Zweite Bundesliga:1860-Investor Ismaik: "Genug ist genug"

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  • Löweninvestor Hasan Ismaik hat sich in einem offenen Brief an die Fans des TSV 1860 gewendet.
  • Darin schreibt er: "Für mich ist nicht erkennbar, wofür mein Geld ausgegeben wurde".
  • Er kündigt an, nur dann noch die erforderliche finanzielle Unterstützung für den Verein zu leisten, wenn die 50+1-Regel fällt.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Als Hasan Ismaik seine neuen Seiten bei Facebook und Twitter eröffnete, gab er an Silvester bereits bekannt, die Fans des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München dürften mit einer Stellungnahme zur aktuellen Lage rechnen. Nun, am Dreikönigstag, erschien sie. Vier eng bedruckte DIN-A4-Seiten ist sie lang, und manche Aussagen, die Ismaik schon bei seiner Pressekonferenz in London tätigte, lesen sich auf diesem Wege noch frappierender. Beispielsweise erklärt der jordanische Gesellschafter: "Für mich ist nicht erkennbar, wofür mein Geld ausgegeben wurde. Ich habe keinen Einblick, wohin frühere Investments in den Verein geflossen sind (...). Dies sind keine Anschuldigungen, sondern wichtige Fragen." Er wolle "wissen, wohin meine Gelder geflossen sind!"

Es überrascht, dass Ismaik das nicht weiß. Schließlich ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Profifußball-KGaA und hat mithin - nicht nur, aber auch im eigenen Interesse - das Finanzgebaren des Klubs zu kontrollieren. Und eine Antwort auf die Frage, wohin seine Gelder zu maßgeblichen Teilen geflossen sind, gibt er im dem Brief an späterer Stelle ja selbst: "Dieser Verein hat hohe Fixkosten, gemessen an seiner Position in der Liga", stellt Ismaik fest und beklagt, "dass wir extrem hohe Mietzahlungen für die Nutzung eines Stadions leisten müssen, welches uns früher zur Hälfte gehörte". Er suche "die Verantwortlichkeit beim Management des Vereins".

Dabei übersieht er, dass diesem Management als Geschäftsführer seit dem Sommer auch Ismaiks Cousin Noor Basha angehört.

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Was will Hasan Ismaik? Der 1860-Investor lässt den Stichtag für die Umwandlung von Darlehen in Genussscheine verstreichen - und sich in sozialen Netzwerken beschimpfen.

Von Markus Schäflein

Präsident Cassalette ist derzeit bei Ismaik in Abu Dhabi

Was das aktuelle Management allerdings damit zu tun hat, dass vor Jahren - und vor Ismaiks Einstieg - Rahmenbedingungen geschaffen wurden, die einen kostendeckenden Zweitliga-Spielbetrieb kaum möglich machen, bleibt Ismaiks Geheimnis. 1860-Präsident Peter Cassalette, der derzeit bei ihm in Abu Dhabi weilt, hoffte vor seiner Abreise, dort konkrete Änderungswünsche zu erfahren.

Ismaik betont in seinem Brief zudem, dass er sich in München - sowohl von den zahlreichen Vereinsvertretern, die sich während seines Engagements die Klinke in die Hand gaben, als auch von den Medien, den Fans und der Öffentlichkeit schlecht behandelt fühlt. Den Medien wirft er gar "rassistische Schlagzeilen" vor, die "versuchten, mich von den anderen loyalen Fans des TSV 1860 aufgrund meiner ethnischen Herkunft auszugrenzen". Sie schürten "negative Vorurteile gegen alle arabischstämmigen Menschen", meint Ismaik. "Meine finanzielle Loyalität und Unterstützung werden 'belohnt' mit Misstrauen und Hindernissen sowohl von innerhalb als auch von außerhalb des Vereins."

Bereits in London hatte er vermutet, der rasante sportliche Abstieg könnte ein absichtlich herbeigeführtes Druckmittel sein, um ihn zum Verkauf seiner Anteile zu bewegen. Nun wiederholte er seine Theorie, Erfolg sei aus politischen Gründen verboten: "Die einfache Wahrheit ist, dass sich viele unserer Probleme in Luft auflösen würden, wenn der Mannschaft erlaubt würde, erfolgreich auf dem Platz zu arbeiten."

