Zweite Fußball-Bundesliga:Was nach dem Wunder kommt

v li Trainer Bernd Hollerbach FC Würzburger Kickers gibt Anweisungen gestikuliert mit den Arme

Figur des Erfolgs: Bernd Hollerbach führte die Würzburger Kickers aus der Regionalliga in die zweite Liga. Jetzt muss er am Dallenberg erstmals eine Krise moderieren.

(Foto: imago)

Die vom Erfolg verwöhnten Dauer-Aufsteiger Würzburger Kickers warten im Jahr 2017 immer noch auf den ersten Sieg. Auf den Rängen am Dallenberg wächst die Unruhe.

Von Thomas Gröbner

Wer sich beruflich mit Wundern auseinandersetzen muss, der weiß, dass sie eine heikle Angelegenheit sind. Erst wird das Wunder herbeigesehnt, und dann, wenn es eintritt und anhält, dann wundert man sich noch, aber nimmt diesen Ausnahmezustand hin. Fahnenschwenkend, glücksbesoffen zwar, aber man gewöhnt sich daran, dass das Außergewöhnliche zum Dauerzustand wird.

In Würzburg hatten sie ihr eigenes Wunder, mit einem hübschen Namen. "Das Wunder von Bernd", weil es so sehr an diesem Mann, Bernd Hollerbach, hängt, der an der Seitenlinie grimmt oder grimmig ruht. Vier Mal in fünf Jahren sind die Kickers aufgestiegen. Über diesen Vorgang, den man im Fußball ein Wunder nennt, wenngleich er angesichts der von Investor Thorsten Fischer eingesetzten finanziellen Mittel so wundersam gar nicht war, ist schon viel erzählt worden. Jetzt muss man über andere Dinge reden. Darüber, dass Würzburg im Jahr 2017 immer noch auf den ersten Sieg wartet. Und dass die Abstiegsplätze immer näher rücken.

Schon kurz vor Weihnachten spürte Würzburgs Trainer Bernd Hollerbach, dass er die Euphorie dämpfen musste. Nach einem berauschenden 3:0-Sieg über den VfB Stuttgart sagte er nüchtern: "Wir bleiben demütig, wir brauchen noch 13 Punkte, um drinzubleiben." Das nahm damals kaum jemand richtig ernst, schließlich stapelte Hollerbach schon in den vielen Aufstiegsspielzeiten stets tief. Würzburg überwinterte auf Platz sechs mit 27 Punkten und einer Perspektive nach oben, zufrieden flüchtete die Mannschaft vor dem Schnee ins sonnige Marbella.

"Wir haben nie eine Vergangenheit gehabt. Hier war nie großer Fußball."

Der Schnee ist längst geschmolzen, der Abstand auf das Tabellenende auch. Sieben Spiele später sind nur zwei Punkte dazugekommen. "Diese Liga ist brutal. Wir müssen immer an unsere Grenzen gehen", klagt Hollerbach in der Mainpost. "Wir haben am Anfang von der Euphorie des Aufstiegs profitiert. Es wurde schon im Herbst zäh, als sich die anderen Mannschaften langsam auf uns eingestellt hatten." Der Hollerbach-Fußball, er scheint entschlüsselt zu sein. Wenn man sich auf die Suche nach Gründen macht, warum sich die Würzburger Mannschaft 2017 plötzlich so anders als der freche Aufsteiger Würzburg aus dem Jahr 2016 präsentiert, muss sich nur die Schlussminuten der vergangenen Partien ansehen. Allein sieben Gegentore fielen in den letzten zehn Spielminuten. "Vielleicht habe ich in der Winterpause zu wenig trainieren lassen", sinniert Hollerbach. Doch wer die harte Trainingsarbeit von Hollerbach, einen früher Wegbegleiter und Verehrer von Felix Magath ("Einer der besten der Welt") kennt, der weiß - das war ein Scherz. Hollerbach, der einst beim HSV als Verteidiger den Kosenamen "Holleraxt" trug, lernte seiner Mannschaft die kompromisslose Verteidigungskunst. Doch nun schleichen sich Fehler und Wackler ein. Das Fundament, auf dem der Würzburger Fußball fußt, bröckelt. Die Demut, die Hollerbach fordert, haben seine Spieler behalten, aber die Gegner haben ihre Überheblichkeit abgelegt. Immer noch läuft Würzburg mehr als der Gegner, immer noch grätschen die Spieler leidenschaftlich. Doch der Aufsteiger, er wurde zum respektablen Gegner, gegen den es auch mal erlaubt ist, sich zu verbarrikadieren. Und abgesehen von Nejmeddin Daghfous ist das Mittelfeld ein Schwarm emsiger Arbeiter, denen die kreativen Momente fehlen, um ein gegnerisches Bollwerk zu überwinden. Der 30-Jährige ist einer der besten Vorlagengeber der zweiten Liga, an jedem dritten Kickers-Tor war er beteiligt. Doch nachdem er verletzungsbedingt die Vorbereitung verpasste, kämpft er sich erst langsam wieder an seine alte Form heran.

Bei der 0:2-Niederlage am Wochenende gegen die Dresdner, die zusammen mit Würzburg aufgestiegen waren, wurde es schon unruhig in der ausverkauften Arena in Würzburg: "Diaz raus"-Rufe schallten von den Rängen. Hollerbach stellte sich vor seinen Linksverteidiger: "Wir sollten aufpassen, dass wir unsere eigenen Spieler nicht klein machen. Er ist ein erfahrener Mann, der schon in der Bundesliga gespielt hat, und er gibt sein Bestes. Wir werden nicht mit irgendwelchen Schuldzuweisungen anfangen." Gar nicht mitspielen durfte da Rico Benatelli, eine der Säulen in der Aufstiegsmannschaft, der vergangene Saison in 36 von 38 Ligaspielen dabei war und auch in Liga Zwei den Antreiber gibt. Er verhandelte mit Mitaufsteiger und Gegner Dynamo Dresden, und schmorte gegen seinen zukünftigen Arbeitgeber, zu dem er im Sommer wechseln wird, auf der Bank. Hollerbach hat die Stimmen nicht vergessen, die Würzburg als sicheren Abstiegskandidaten ausgerufen hatten. "Viele haben gesagt, es ist zu früh, wenn wir aufsteigen, jetzt haben wir leider schon 29 Punkte", grantelte er. Was Würzburg von Dresden unterscheide, wurde Hollerbach dann noch gefragt. "Alles", sagte er. "Wir haben nie eine Vergangenheit gehabt. Hier war nie großer Fußball." Ganz anders in München, wo am Freitag (18.30 Uhr) der TSV 1860 auf Würzburg wartet. Ein Verein mit viel Vergangenheit. Aber mit vier Punkten weniger.

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