Zweite Bundesliga: 1860 München:Ein Supertalent geht zurück auf Los

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Mit 16 ging er nach Italien, mit 19 nach England - für elf Millionen Euro Ablöse. Jetzt ist Savio Nsereko zurück in der Heimat. Bei 1860 München.

David Binnig

Er trägt die Nummer zehn auf dem Rücken - und seinen Vornamen. Auf seinem Trikot steht schlicht: Savio. Der Name klingt nach Brasilien, Samba, Spielfreude. Und so kickt Savio Nsereko auch. Er dribbelt gerne und schnell.

Savio Nsereko im Nationaltrikot. Bei der U19-EM 2008 wurde der Offensivallrounder zum besten Spieler des Turniers gewählt. Foto: Getty (Foto: Thomas Langer/Getty)

Wollte man Savios Nserekos Weg anhand eines Monopoly-Spiels beschreiben, könnte man sagen: Er hat gerade die Karte gezogen, auf der steht: "Gehen Sie zurück auf Los. Gehen Sie direkt dorthin. Ziehen Sie weniger Geld ein als zuvor, aber ergreifen Sie die Chance, einen Neustart zu wagen." Genau das tut der Fußballprofi Nsereko gerade. Er ist in diesem Sommer wieder da angekommen, wo er angefangen hat. In München Giesing, bei den Löwen.

Savio Nsereko war zwei Jahre alt, als seine Familie aus Uganda nach Deutschland kam. Beim SV 1880 München begann er mit dem Fußballspielen. 1999 wechselte er innerhalb der Stadtgrenzen zu einem noch älteren Verein: 1860 München. Doch schon in der Jugend zog es ihn fort. Jetzt ist er wieder da. Nsereko ist erst 21 Jahre alt, doch große Teile des Fußball-Globus hat er schon gesehen. Mit 16 ist er ausgezogen, über die Alpen, nach Brescia. 2008 gelang ihm dort der Durchbruch. Seine Bilanz in der Serie B: 27 Spiele, fünf Tore, sieben Vorlagen.

Ein teurer Transfer

Inter Mailand wollte ihn damals - doch der 18-Jährige ging lieber auf die Insel. West Ham United zahlte für den Flügelstürmer 2008 eine kolportierte Ablösesumme von elf Millionen Euro. Savio Nsereko gehört damit zu den Top Ten der teuersten deutschen Fußballspieler. In England konnte er sich nicht durchsetzen. "Dort hatte ich Probleme mit dem Verein", sagt Nsereko. Nach nur acht Monaten ging seine Reise zurück nach Italien: Der AC Florenz holte ihn in die Toskana, um ihn sehr bald an den FC Bologna weiter zu verleihen. Er hatte Verletzungspech - und machte in der Serie A nur zwei Spiele. "Es ist eben sehr schwer, sich bei einem Top-Verein durchzusetzen."

Im Juni hat ihn die Fiorentina wieder ausgeliehen, diesmal zu seinem Jugendverein 1860 München. Statt in Lila spielt Nsereko jetzt in Blau. Die Gegner heißen nicht mehr Mailand, Rom, Manchester oder Chelsea, sondern Oberhausen, Aue oder Fürth. Um beim Bild des Monopoly-Spiels zu bleiben: Er spielt nicht mehr in der Liga der Schlossallee- und Parkstraßenbesitzer, sondern darunter, in den Regionen der Münchner und Berliner Straße. Es ist ein Knick in der fast linearen Linie seines Aufstiegs zum Fußballstar. Nsereko ist hier, um einen neuen Anlauf zu nehmen. "Ich bin hier Zuhause, fühle mich wohl und glaube an mich und die Mannschaft. 1860 ist für mich überhaupt kein Rückschritt: Man muss im Leben auch mal einen Schritt nach hinten gehen, um zwei nach vorne machen zu können."

Savio Nsereko steht noch immer am Anfang seiner Karriere. Doch an die Zukunft denkt er nicht, er lebt im Hier und Jetzt. "Ich bin hier, um Gas zu geben und mit dem Verein Erfolg zu haben. Alles andere kommt von selbst." Er steht vor einem entscheidenden Jahr. Gelingt es ihm, konstant gute Leistungen zu zeigen, stehen dem 21-Jährigen alle Türen offen. Vielleicht sogar die von Joachim Löw. Denn seinen größten Erfolg feierte Nsereko im deutschen Nationaltrikot: U19-Europameister 2008. Im Finale war er gesperrt - er wurde trotzdem zum besten Spieler des Turniers gewählt. "Aber Gut zu sein reicht im Fußball nicht immer", sagt Savio Nsereko heute, "man braucht auch Geduld und Glück".

Von Florenz nach München Giesing: Savio Nsereko ist zurück bei den Löwen. Hier im Testspiel gegen Borussia Dortmund. Foto: Getty (Foto: Bongarts/Getty Images)

Und man muss arbeiten. In seiner Anfangszeit als 16-Jähriger in Brescia besuchte er fast täglich von acht bis zwölf Uhr eine Sprachschule, danach war Training angesagt. "Ich denke, in Italien ist es härter für die Talente als in Deutschland. Dort werden sie früher ins kalte Wasser geworfen." Das könnte den anderen Talenten von 1860 München in dieser Saison allerdings auch passieren. Besonders zwei 17-Jährige haben sich in der Vorbereitung ins Blickfeld gespielt: Moritz Leitner und Kevin Volland. "Die beiden sind schon sehr weit. Die werden sicher ihre Chance kriegen", sagt das Talent Nsereko über die Talente Leitner und Volland, "aber ich könnte noch eine Hand voll andere sehr gute junge Spieler aufzählen, die wir hier haben. Auch deshalb hat die Mannschaft großes Potenzial".

Talentschuppen 1860 München

Talente aufzubauen und weiterzugeben hat bei 1860 München Tradition. Lars und Sven Bender wurden in Giesing ausgebildet, Timo Gebhart, Peniel Mlapa, die aktuellen Nationalspieler Marcel Schäfer und Christian Träsch. 1860 will in dieser Saison oben mitspielen. Savio Nsereko soll dabei helfen. Löwen-Trainer Reiner Maurer baut auf den Offensivspieler: "Savio ist sehr variabel, schnell, technisch stark und er kann immer für Gefahr sorgen." Der Rückkehrer habe sich schon gut eingefunden in die Mannschaft, er sei anerkannt, "ein positiver Typ und ein Spieler mit großer Qualität". Nur eines fehle Savio derzeit: Spielpraxis. Wird er denn am Samstag, beim Pokalspiel gegen den SC Verl auf dem Platz stehen? Reiner Maurer lacht und sagt: "Vielleicht."

Savio Nsereko ist am Zug. Er muss Leistung bringen, er braucht Geduld und Glück. Wer weiß, was die nächsten Ereigniskarten bringen? Vielleicht einen erneuten Aufstieg - in Richtung Schlossallee.

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