Zwanziger zum Fußball-Wettskandal:"Schleichendes Gift"

Deutliche Worte vom DFB-Präsidenten: Theo Zwanziger will am Wettskandal beteiligte Spieler und Funktionäre möglichst schnell bestrafen - vielleicht noch vor einer richterlichen Entscheidung.

Im größten Wettskandal in der Geschichte des europäischen Fußballs meldet sich nun auch DFB-Chef Theo Zwanziger zu Wort: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wolle die am neuen Wettskandal beteiligten Spieler und Funktionäre möglichst schnell bestrafen. Sobald beweiskräftige Unterlagen vorliegen, "wird unser Sportgericht und der Kontrollausschuss die sportgerichtlichen Maßnahmen treffen und das entsprechend ahnden", sagte er am Rande seines Besuchs auf dem Turntag des Deutschen Turner-Bundes (DTB) in der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz. Das sportgerichtliche Urteil könne "vielleicht sogar weit vor einer Anklageerhebung und einer richterlichen Entscheidung" fallen.

Zwanziger zum Fußball-Wettskandal: Theo Zwanziger: "Es liegt ganz in unserem Sinne, dass die Staatsanwaltschaft das so aggressiv angeht."

Theo Zwanziger: "Es liegt ganz in unserem Sinne, dass die Staatsanwaltschaft das so aggressiv angeht."

(Foto: Foto: dpa)

Der DFB werde auch der Staatsanwaltschaft bei ihren Ermittlungen helfen. "Sobald wir wissen, gegen wen ermittelt wird, werden wir der Staatsanwaltschaft natürlich alles zur Verfügung stellen, was sie braucht", sagte Zwanziger. "Es liegt ganz in unserem Sinne, dass die Staatsanwaltschaft das so aggressiv angeht." Menschen, die den Fußball für ihre kriminellen Zwecken ausnutzten, müssten aus dem Sport entfernt werden, sagte Zwanziger. "Wenn wir die Dinge unter den Teppich kehren würden, dann hätten wir das schleichende Gift der Betrügereien und Manipulationen in unserem Haus."

Auch die Europäische Union sieht Zwanziger gefordert: "Bestimmte Sportwetten sind gefährlich für den Fußball. Sie werden im Internet über Asien und den Balkan Wetten platziert, wo es keine klaren Auflagen gibt." Die Gefahr für den Fußball werde dann besonders groß, wenn Spitzenwettbewerbe wie die Champions League oder die Europa League betroffen seien - wie aktuell: "Das macht die Faszination des Fußballs kaputt. Da brauchen wir Hilfe von der EU", sagte Zwanziger.

Immer mehr Details werden bekannt

Unterdessen wurden immer mehr Details bekannt. So soll auch ein Schiedsrichter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ins Visier der Ermittler geraten sein. Der Unparteiische soll bei einem Spiel der Regionalliga Süd im Mai Schmiergeld von den mutmaßlichen Wett-Betrügern kassiert haben, berichtete Der Spiegel. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge stehen außerdem drei Spieler unter Verdacht, die vergangene Saison für den aus der Zweiten Liga abgestiegenen VfL Osnabrück aktiv waren. Auch gegen den Viertligisten SSV Ulm soll es offenbar mehrere Verdachtsmomente geben.

Am Freitagabend war erstmals ein Spieler festgenommen worden. Der Landesligist Würzburger Kickers teilte mit, dass einer seiner Akteure im Zusammenhang mit dem Wettskandal verhaftet worden sei. Der Fußballer war laut dem Klub bereits in eine frühere Wettaffäre verwickelt. Damals habe er auf Bitten eines asiatischen Wettbetrügers einen anderen Spieler gebeten, bewusst schlecht zu spielen, was dieser aber abgelehnt habe. Der Klub verhängte eine Geldstrafe von 8400 Euro und gab dem Spieler eine zweite Chance.

Nach Spiegel-Angaben soll auch der Regionalligist SSV Ulm tiefer in den Wettskandal verwickelt sein, als bislang bekannt. Vier Begegnungen in der Endphase der vergangenen Saison sollen angeblich unter Manipulationsverdacht stehen. "Wir gehen davon aus, dass wir von dem Wettskandal nicht betroffen sind", erklärte Ulms Vize-Präsident Mario Meuler. Die Spieler des Süd-Regionalligisten, der an diesem Samstag ein Auswärtsspiel in Karlsruhe bestreitet, haben eine Erklärung unterschrieben, dass sie an keinerlei Wettmanipulationen beteiligt sind oder waren.

Hoyzer-Drahtzieher Sapina unter den Festgenommenen

Im Osnabrücker Fall verdächtigt die Staatsanwaltschaft als Drahtzieher einen Mann aus Lohne, der mit zwei Spielern des VfL zwei Spiele aus der letzten Zweitliga-Saison manipuliert haben soll: die beiden Auswärtsspiele beim FC Augsburg (0:3) am 17. April 2009 und beim 1. FC Nürnberg (0:2) am 13. Mai. "Wenn das stimmt, wäre das eine Katastrophe - das könnte dann ein Grund für den Abstieg gewesen sein", sagte Osnabrücks Präsident Dirk Rasch der Osnabrücker Zeitung. Claus-Dieter Wollitz, einst Trainer des VfL Osnabrück: "Das ist für mich das Allerschlimmste. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen, weil man jede einzelne Szene durchgeht. Ich bin nicht nur erschüttert, sondern am Boden zerstört. Ich habe immer gedacht, der Fall Hoyzer wäre ein Einzelfall. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen."

In Deutschland sind nach vorläufiger Darstellung der Staatsanwaltschaft und der Polizei Bochum insgesamt 32 Spiele der 2. und 3. Liga sowie der Regional- und Oberliga betroffen. 15 Verdächtige waren in Deutschland verhaftet worden, darunter auch Ante Sapina. Sapina war am Donnerstag in Berlin festgenommen worden. Der 33-jährige Sapina war als mutmaßlicher Drahtzieher des Manipulationsskandals um Schiedsrichter Robert Hoyzer 2005 vom Landgericht Berlin zu zwei Jahren und elf Monaten Haft verurteilt worden.

Eine Bande von mehr als 100 Wettbetrügern aus ganz Europa soll allein im Laufe dieses Jahres mindestens 200 Fußballpflichtspiele manipuliert oder dieses wenigstens versucht haben. Betroffen vom versuchten oder vollendeten Betrug seien zudem zahlreiche erst- und zweitklassige Meisterschaftsspiele in Belgien, Kroatien, Slowenien, Ungarn, Bosnien, Österreich, der Schweiz und der Türkei. Sogar zwölf Spiele im laufenden europäischen Wettbewerb Europa League sowie drei Champions-League-Spiele seien manipuliert worden oder dafür vorgesehen gewesen.

Es gebe "bisher über 200 Tatverdächtige", hatte die Staatsanwaltschaft Bochum und die Polizei am Freitag auf einer Pressekonferenz mitgeteilt. Sie sprachen von der Spitze eines Eisbergs. Der Leiter der UEFA-Disziplinarkommission, Peter Limacher, erklärte: "Das ist der bisher größte Skandal im Fußball."

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