Zweite Liga:Ganz starker Tobak

VfL Bochum vs 1. FC Nuernberg, Fussball, 2. Bundesliga, 23.08.2015

Niederlage zum Abschied: Junioren-Nationalspieler Niklas Stark, 20, nach seinem letzten Spiel für den 1. FC Nürnberg, dem 1:2 in Bochum am Sonntag.

(Foto: Eibner/imago)

Ein Talent geht für eine ordentliche Ablöse: Beim 1. FC Nürnberg wird ein ganz normaler Vorgang miserabel moderiert und sorgt für absolutes Chaos.

Von Markus Schäflein

Georg Margreitter konnte einem ein bisschen leid tun. Der österreichische Innenverteidiger, ausgebildet bei AKA Vorarlberg, stand die vergangenen drei Jahre beim englischen Fußball-Zweitligisten Wolverhampton unter Vertrag. Er spielte dort aber nicht, sondern wurde immer wieder verliehen, zuletzt an den Drittligisten Chesterfield. Nun war der 26-Jährige ablösefrei und wurde am Montag vom deutschen Zweitligisten 1. FC Nürnberg verpflichtet. All das kann man Margreitter nicht vorwerfen, unter dem Foto auf der Facebook-Seite des 1. FCN entwickelte sich dennoch ein Shitstorm von enormem Ausmaß. Denn kurz vor der Verpflichtung des nahezu Unbekannten hatten die Nürnberger den Junioren-Nationalspieler Niklas Stark, 20, der seit der E-Jugend beim Club spielte, an Hertha BSC Berlin verkauft - für rund drei Millionen Euro.

Trainer Weiler lässt Aussagen, die Zweifel an seiner Kompetenz wecken, nicht auf sich sitzen

Dass ein Zweitligist ein Talent mal in die Bundesliga ziehen lässt, wenn sich für den Spieler eine verlockende sportliche Perspektive ergibt und die Höhe der Ablöse passt, ist ein gewöhnlicher Vorgang - der Spieler hat daran ein sportliches Interesse, der Verein ein finanzielles. Die Aufregung in Nürnberg ist entstanden, weil eine normale Geschichte miserabel moderiert wurde. "Soweit sich der 1. FC Nürnberg im Laufe der aktuellen Transferperiode entscheiden sollte, noch Spieler abzugeben, so wird dies ggf. aus ausschließlich sportlichen Motiven geschehen", hatte die Vereinsspitze um den Aufsichtsratschef Thomas Grethlein vor zwei Wochen tatsächlich behauptet, obwohl sie wissen musste, dass der Schwindel ziemlich schnell auffliegen würde - die Millionen aus dem Transfer braucht der finanziell angeschlagene Club nämlich dringend.

Und dann kann man zumindest darüber streiten, ob es im Sinne des Vereins und vor allem des neuen Spielers ist, den Ersatz für Stark unmittelbar nach Bekanntwerden des Weggangs zu präsentieren. Obwohl es klar sein musste, dass Margreitter - allein aufgrund seiner Vita, spielen hat ihn ja kaum jemand gesehen - im Vergleich zu Stark als schwacher Trost wahrgenommen werden würde.

Dazu kam die geradezu bizarre Aussage Grethleins gegenüber der Nürnberger Zeitung, er habe nicht das Gefühl gehabt, dass Stark "ein elementarer Baustein" in den Plänen von Trainer René Weiler gewesen sei. Das habe er von einem Kollegen erfahren, sagte Grethlein. Selbst habe er mit Weiler nie über Stark gesprochen.

Sportliche Gründe für den Wechsel? Kein elementarer Baustein? Derartige Aussagen, die gewaltige Zweifel an der Fachkompetenz von René Weiler wecken, konnte der eigentlich sehr besonnene und geduldige Nürnberger Trainer natürlich nicht auf sich sitzen lassen. "Mit Starks Abgang geht ganz sicher Substanz verloren, während die Erwartungen gleich geblieben sind", sagte er, der Transfer sei selbstverständlich "aus wirtschaftlichen Gründen" erfolgt. Die CSU-Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl, die verbunden ist mit dem Modehaus, das den Club sponsert, lästerte im Internet: "Ganz #stark - Diese sportlichen Motive würden mich mal interessieren, @1fcnuernberg?"

Die Außendarstellung verblüfft: Neuerdings wird so gelogen, dass es sofort auffällt

Nachdem Sportvorstand Martin Bader seinen Abschied für Ende September fixiert hat, wird es beim Club immer chaotischer. Er ist ja laut Stellenprofil nicht nur für Sport, sondern auch für Öffentlichkeitsarbeit zuständig, aber darum kümmert er sich wohl kaum noch; neuerdings wird jedenfalls so intensiv fehl informiert, dass es sofort auffällt. Dabei steht vor allem Grethlein im Mittelpunkt, der schon lange, wie Bader, die Arbeit von Trainer Weiler in Frage stellt und dies intern immer deutlicher macht - statt das zu tun, was die Aufgabe seines Gremiums wäre: einen Nachfolger für Bader zu finden, der dann entscheiden kann, ob er mit Weiler und Abteilungsleiter Wolfgang Wolf weiter zusammenarbeiten möchte oder nicht.

Die Übergangslösung mit Bader bis Ende September ist alleine schon kurios; die Gerüchte, Grethlein und der scheidende Bader selbst suchten den Nachfolger gemeinsam, tun ihr Übriges. Der Druck auf Grethlein, und damit auch auf seine Kollegen im Aufsichtsrat, wird immer größer: Offenbar planen Mitglieder, bei der nächsten Versammlung am 11. Oktober das komplette Gremium des Amtes zu entheben. Dafür wäre allerdings eine Dreiviertelmehrheit notwendig.

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