Zum Tod von Sascha Lewandowski:Jenseits der ersten Reihe

-; lewa_sw

Er wurde nur 44 Jahre alt: Sascha Lewandowski.

(Foto: Sascha Schuermann/AFP)

"Er war ein Kind des Fußballs. Aber er hat auch gelitten": Die Bundesliga trauert um Sascha Lewandowski, den ehemaligen Trainer von Bayer Leverkusen.

Von Philipp Selldorf

Die Nachricht aus Bochum erreichte Wolfgang Holzhäuser auf dem Weg zur Vollversammlung der Profivereine in Frankfurt. Eigentlich ging es dort am Donnerstag um den neuen Fernsehvertrag, um große Zahlen und das große Geldverdienen, für die Fußballbranche war es eine Art Feiertag. Aber dann kam die Meldung, dass Sascha Lewandowski am Mittwochnachmittag in seiner Wohnung in Bochum tot aufgefunden worden war. Holzhäuser, 66, konnte und wollte seine Tränen nicht unterdrücken, als ihn ein Reporter am Telefon erreichte: "Es tut so weh!", sagte Holzhäuser in seiner ersten Reaktion, "mir fehlen die Worte, es ist kaum zu fassen. Er war nicht nur ein toller Trainer, sondern auch ein großartiger Mensch."

Lewandowski, der nur 44 Jahre alt wurde, hatte zwischen 2007 und 2015 in verschiedenen Funktionen im Trainerstab von Bayer Leverkusen gearbeitet. Holzhäuser war in dieser Zeit Geschäftsführer des Vereins und, so sagt er das selbst, ein großer Förderer Lewandowskis. Mit dem damaligen Jugendleiter Jürgen Gelsdorf hatte er dafür gesorgt, dass Lewandowski vom VfL Bochum zu Bayer 04 wechselte. Als Trainer der A-Jugend des VfL hatte dieser in den Jahren zuvor Erfolge gefeiert, zweimal erreichten seine Teams das Meisterschaftsfinale. Auch bei Bayer beschäftigte sich der gebürtige Dortmunder mit der ältesten Juniorenmannschaft, unter anderem betreute er Spieler wie Stefan Reinartz, Christoph Kramer und Kevin Kampl. 2011 erwarb er an der Weisweiler-Akademie die Lizenz als Fußballlehrer, "genötigt" habe er Lewandowski zu diesem Diplom, erzählt Holzhäuser. Die Kosten für den Kurs übernahm der Verein.

Schon bald rentierte sich die Investition: Zwei Mal übernahm Lewandowski unter schwierigen Umständen die Leverkusener Profimannschaft, das erste Mal an der Seite von Sami Hyypiä (2012), das zweite Mal alleinverantwortlich in der Mission des Saisonretters (2014) - in beiden Fällen mit glänzenden Ergebnissen. Trotzdem reichte er die Arbeit jeweils auf eigenen Wunsch wieder weiter und zog sich aus der ersten Reihe zurück.

Die Präsenz in den Medien war ihm unangenehm, an der Willkür und Unkontrollierbarkeit der öffentlichen Kritik hat er ständig gelitten: "Vor allem zum Boulevard hatte er ein sehr abstraktes Verhältnis", beschreibt es Holzhäuser. Dennoch drängte Lewandowski nach einer Weile wieder in die erste Reihe. Im Sommer 2015 erwiderte er (respektive sein Berater Christian Nerlinger) Sondierungen von Bundesligisten wie Eintracht Frankfurt und Schalke 04. Schließlich gab er seinen Job als Jugendchef bei Bayer auf und ging zum Zweitligisten Union Berlin. Leute, die ihn näher kannten, waren überrascht davon.

Im Frühjahr 2016 folgte Lewandowski einer offenbar ultimativen Empfehlung seiner Ärzte und gab die Arbeit in Berlin bereits wieder auf. Der Verein äußerte sich nicht zu den spezifischen Ursachen, teilte aber mit, "eine temporär umfassende Entlastung von beruflicher Belastung" sei "unumgänglich". Allgemein wurde der Rückzug des Trainers, von dem es hieß, dass er sich restlos in seiner Arbeit verloren habe, mit Burn-Out erklärt. "Ich habe das gelesen", sagt Holzhäuser, "aber ich habe es nicht so dramatisch gesehen, weil der Begriff Burn-Out ja oft herhalten muss, wenn man nichts Näheres weiß." Von chronischen psychischen Problemen Lewandowskis war ihm nichts bekannt.

Die Behörden in Bochum äußern sich bisher nicht zur Todesursache, außer dass sie ein Fremdverschulden ausschließen. Von Depressionen und Suizid war in verschiedenen Berichten die Rede, eine Obduktion soll Klärung schaffen. Holzhäuser hat kein Interesse daran, Spekulationen anzustellen, aber er hat spontan an die Zeit denken müssen, in der Lewandowski an der Seite von Hyypiä die Bayer-Profis coachte. Lewandowski, der als Fußballer keine Karriere vorweisen konnte, wurde in der öffentlichen Darstellung oft zum Juniorpartner des Heldenprofis Hyypiä deklassiert, dabei war Hyypiä der wahre Lehrling - der finnische Starverteidiger hatte noch nicht mal einen Trainerkurs besucht.

Immer wieder musste Sportchef Rudi Völler Unterstellungen zurechtrücken, wonach er Lewandowski als den entbehrlichen Teil des Trainer-Duetts betrachtete. "Die Öffentlichkeit hat diese Partnerschaft nicht akzeptiert, und Sascha hat gelitten an diesen Darstellungen. Er saß da und hat gesagt: Was soll ich denn sagen? Ich bin doch nur das Chefchen", rekapituliert Holzhäuser und drückt den Wunsch aus, dass diejenigen, die damals so unfair waren, sich heute daran erinnern mögen.

Wahr ist allerdings auch, dass die Zusammenarbeit mit Hyypiä "schwierig und anstrengend" war. So hat es Lewandowski selbst beurteilt. Vor allem aber setzte ihm der Druck zu, den der Job in der ersten Reihe mit sich brachte, eine innere Aversion zu den Regeln und kraftraubenden Eigenheiten des Profigeschäfts ließ ihn auf Distanz gehen: "Er wollte nicht mehr Bundesliga machen", sagt Holzhäuser. Warum er es sich dann anders überlegt hat? "Er war noch jung, und ein Kind des Fußballs, dieser Virus lässt einen nicht los, das habe ich selbst erlebt", sagt Holzhäuser, der sich 2013 bei Bayer zurückgezogen hat, aber noch immer mit der Branche zu tun hat.

Fachlich gab Lewandowski Anlass zur Erwartung an eine gelungene, vielleicht sogar große Karriere in der Bundesliga. Über die Dreierkette mit den hochstehenden Außenverteidigern - heutzutage die neue Mode - hat er schon vor fünf Jahren doziert. Sehr methodisch, sehr überlegt, gewandt, ehrlich, authentisch - solche Begriffe fallen, wenn er jetzt charakterisiert wird. Und niemand vergisst zu sagen, dass Sascha Lewandowski außerdem sehr, sehr ehrgeizig war. "Aussteigen aus diesem Beruf, das fällt sehr schwer", weiß Wolfgang Holzhäuser.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: