Zukunftssorgen bei Bundesliga-Absteiger Berlin:"Lass gut sein, Hertha"

Ein Verein ist erschöpft von sich selbst: Auf der Mitgliederversammlung von Bundesliga-Absteiger Hertha BSC geht es am Dienstagabend um die Zukunft des Klubs. Präsident Werner Gegenbauer will weiter machen. Und von seiner umstrittenen Wiederwahl hängt auch ab, ob der Manager weiter Michael Preetz heißen wird.

Boris Herrmann, Berlin

In der Nacht zum Samstag ging vermutlich die Bundesliga-Saison zu Ende. Es wurde vermeldet: Hertha BSC schickt seine Spieler in den Urlaub. Nach 34 Spieltagen, zwei Relegationsspielen, einer chaotischen Nachspielzeit in Düsseldorf und zwei Gerichtsprozessen haben selbst die zähesten Berliner offenbar genug. So ganz langsam sehen sie ein, dass sie offenbar abgestiegen sind. Ein Verein ist erschöpft von sich selbst.

Hertha BSC legt Einspruch ein

Sorgen um die Zukunft von Hertha BSC: Präsident Werner Gegenbauer und Manager Michael Preetz.

(Foto: dapd)

"Lass gut sein, Hertha!", hallt es in diesen Tagen unüberhörbar durch die Hauptstadt. Und es hat den Anschein, als wolle sich allein Werner Gegenbauer, der Präsident, mit der Niederlage noch nicht abfinden. Auch nach der bislang letzten verlorenen Entscheidungsschlacht vor dem DFB-Bundesgericht am Freitagabend gab er sich trotzig. Er schloss jedenfalls nicht aus, auch noch die nächste Instanz, das Ständige Schiedsgericht für Lizenzvereine, anzurufen, um nachträglich den Klassenerhalt zu erwirken. Am Dienstagabend will er sich auf der Hertha-Mitgliederversammlung in dieser Sache "ein Stimmungsbild" bei der Basis einholen.

Gegenbauer ist in den vergangenen vier Jahren nicht unbedingt durch Basisnähe aufgefallen. Seine Kritiker vermuten deshalb, dass es sich hier um einen vereinspolitischen Kunstgriff handelt. Auf der Veranstaltung am Dienstag im Kongresszentrum am Funkturm, zu der rund 3000 Mitglieder erwartet werden, geht es in erster Linie darum, ob Werner Gegenbauer Präsident bleibt. Davon hängt wiederum ab, ob der Manager auch in Zukunft Michael Preetz heißt.

Der räumte dieser Tage zwar wahrheitsgemäß ein, zu vielen Themen schlechte Argumente zu haben. Dazu gehören etwa Themen wie zwei Abstiege in drei Jahren, ein skurriles Trainer- karussell, ein unverändert großer Schuldenberg sowie eine wachsende Abwanderungswelle bei der Vereinsjugend. Preetz ist trotzdem der Ansicht, dass er seinen bis 2014 gültigen Vertrag erfüllen sollte. Und Werner Gegenbauer hatte bereits im Rauch der Ereignisse von Düsseldorf verkündet: "Für mich ist es völlig unbestritten, dass er in seiner Position bleibt." Was auch immer schief gelaufen ist, wir machen so weiter wie bisher, lautet also die klare Devise.

Diesen Mut brachten in Berlin zuletzt nicht einmal die CDU und die Flughafen-Betreiber auf. Preetz und Gegenbauer aber haben sich bei der Hertha in den vergangenen vier Jahren so viele Bälle erfolgreich zugespielt - sie halten sich offensichtlich für unantastbar und gehen mithin davon aus, dass sie auch die gegenwärtige Krise ohne größere Schrammen überstehen können. Der Plan hat aber eine Schwachstelle. Der Präsident und sein Präsidium werden laut Satzung von den Mitgliedern gewählt.

Werner Gegenbauer, 62, ist einer der einflussreichsten Unternehmer Berlins. Er kennt sich aus mit machtpolitischen Ränkespielen. Und deshalb ahnt er natürlich, dass er für ihn eng werden könnte. Vergangene Woche warnte er im inzwischen gewohnt martialischen Hertha-Slang vor einem "Schlachtfest". Am Montag rief er die Mitglieder in einem offenen Brief noch einmal zur Geschlossenheit auf. Er schrieb: "Der Verein scheint in verschiedene Fraktionen gespalten zu sein." Das kann man so stehen lassen.

Maßnahmen gegen die Palastrevoluzzer

Das alte, achtköpfige Präsidium ist längst in zwei Parteien zerfallen. Vier Mitglieder stehen mehr oder weniger treu zu Gegenbauer. Ingmar Pering, Christian Wolter sowie der Vizepräsident Jörg Thomas bilden die Opposition, die einen Neuanfang will. "Die Fakten sprechen für sich", argumentiert Pering, "der Verein befindet sich seit drei Jahren im Chaos." Der Berliner Anwalt hat dem internen Machtkampf mit solchen Aus- sagen zuletzt eine öffentliche Dimension verliehen. Er sagt: "Hier wird gerade die Legende aufgebaut, der Verein schaffe es nicht ohne Gegenbauer." Dessen Befürworter verweisen in der Tat auf die wichtigen Unternehmenskontakte des ehemaligen IHK-Präsidenten. Die Gegner sagen: "Wir haben zwölf Jahre erfolgreich ohne ihn Bundesliga gespielt."

Gegenbauer hat beizeiten Maßnahmen gegen die Palastrevoluzzer ergriffen. Für alle drei hat er höchstpersönlich Gegenkandidaten zur Präsidiumswahl nominiert. Unter anderen schlug er Torsten Manske, seinen treuesten Mitstreiter im Präsidium, für den Stellvertreter-Posten vor. Hauptsächlich dieser Affront gegen den bisherigen Vize Jörg Thomas brachte die Vereinsbasis gegen Gegenbauer auf. Thomas gilt in Fankreisen als geeigneter Präsidentschafts-Kandidat.

Das bestätigt unter anderem Thomas Sange, der Vorsitzende des Fanklubs "Herthafreunde 45". Er sagt: "Machen wir uns nichts vor, Hertha ist im Moment die Lachnummer der Nation." Sange ist das, was man einen politisch aktiven Fan nennt. Auf seiner Facebook-Seite diskutieren rund 1200 Herthaner über die Zukunft des Vereins. Sange kann mit gewissen Recht behaupten, er sei "tief in der Fanszene drinne".

Er sagt: "Es herrscht da die einhellige Meinung, dass jetzt was passieren muss. Und passieren heißt: Die beiden Oberchefs müssen weg!" Gegenbauer und Preetz sind damit natürlich gemeint. Sange sagt: "Gegenbauer ist der Meinung, dass er hier einen Gott-Status hat, aber der begreift noch nicht, was mit ihm am Dienstag passieren wird."

Er gibt für das höchste Amt im Hertha-Staat nur einen Kandidaten, der heißt Gegenbauer. Das hilft ihm aber wenig, falls er bei der Wahl nicht die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen bekommt. Die Frist für weitere Nominierungen ist abgelaufen. Und deshalb setzt der Amtsinhaber nun alles auf eine Karte. Er hat angekündigt, lediglich für einen Wahlgang zur Verfügung zu stehen. Die Mitglieder stehen damit vor der Wahl: Werner Gegenbauer oder erst einmal gar keinen Präsidenten.

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