Zum Tod von Bobby Fischer:Das Brett, das die Welt bedeutete

Bobby Fischer hat als Schachweltmeister geglänzt und Politik gemacht. Doch am Ende war der widersprüchliche Einzelgänger nur noch voller Misstrauen und Hass.

Martin Breutigam

Er war ein Einzelgänger zwischen Genie und Wahnsinn, ein Mensch voller Widersprüche und Rätsel. Kaum ein Weltmeister hat das Schachspiel so beeinflusst wie Bobby Fischer. Er liebte das Schach, zuletzt aber war er nur noch voller Misstrauen und Hass.

Zum Tod von Bobby Fischer: Bobby Fischer beim Rückspiel gegen  Boris Spassky in Jugoslawien im Jahr 1992. Fischer hatte den russischen Schachmeister 1972, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, besiegt und war damit der erste US-Schachweltmeister seit 100 Jahren geworden

Bobby Fischer beim Rückspiel gegen Boris Spassky in Jugoslawien im Jahr 1992. Fischer hatte den russischen Schachmeister 1972, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, besiegt und war damit der erste US-Schachweltmeister seit 100 Jahren geworden

(Foto: Foto: Reuters)

Am Ende war er nach Island zurückgegangen, ins Exil, dorthin, wo ihm 1972 sein größter Triumph gelungen war, als er im sogenannten Jahrhundertkampf Boris Spassky mit 12,5:8,5 besiegte und diesen als Weltmeister ablöste. Damit hatte Fischer, ein Amerikaner mitten im Kalten Krieg, die jahrzehntelange sowjetische Vormachtstellung im Spitzenschach im Alleingang gebrochen.

Sein Selbstbewusstsein als Schachspieler war gewaltig. Weggefährten versichern, manche Worte Fischers hätten brüsk und undiplomatisch geklungen, aber selten arrogant. Er sagte, was er dachte: "Mein Name ist Robert James Fischer. Patzer und Freunde nennen mich Bobby."

Patzer, das ist ein Ausdruck für einen schlechten Schachspieler. Mit Psychologie könne man im Schach keine Erfolge erringen, sagte Fischer einmal: "Ich glaube nicht an Psychologie, ich glaube an gute Züge." Und von denen zeigte er reichlich. Nach seinem Titelgewinn gegen Spassky aber geschah das Unbegreifliche: Fischer spielte keine offizielle Turnierpartie mehr und tauchte im kalifornischen Pasadena unter. 20 Jahre lang.

Niemand wusste, warum er nicht mehr spielen wollte. Niemand kannte Bobby Fischer wirklich. Einen Mann mit hohem Intelligenzquotienten und geringer Bildung, der zunehmend in den Einfluss der Sekte "Church of God" geriet. Drei Jahre nach seinem Sieg über Spassky hatte er sich geweigert, gegen den Herausforderer, Anatolij Karpow, anzutreten und so kampflos den Titel verloren.

Doch 1992 setzte sich der verarmte Champion nochmal ans Brett. Wieder gegen Spassky. Ein Belgrader Bankier hatte fünf Millionen US-Dollar geboten. Der Showkampf, als "Weltmeisterschaft" bezeichnet, fand in Sveti Stefan und Belgrad statt, womit Fischer wissentlich gegen ein US-Embargo verstieß, das jeglichen Handel mit dem damaligen Kriegsaggressor Jugoslawien verbot. Fischer kehrte nach dem Wettkampf nie wieder in seine Heimat zurück, weil ihm dort eine langjährige Gefängnisstrafe drohte. Im Juli 2004 wurde er auf Drängen der US-Behörden in Tokio festgenommen.

Zwölf Jahre war er da wieder abgetaucht gewesen, kaum ein Bild gelangte an die Öffentlichkeit. Dann die Fotos seiner Festnahme: Sie zeigen das überraschte, ungepflegt wirkende Schachgenie mit weit aufgerissenen Augen und grauem Vollbart. Gewiss hätten die US-Behörden ihn längst ausfindig machen können - wenn sie gewollt hätten. Wahrscheinlich stand die Festnahme im US-Wahljahr 2004 nicht nur im Zusammenhang mit dem Embargo-Verstoß, sondern mit Fischers Äußerungen zu den Anschlägen vom 11. September. Er hatte sie in einem philippinischen Radiosender begrüßt. Er wünschte den USA den Untergang.

Woher kam dieser Hass? Früher hasste Fischer die Russen, nun auch die Amerikaner. Und nicht nur die. Seine jüngeren Äußerungen waren erschütternde Zeugnisse verschrobener Gedanken und eines antisemitischen Weltbilds. Krasse Gegensätze wurden deutlich in seiner Persönlichkeit: der unheimliche Hass - die unendliche Liebe zum Schach. Früher galt er im persönlichen Umgang als ehrlich, freundlich und kindlich-naiv, andererseits auch als extrem egozentrisch. Am Brett habe sich Fischer aber immer sportlich und korrekt verhalten, sagte Boris Spassky.

Er, der alte Rivale, war in den Tagen nach Fischers Verhaftung einer der Ersten, der ihm zu helfen versuchte. In einem offenen Brief an US-Präsident George W. Bush bat Spassky um Gnade für den alten Kontrahenten: "Herr Präsident, im Jahr 1972 wurde Bobby Fischer ein Nationalheld. Er zerschmetterte mich in dem Match in Reykjavik. Die sowjetische Vormachtstellung im Schach kollabierte. Ein Mann gewann gegen eine ganze Armee. (...) Ich möchte Bobby Fischer nicht verteidigen oder rechtfertigen. Er ist, was er ist. Ich bitte nur um eines: Gnade, Nachsicht."

Hochachtung voreinander

Im Kalten Krieg waren die beiden von den Medien zu ideologischen Gegnern stilisiert worden. In Wirklichkeit hatten sie Hochachtung voreinander, vor allem Spassky vor Fischer. "Fischer war ein Don Quichotte, wenn ich über ihn spreche, sehe ich einen König über ein Königreich des Schachs regieren", sagte er.

Um Fischers Leben besser zu verstehen, hilft ein Blick in seine Kindheit. Bobby wurde am 9.März 1943 in Chicago geboren. Doch schon wer sein Vater war, ist unklar. Seine Mutter Regina, die aus der Schweiz stammte und in den dreißiger Jahren in Moskau studierte, hatte dort 1935 den deutschen Physiker Gerhardt Fischer geheiratet. Die Ehe wurde 1945, zwei Jahre nach Geburt des Sohnes, geschieden.

Bobbys leiblicher Vater könnte nach Recherchen der Autoren David Edmonds und John Eidinow aber auch der ungarische Mathematiker und Ingenieur Dr. Paul Felix Nemenyi gewesen sein, das gehe aus FBI-Akten hervor. In diesem Fall hätte Fischer sowohl eine Mutter als auch einen Vater mit jüdischer Abstammung, was im Hinblick auf seinen Antisemitismus erwähnenswert erscheint.

In Island hat man ihn vor drei Jahren aufgenommen, wo er 1972 nicht nur Weltmeister wurde, sondern auch einen Schachboom ausgelöst hatte. Ein isländischer Großmeister, der ihn 2007 besuchte, sagte: "Er war sehr freundlich, wir haben über Schach gesprochen. Aber nach einer Viertelstunde redete er schon wieder von der jüdischen Weltverschwörung." Am Donnerstag ist Fischer mit 64 Jahren nach schwerer Krankheit in einem Krankenhaus in Reykjavik gestorben.

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