Megamodels" und ich dachten, wir probieren das mal aus, doch niemand konnte die Resonanz erahnen. Ich habe damals nur das aus der Kiste rausgeholt, was ich beherrsche: Tanz und Schauspielerei - das sind meine eigentlichen Berufe. Ich komme vom klassischen Ballett und habe lange Zeit in Las Vegas getanzt. Diese Erfahrung hat mir auf dem Laufsteg enorm geholfen, ohne sie hätte ich mir das nicht zugetraut.

Ich habe Lunte gerochen und will weitermachen. Gerade habe ich mit Starfotograf Patrick Demarchelier gearbeitet. Ich glaube, ich strahle eine gewisse Lust aus. Mit Alter hat das gar nichts zu tun - entweder man verkörpert etwas oder nicht. Ich habe so eine Freude an dem, was ich mache und werde dafür belohnt.

Es ist schön zu sehen, wie die jungen Leute in dem Business auf mich zukommen und mich anerkennen. Ich glaube, dass sie denken: Die macht's uns vor, wir müssen gar keine Angst haben. Ich entdecke jeden Tag neue Facetten an mir, vor allem beim Fotografieren. Wer hat schon so ein Glück? Meine Pläne sind auch mehr Catwalk, da bin ich scharf darauf. Die Schauspielerei gebe ich aber nicht auf. Ich mache mir natürlich überhaupt keine Gedanken über das Altern. Ich verdiene ja Geld mit meinen grauen Haaren. Wenn ich mir überlegte, wie alt ich bin, wäre es vom körperlichen Impetus gar nicht möglich, so aufzutreten. Ich kann also eine ganz ruhige Kugel schieben."

Hall, 66, ist seit der Berlin Fashionweek weltweit als Model gefragt und zierte zuletzt die Titelseiten von Zeit Magazin und Tush.

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