Wer einem solchen Gedanken nachhängt, handelt selbstredend nur konsequent, wenn er nicht mehr in den Kader investiert. Zudem beklagt er, dass die e.V.-Seite gemäß der 50+1-Regel der Deutschen Fußball Liga das letzte Wort hat, aber nie bezahle: "Ich möchte anmerken, dass mein Mitgesellschafter und seine Mitglieder während meiner Amtszeit dem Verein nie ein Darlehen gewährt haben, obwohl sie die Mehrheit der Stimmrechte kontrollieren. In früheren Jahren habe ich der Umwandlung von insgesamt 19 Millionen Euro (Darlehen in Genussscheine, d. Red.) zugestimmt. Mittlerweile ist die Zeit gekommen, um zu sagen: Genug ist genug."

Damit kommt Ismaik zu seinem Lieblingsthema, das er bereits bei der Pressekonferenz in London angesprochen hatte: Er will weiterhin gegen 50+1 kämpfen. "Ich möchte die deutschen Fußballverbände darum bitten, ihre Haltung im Hinblick auf das Eigentum und die Führung von Sportklubs durch ausländische Investoren zu überdenken", schrieb er. "Darum, die rechtlichen Rahmenbedingungen (...) an die Regeln europäischer Nachbarländer wie England anzupassen."

Dabei setzt Ismaik auf die Unterstützung der 1860-Anhänger: Sie sollten ihre "Unterstützung für unseren Klub" zeigen: "Erstens, indem Ihr mir Eure Stimme gebt, um meinem Anliegen gegenüber den deutschen Verbänden Gehör zu verschaffen. Zweitens, indem Ihr mir helft, die Verantwortlichen für die unschöne Situation des TSV 1860 für ihre Handlungen zur Verantwortung zu ziehen."

TSV 1860
:@Ismaik1860 lässt sich direkt beschimpfen

Hasan Ismaik, umstrittener Investor beim Zweitligisten TSV 1860 München, eröffnet Accounts bei Facebook und Twitter. Dort werden sogleich die Spannungen im Klub deutlich.

Was er mit der Stimme der Fans konkret meint, lässt er offen. Damit verkennt Ismaik nicht nur die klare Haltung der DFL, sondern auch die Stimmungslage in der Anhängerschaft vollkommen.

Was er mit Sechzig in der Zukunft vorhat, bleibt auch nach diesem Brief also vollkommen unklar. Er schreibt: "Wenn ich die Unterstützung von Euch und von den deutschen Verbänden erhalte, bin ich bereit, diesem fantastischen Verein all die finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, die es erfordert." Der Umkehrschluss lautet, dass er nicht mehr investieren will, so lange 50+1 Bestand hat. Vielleicht glaubt er ja wirklich daran, dass er diese Regel kippen kann. Ansonsten enthält der Brief nur, was Ismaik schon in London verkündigte: Rechtfertigungen für den Fall eines möglichen Verkaufs. Ismaik betont in dem Schreiben zwar mit einigem Recht, der Zeitpunkt dafür sei aufgrund der sportlichen Misere derzeit ungünstig. Bei einem Abstieg in die dritte Liga allerdings würde er noch ungünstiger.

Oder sind es gar Rechtfertigungen für den Fall einer Insolvenz? Diese könnte er provozieren, wenn er seine Ankündigung wahr macht und Sechzig im März kein Darlehen über fünf Millionen Euro für den Lizenzerhalt gibt. Er hatte den Reportern bei der Autorisierung der Zitate von London mitgeteilt: "Ergänzung: Ich bin nicht mehr dazu bereit, neue Kredite zu geben oder alte Kredite in Genussscheine umzuwandeln, solange die Art und Weise, wie der Verein verwaltet wird, sich nicht ändert." Nun beteuert Ismaik überraschenderweise, er habe das alles nicht so gemeint: "Die Tatsachen und Kommentare, die ich dort (in London, d. Red.) wiedergegeben habe, wurden verzerrt, um feindselig und bedrohlich zu wirken." Den bedrohlichen Zusatz hatte er allerdings selbst schriftlich hinzugefügt. Und besonders beruhigend wirkt sein offener Brief auch nicht. Immer mehr bestätigen sich die düsteren Visionen des früheren Präsidenten Gerhard Mayrhofer, der einst sagte, Sechzig sei nur zu helfen, "wenn Ismaik seine Vision von einer Alleinherrschaft verwirklichen darf und er dann wirklich investiert. Oder er müsste sich von seinen Anteilen trennen."

© SZ vom 07.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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