Zweite Liga:Leidenschaft-Bringer

Olaf Janßen gibt dem VfB Stuttgart gegen Kaiserslautern in seinem ersten Spiel als Interims-Trainer jene Spielfreude und Dominanz zurück, die der selbsterklärte direkte Aufsteiger schon von Anfang an zeigen wollte.

Anna Dreher, Kaiserslautern/München

Wie oft Olaf Janßen sich Tabellen anschaut, hat er noch nicht verraten. Aber wie manch anderer Fußballliebhaber auch, dürfte der Interimstrainer des VfB Stuttgart das mal mehr, mal weniger intensiv und mal mehr, mal weniger begeistert tun. Am Freitagabend und auch noch am Samstagvormittag waren wohl beide Emotionen vorhanden.

Weniger Freude bei der Betrachtung der Tabelle der zweiten Fußball-Bundesliga, wo der VfB Stuttgart vor dem Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern nur Neunter war und damit sehr offensichtlich hinter den eigenen Ansprüchen zurück bleibt; dafür umso mehr Freude beim Blick weit nach oben, dorthin, wo er mit seiner Mannschaft lieber wäre: an der Spitze der ersten Liga, zum 1. FC Köln - der dort zumindest bis zum Ende der Erstligaspiele am Nachmittag stand. 209 Spiele hatte Janßen von 1985 bis 1996 für die Kölner absolviert, erreichte mit Thomas Häßler und Pierre Littbarski 1986 das UEFA-Pokalfinale und wurde 1989 und 1990 Vizemeister. Köln ganz oben, das gefiel auch Janßen und half ein wenig über die ernüchternde Situation seines jetzigen Arbeitgebers hinweg.

Lange her. Aber daran, auf Erfolge zurück oder gar auf die eines ihm nahestehenden Vereins zu blicken, dürfte sich Janßen in seinen 75 Tagen als Co-Trainer und den zwei Tagen als Interimstrainer beim VfB schon gewöhnt haben. Doch nach dem Spiel in Kaiserslautern musste Janßen seinen Blick nicht mehr weit schweifen lassen, um lächeln zu können: Rang vier, der VfB ist seinem erklärten Wunschplatz nach dem verdienten 1:0 (0:0) im Fritz-Walter-Stadion wieder näher gekommen und konnte vor den Spielen gegen Spitzenreiter Braunschweig am Dienstag (17.30 Uhr) und am Freitag gegen Bochum (18.30 Uhr) Selbstvertrauen sammeln.

Janßen hat den Stuttgartern ihre Spielfreude zurück gebracht

Noch vor zwei Tagen sah es nicht danach aus, als könnten die Schwaben beim Gedanken an Erfolgserlebnisse auf die Gegenwart oder in die Zukunft blicken. Jos Luhukay, der nach dem Abstieg Nachfolger von Jürgen Kramny geworden war, kündigte am Donnerstag mangels Vertrauen in seine Arbeit, wie er über seinen Anwalt mitteilen ließ. Der VfB stand, mal wieder, ohne Trainer da und das nach gerade einmal vier Spieltagen, die mit zwei Siegen und zwei Niederlagen so gar nicht nach dem Geschmack des selbsterklärten direkten Wiederaufsteigers gelaufen waren.

Janßen aber hat in der kurzen Zeit seiner Beförderung vom zweiten Co-Trainer zum Interims-Chefcoach das gemacht, was Luhukay nicht gelungen war: Er brachte den Stuttgartern ihre Spielfreude zurück. "Das war eine extreme Drucksituation", sagte Janßen. "Wir haben in der kurzen Zeit versucht, bei den Spielern ein Verantwortungsgefühl reinzubringen. Heute war zu sehen, dass jeder für den anderen da war. Dass wir phasenweise auch gut Fußball gespielt und aufs zweite Tor gedrängt haben, war gut." Im Vergleich zum letzten Spiel unter Luhukay gegen den 1. FC Heidenheim (1:2) begannen Takuma Asano, Timo Baumgartl, Hajime Hosogai und Alexandru Maxim statt Stephen Sama (nicht im Kader), Berkay Özcan, Jean Zimmer und Matthias Zimmermann (alle auf der Bank).

Den besseren Start aber erwischte Kaiserslautern, erst nach 20 Minuten konnte sich Stuttgart mit einem guten Zusammenspiel von Tobias Werner und Alexandru Maxim von seiner Unsicherheit befreien. Gefährlich wurde der VfB dem Gastgeber aber vor allem immer wieder durch Takuma Asano. Jener Zugang, der - wie auch Benjamin Pavard und Carlos Mané - von Luhukay nicht gerade euphorisch begrüßt und bisher in keinem einzigen Spiel berücksichtigt worden war.

"Die Themen außerhalb des Platzes haben uns nicht zu beschäftigen"

Stuttgart drängte immer wieder in den pfälzischen Strafraum, nur der Abschluss wollte vor der Pause nicht gelingen. Vor 45 761 Zuschauern war es dann Simon Terodde, der in der zweiten Halbzeit für Erleichterung bei den spielerisch überlegenen Stuttgartern sorgte (52.). Nach einer Flanke von Emiliano Insua köpfte der letztjährige Zweitliga-Torschützenkönig aus kurzer Distanz ein - unbekümmert von dem ganzen Theater der vergangenen Tage. "Das ganze Drumherum, die Themen außerhalb des Platzes haben uns als Spieler nicht zu beschäftigen", sagte Terodde nach seinem zweiten Saisontreffer. "Es hat eine Einheit auf dem Platz gestanden, auch die Fans hinter uns waren eine Wand." Auch Rechtsverteidiger Florian Klein bezeichnete die Arbeit seines neuen Trainers als "hervorragend. Er bringt die Leidenschaft mit und überträgt das auf die Mannschaft."

Davon war auch nach Teroddes Tor viel zu spüren. Stuttgart, akustisch inzwischen so laut unterstützt wie bei einem Heimspiel, versuchte es immer wieder. Olaf Janßen, unterstützt von seinen Assistenten und Ex-VfB-Profis Andreas Hinkel und Heiko Gerber, rief Anweisungen auf den Platz, klatschte motivierend in die Hände, lief nervös von links nach rechts. Ernsthafte Sorgen musste sich das Interims-Trio aber nicht machen. Kaiserslautern konnte bis auf zwei Chancen von Lukas Görtler (66./80) keinen Profit aus seiner Schlussoffensive in der zweiten Halbzeit ziehen. Tayfun Korkut, Trainer des in dieser Saison noch sieglosen 1. FC Kaiserslautern, dürfte beim Blick auf die Tabelle sehr wenig Freude verspüren. Aber darum konnte sich Olaf Janßen nicht auch noch kümmern.

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