Zukunft der Formel 1:Breiter und schneller

Zukunft der Formel 1: Die Beziehung zwischen Nico Rosberg (links) und Lewis Hamilton war nicht einfach.

Die Beziehung zwischen Nico Rosberg (links) und Lewis Hamilton war nicht einfach.

(Foto: Luca Bruno/AP)

Das Ende der Saison markiert das Ende einer Ära: 2017 ändern sich die Regeln drastisch.

Von René Hofmann, Abu Dhabi

Die Formel 1 funktioniert ein bisschen wie die Börse: Die Gegenwart gilt als langweilig. Gehandelt wird vor allem die Zukunft. Und die Zukunft sieht für fast alle gut aus. "Bei uns hat sich viel zum Guten verändert, wir sollten kommendes Jahr stärker sein", sagt Sebastian Vettel, dessen zweite Saison mit Ferrari enttäuschend verlief. "Wir wollen zurück ins Mittelfeld", sagt Monisha Kaltenborn, die Chefin des Schweizer Sauber-Teams, das sich in diesem Jahr bis zum vorletzten Rennen gedulden musste, ehe es die ersten Punkte feiern konnte.

"Wir befinden uns in einer komfortablen Situation. Wir erfreuen uns finanzieller Stabilität und konnten deshalb früh mit der Entwicklung des Autos fürs kommende Jahr beginnen", sagt Claire Williams, die Chefin des gleichnamigen Teams, das nach zwei Jahren als Nummer drei der Konstrukteurs-Wertung in diesem Jahr abgerutscht ist und das hofft, diesen Trend 2017 umkehren zu können, wenn es im Frühjahr in Australien wieder losgeht.

Die Autos, die dort rollen, werden breiter sein. Sie werden ausladendere Flügel tragen und auf breiteren Reifen daherkommen. "Sehr spektakulär" sähen sie aus, verspricht Toto Wolff, der Chef des Mercedes-Teams, "die Fahrer werden in den Kurven mit den G-Kräften ganz schön zu kämpfen haben". Viele Biegungen werden mit Vollgas zu durchfahren sein. Um fünf bis sechs Sekunden, so die Hochrechnungen, werden die Rundenzeiten sinken - mindestens. Die Rennen sollen so spektakulärer werden. Vor allem aber, das war die Intention, als die Neuerungen beschlossen wurden, sollen sie wieder abwechslungsreicher werden.

Seit 2014 die Sechszylinder-Turbo-Motoren und das Energierückgewinnungssystem ERS eingeführt wurden, jagte ein Team voraus: Mercedes. In diesem Jahr gewann die Mannschaft 19 der 21 Rennen, 2015 war sie bei 19 Gelegenheiten 16 Mal siegreich, 2014 waren Lewis Hamilton und Teamkollege Nico Rosberg auf die gleiche Siegquote gekommen.

"Mercedes gewinnt einfach zu viel", findet nicht nur Stephen Fitzpatrick. Der Eigner des Manor-Teams, das sich eifrig müht, zumindest Anschluss ans Mittelfeld zu finden, wünscht sich: "Der Sport muss wieder unvorhersehbarer werden." Die spannende Frage aber lautet: Wird er das 2017 wirklich?

Im Fahrerfeld wird es einige neue Gesichter geben: Der 18 Jahre alte Kanadier Lance Stroll darf bei Williams einsteigen, der 20 Jahre alte Franzose Esteban Ocon steigt bei Force India zum Stammfahrer auf. "Sie sind Repräsentanten einer neuen, digitalen Generation, die mit Social Media aufgewachsen ist. Sie werden den Sport hoffentlich stärker mit den Millennials verbinden und so unsere Zukunft sichern", sagt Claire Williams, 40, die das Lebenswerk ihres Vaters Frank, Jahrgang 1942, fortführen will. Den Platz, den Stroll füllt, räumt Felipe Massa. Der 35-jährige Brasilianer verabschiedete sich in Abu Dhabi nach 15 Jahren aus der Serie.

Noch zwei Jahre länger war Jenson Button dabei. Der 36 Jahre alte Brite hat zwar eine Option, nach einem Sabbatical 2018 bei McLaren wieder einsteigen zu können, aber daran glaubt im Moment niemand, nicht einmal Button selbst. "Ich betrachte das als mein letztes Formel-1-Rennen", sagte er in Abu Dhabi und flocht einen Satz an, der nun wirklich nach Abschied klang: "In die Formel 1 kommst du mit vielen Träumen. Und wenn es gut läuft, verlässt du sie mit vielen Erinnerungen."

Schöne Träume für die Zeit nach der Winterpause grassieren dieses Mal wirklich auffallend viele. Aber die Jäger sollten sich keinen Illusionen hingeben. Auch die Gejagten sehen in den Neuerungen durchaus eine Chance.

Die neuen Regeln bieten den Erschöpften einen neuen Reiz

Die Wirtschaftswissenschaftler kennen ein Gesetz: The law of diminishing returns. Bleiben die Rahmenbedingungen gleich, wird es Jahr für Jahr schwerer, mehr aus einer Produktionskette herauszuholen. "Als wir 2014 einen Masterplan entwarfen, haben wir erkannt: Wegen dieses Gesetzes wäre es für uns optimal, wenn es 2017 neue Regeln geben würde", verrät Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Alles andere als gewollt haben die Konkurrenten den Dominatoren mit den Änderungen de facto in die Hände gespielt.

Die Spitze dreimal zu erobern, ist anstrengend. Die Saison 2016 war mit 21 Rennen die bisher längste. "Wir sind alle total fertig", gibt Wolff zu. Die neuen Regeln kommen da als Reizpunkt gerade recht. Ein Weiter so ist unmöglich. Die neuen Vorgaben bieten der Mannschaft, die zuletzt alles in Serie gewann, ein neues Ziel: Drei Titel oder mehr nacheinander - das schafften auch Red Bull (2010 bis 2013 mit Sebastian Vettel) und Ferrari (2000 bis 2004 mit Michael Schumacher). Eines aber schaffte schon lange keiner mehr: eine Dominanz über wirklich einschneidende Änderungen im technischen Reglement hinweg zu retten. Genau das hat der Rennstall mit 1500 Angestellten in Brackley und in Brixworth nun vor. Das letzte Rennen ist nie das letzte Rennen.

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