Zukunft des TSV 1860 München:Alles oder nichts in Giesing

Felix Magath

Die Farben stimmen schon halbwegs auf diesem Archivbild aus dem Jahr 2010 (damals noch Trainer von Schalke): Felix Magath, 1860-Boss in spe.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • Jahr für Jahr die tiefen Finanzschlaglöcher bei Sechzig stopfen? Oder dem eigenen Cousin das Spielzeug wegnehmen? Investor Hasan Ismaik verhandelt weiter mit dem TSV 1860 München.
  • Nach SZ-Informationen liegt dem Verein ein Übernahmeangebot aus Deutschland vor - und Felix Magath steht bereit.

Von Philipp Schneider

Ein paar hundert Meter nur sind es von der Grünwalder Straße 114 bis zum Anwesen von Felix Magath in München-Harlaching. Womöglich saß der ehemalige Meistertrainer am vergangenen Samstag auf seiner Terrasse, und dann trug der Wind die wilden Rufe vom Gelände des TSV 1860 München hinüber an seine Ohren: "Poschner raus! Poschner raus!", brüllten die Fans, weil sie nicht wollen, dass Gerhard Poschner noch länger arbeitet als Sportchef beim Fußball-Zweitligisten. Die Rufe könnten Magath wiederum an die der Anhänger des englischen Zweitligisten FC Fulham erinnert haben, die im vergangenen August seinen Abschied forderten, nach der dritten Niederlage im dritten Spiel skandierten sie: "Felix out!"

Dass die Londoner ihren Sportchef Magath wenige Wochen später erfolgreich aus dem Stadion brüllten, empfinden die Demonstranten in München nun als große Chance. Magath hat wieder Zeit. Und offenbar auch Lust. Wäre 1860 seit dem Einstieg des jordanischen Investors Hasan Ismaik, der vor vier Jahren 60 Prozent der Anteile erwarb (von denen nur 49 Prozent stimmberechtigt sind), nicht der komplizierteste Fußballklub der Welt, dann wäre Poschner schon entlassen - und Magath längst Chef. Aber so einfach ist es eben nicht.

Über die Freistellung des Sportchefs entscheidet bei 1860 ein Beirat, in das Investor und Verein jeweils zwei Personen entsenden. Dort herrscht eine Pattsituation, weil die Investorenseite bislang an Poschner festhält. Verkompliziert wird die Lage dadurch, dass Ismaik in München seinen Cousin Noor Basha als Statthalter beschäftigt, der möglicherweise auch eigene Interessen verfolgt. Basha, ein Pharmazeut, empfindet seit der vergangenen Saison große Freude, im Windschatten Poschners eine Art Fußballmanager zu geben. Das dürfte er in Magaths Windschatten nicht. Magath regelt die Dinge alleine.

In seiner Zeit als Souverän beim VfL Wolfsburg hat er mal das Stadionmagazin abgeschafft, allerdings nur, um es danach selbst herauszugeben. Wenn also Basha am Donnerstag im kicker sagt: "Alles, was gemeldet wird, ist falsch!" und es gebe "kein Angebot, keine Einigung", dann muss das niemand allzu hoch hängen. Es kursierte ja die Meldung, dass sein Cousin seine Anteile am TSV 1860 verkaufen könnte.

Es gehe immer weiter abwärts, schimpft Ismaik

Anfang dieser Woche bestritt Ismaik im SZ-Interview nicht mehr, dass ihm ein Übernahmeangebot von dritter Seite vorliegt. "Ich kann darüber nicht reden", sagte er. Die Information, dass er verhandlungsbereit sei, war zu diesem Zeitpunkt ohnehin schon aus mehr als einer undichten Leitung getropft. Was der Jordanier verkündete, klang eher so, als sei er seines chronisch zur Insolvenz neigenden Zweitligisten ziemlich überdrüssig. 13 neue Spieler durfte Poschner in dieser Saison erstehen, und die hätten den Klub fast in die dritte Liga gebolzt. "Ich bekomme tägliche Berichte", sagte Ismaik: "Aber in diesem Jahr fühle ich mich schlecht angesichts der sportlichen Lage. Es geht immer weiter abwärts." Auch stört ihn, dass ihn die Scheidung von Poschner, der noch einen Vertrag bis 2017 besitzt, 500 000 Euro kosten würde: "Wenn wir jetzt einen neuen Sportdirektor holen, soll er dann nach einem Jahr wieder gefeuert werden?", fragte er: "Drei Millionen, vier Millionen! Einstellen, feuern, einstellen, feuern! Die haben zu viel von meinem Geld verloren!" Und da hat er ja nicht Unrecht. Annähernd 50 Millionen Euro hat er wohl insgesamt investiert in den Klub.

Für Ismaik, so muss man das sehen, stellt sich die Frage, was schlimmer ist: Jahr für Jahr die tiefen Finanzschlaglöcher bei Sechzig stopfen? Oder dem eigenen Cousin das Spielzeug wegnehmen?

Nun wurde mancherorts etwas voreilig über eine Einigung zwischen 1860 und Ismaik berichtet. Tatsächlich aber liegt dem Jordanier nach SZ-Informationen ein Übernahmeangebot deutscher Konsorten vor. Und Ismaik soll es nach erster Durchsicht gar nicht mal unattraktiv gefunden haben. Möglicherweise spielt er jetzt auf Zeit, um den Preis in die Höhe zu treiben. Bei dem Angebot handelt es sich um eine vorläufige Offerte, eine "non-binding-offer", die noch ausverhandelt werden muss. Und geknüpft sind alle weiteren Gespräche mit der deutschen Investorengruppe an die Bedingung, dass Poschner entlassen wird.

Denn die Konsorten, die schon seit fast einem Jahr in Kontakt mit den Vereinsvertretern stehen, sie wollen nur Magath. Weil dem Vernehmen nach zumindest einer der Interessenten geschäftlich eng verbandelt ist mit dem dreimaligen Meistertrainer, der wohl selbst ein paar Anteile am Klub erwerben möchte. "Magath hat mir gesagt, er will zu Sechzig kommen, Trainer werden und zwei Millionen in den Klub investieren", plauderte Ismaik zuletzt aus. Er lehnte Magath im Winter ab. Offenbar, weil es keinen Kleininvestor Magath neben einem Großinvestor Ismaik geben soll.

Aus dem Bauch des Löwen drang am Donnerstag die Kunde, zur Diskussion stünde nur eine "Alles-oder-nichts-Lösung". Für den Fall, dass Ismaik nicht der Entlassung Poschners zustimmen sollte, droht das Präsidium des Vereins seit Tagen mit Rücktritt. Und das kurz vor einer Mitgliederversammlung an diesem Sonntag, die angesichts der Spannungen zwischen Abu Dhabi und München auf Wunsch des Präsidiums noch verschoben werden könnte. Präsident Gerhard Mayrhofer hätte ja am Tag vor dem Trainingsstart nichts zu verkünden.

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