Zum Tod von Jenö Buzánszky:Netter Bursche aus der Wundermannschaft

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Als Verteidiger dabei: Jenö Buzánszky im WM-Finale von Bern. (Foto: imago sportfotodienst)

Er war dabei als die Ungarn ihr größtes Fußballspiel verloren: Jenö Buzánszky ist im Alter von 89 Jahren gestorben. Mit ihm geht der Letzte aus der Goldenen Elf, die 1954 im WM-Finale Deutschland unterlag.

Von Gunnar Jans

Die Erinnerung an diese eine Niederlage, die erste nach vier Jahren, mehr noch: die schlimmste seines Lebens, war auch fünf Jahrzehnte später nicht verblasst. Im Gegenteil, sie wirkte präsent wie eh und je, und wer sich die Worte von Jenö Buzánszky noch einmal vor Augen führt, bekommt ein Gefühl dafür, wie sehr ihn dieses 2:3 im WM-Finale von 1954, das die Deutschen seither "das Wunder von Bern" nennen, noch immer schmerzte; wie wenig er seinen Frieden gemacht hatte damit, dass die scheinbar unschlagbaren Ungarn trotz einer 2:0-Führung den Titel nicht nach Hause bringen konnten.

Bei der Busfahrt zurück aus dem Wankdorfstadion ins Mannschaftsquartier "habe ich geweint", gestand Buzánszky im Sommer 2004 im Interview mit der SZ, "es war das letzte Mal in meinem Leben". Jetzt trauern die Ungarn um Jenö Buzánszky von den Magischen Magyaren: Ihren Abwehrspieler, der im Finale so große Mühe hatte mit dem Kölner Hans Schäfer; er verstarb am Sonntag im Alter von 89 Jahren - als Letzter aus der Goldenen Elf, von der sie nun an seinem Grab und in zahllosen Nachrufen endgültig Abschied nehmen.

Von einer "gewissen Verbitterung", die "schon nach da ist", berichtete Buzánszky, der 49 Länderspiele zwischen 1950 und 1956 absolvierte. Im gemeinsamen Gespräch mit dem legendären Finaltorwart Gyula Grosics breitete er im SZ-Interview noch einmal die Details aus: wie "sehr, sehr unglücklich" Anschluss- und Ausgleichstreffer gewesen seien, wie "Müdigkeit und Leere" sich in der Halbzeit breit gemacht hätten, Trainer Gusztav Sebes die falschen Maßnahmen ergriffen und der Schiedsrichter mit zwei Fehlentscheidungen einen nicht unwesentlichen Beitrag geleistet hätte. Und wie schließlich sein Gegenspieler Hans Schäfer einem Ungarn den Ball abknöpfte ("Waren Sie das? - "Das war Bozsik. Bozsik.") und so Helmut Rahn zum alles entscheidenden 3:2 auflegte, mit dem für die stolzen Ungarn nicht nur eine Fußball-Welt zusammenbrach.

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In Buzánszkys Interpration ebnete die Finalschmach sogar den Weg für den ungarischen Volksaufstand von 1956, denn "die Massenversammlung nach dem Spiel war das erste Mal, dass man in einer kommunistischen Diktatur auf die Straße gegangen ist und den Aufstand probte".

In jedem Fall war es die erste Niederlage seit Juni 1950 für die beste Mannschaft der ungarischen Geschichte, die das Spiel nach dem Krieg prägte wie kaum eine zweite. Grosics sagte es der SZ so: "Wir waren dem Weltfußball einen Schritt voraus." In 32 Spielen war das glorreiche Team um den legendären Ferenc Puskas ungeschlagen geblieben, hatte Olympia-Gold 1952 in Helsinki gewonnen und ein Jahr später beim 6:3 in Wembley die Engländer gedemütigt. In der WM-Vorrunde fertigten sie Südkorea mit 9:0-Toren ab und dann: Deutschland mit 8:3!

Welch eine Ansage war das, welch eine Lehrstunde für die Deutschen, und wie deutlich machte dies gerade Puskas, der Gegenspieler Werner Liebrich nach Belieben vorführte. Im Rückblick erwähnte Buzánszky aber auch, wie sich der deutsche Stopper dafür revanchierte, nicht nur mit einem Foul ("Drei! Mit drei Fouls!") und der Folge, dass Puskas wegen einer Knöchelverletzung bis zum Finale pausieren musste, was die Ungarn mehr verunsicherte als sie sich selbst eingestanden.

Buzánszky berichtete vom verpassten Zug nach dem Halbfinale, einer umständlichen PKW-Reise bis vier Uhr früh, und dass sie in der Nacht vor dem Finale gänzlich um den Schlaf gebracht worden seien durch eine Blaskapelle, die beim Volksfest in Solothurn vor dem Hotelfenster der Ungarn aufspielte, "angeblich hat eine deutsche Brauerei Freibier spendiert", so verbreitete Buzánszky es noch 50 Jahre später.

Mit der Niederlage haben sie sich nie versöhnen können, mit ihren Gegnern von damals trotz aller Nickligkeiten schon. Buzánszky, der als einziger Ungar aus der Finalelf nicht für einen der großen Budapester Klubs spielte, sondern für Pecsi VSK und bis zu seinem Rücktritt 1960 für den Dorigi FC, wo das Stadion nach ihm benannt ist, arbeitete nach seiner Karriere als Trainer und Funktionär, 1996 wurde er Vizepräsident des ungarischen Fußballverbands, regelmäßig kam er auch mit den Finalgegnern von 1954 zusammen.

"Er war ein sehr netter Bursche. Wir haben uns mindestens alle zwei Jahre getroffen", sagte Horst Eckel - neben Hans Schäfer der einzige noch lebende deutsche Weltmeister von 1954 -, als er vom Tod des letzten ungarischen Finalteilnehmers erfuhr. "Das kann ich gar nicht fassen. Ich habe ihn vor einiger Zeit noch getroffen und da war er noch fit. Das trifft einen", meinte Eckel, "das ist jetzt für mich keine leichte Sache."

"Nicht die Deutschen haben das Spiel gewonnen, wir haben verloren"

Für die Ungarn erst recht nicht, angesichts der zwiespältigen Gefühle, des Stolzes auf die Goldene Elf und der finalen Tragik. "Wir waren eine Wundermannschaft, die unsere Heimat, ja die ganze Welt begeistert hat. Aber an diesem Sonntag holte uns der graue Alltag ein", bekannte Grosics (verstorben im Juni 2014), während Buzánszky damals im SZ-Interview einwarf: "Niemand interessiert sich für den Zweiten - außer bei unserer Geschichte."

So bewegt, wie er davon berichtete, so wenig hatte er sich vom tragischen Ausgang befreit. "Nicht die Deutschen haben das Spiel gewonnen, wir haben verloren", sagte Jenö Buzánszky am Ende des Gesprächs. "Das bleibt. Ein Leben lang." Und vermutlich darüber hinaus.

© SZ vom 13.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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