Das komische Gefühl, sagte Marcel Kittel, hatte sich vor ein paar Tagen eingestellt: Als er unter der Woche weder französisches noch niederländisches Territorium betreten hatte, so, wie er es von seinen bisherigen Auftritten bei der Frankreich-Rundfahrt kannte. Diesmal erreichte Kittel deutschen Grund, weil die Tour de France nach 30 Jahren wieder in seiner Heimat begann. "Es war ein komisches Gefühl, am Ortsschild Düsseldorf vorbeizufahren, aber auch ein sehr schönes", sagte er. Später, bei der Teampräsentation auf dem Burgplatz, habe er gar "ein bisschen feuchte Augen bekommen". Am Sonntagabend waren die Augen dann noch besser bewässert, Kittel weinte kräftig, nachdem er in Lüttich gerade die zweite Etappe auf seine Seite gezerrt hatte. "Das war ein unglaublicher Start in Deutschland mit diesen vielen Menschen, das war eine großartige Erfahrung", sagte Kittel. Dass er das Wochenende mit einem deutschen Erfolg abrundete, fand er "sehr speziell".
Der 29-Jährige (Team Quick-Step) war auf den 203,5 Kilometern von Düsseldorf Richtung Belgien kurz von einem Defekt gestoppt worden, hielt sich ansonsten aus allen Schwierigkeiten heraus - auch aus einem Massensturz rund 20 Kilometer vor dem Ziel. Das Peloton fing am letzten Kilometer die Ausreißer ein, und Kittel fand sich in einem nervösen Spurt wieder, den kein Team so richtig in den Griff bekam. Er sprang erst mal "von Hinterrad zu Hinterrad", es sah nicht gut aus. 500 Meter vor dem Ziel dann eine Lücke. Das reichte zum Sieg, vor dem Franzosen Arnaud Demaré und André Greipel, Rostock. Womit Kittel, nun ausgestattet mit zehn Etappenerfolgen bei der Tour, so langsam an Erik Zabels Bestmarke rüttelt (zwölf). Ernsthaft, sagte er, "das interessiert mich nicht. Mir geht es um die Momente, die Chancen, die sich dir bieten". So wie an diesem Sonntag in Lüttich.