Zidane bei Real Madrid:Reals königliche Gurkentruppe

Zidane bei Real Madrid: Wie lange noch bei Real Madrid? Zinédine Zidane.

Wie lange noch bei Real Madrid? Zinédine Zidane.

(Foto: AP)
  • Nach dem blamablen Pokal-Aus gegen Leganés geht es bei Real Madrid allmählich um den Job von Trainer Zinédine Zidane.
  • In Krisenphasen werden die Messer bei Real stets sehr scharf gewetzt.
  • Hier geht es zur Tabelle der spanischen Liga.

Von Javier Cáceres

Wer über Leganés spricht, ein Satellitenstädtchen Madrids, der spricht auch über die Vergangenheit. Dass Anhänger des örtlichen "Club Deportivo" umgangssprachlich "pepineros" genannt werden, Gurkenzüchter, hat damit zu tun, dass die heute 190 000 Einwohner zählende Gemeinde Leganés vor einem Jahrhundert bloß der Gemüsegarten der zehn Kilometer entfernten Hauptstadt war. Hier und da waren am Donnerstag in Spaniens Sportpresse auch Anspielungen darauf zu lesen, dass 1851 in Leganés eine "Casa de Locos", ein Irrenhaus, gegründet wurde, das nach Königin Isabel II. benannt wurde. Natürlich nicht wegen möglichen Irrsinns der Monarchin, sondern weil das Spital einen Modellcharakter haben sollte.

Solche Reminiszenzen an die Vergangenheit wurden am Mittwoch aktuell, weil CD Leganés sich als besonderes Gurkenzüchterteam entpuppte: Es entlarvte das große Real Madrid, den amtierenden spanischen Meister, Champions-League-, Weltpokal- und nationalen sowie europäischen Supercupsieger - als Gurkentruppe. Im Bernabéu-Stadion brachen Raserei und Wut aus. Denn Leganés siegte im Viertelfinal-Rückspiel des spanischen Pokals bei Real 2:1 und schaltete die stolzen "Königlichen" aus, die das Hinspiel schmeichelhaft 1:0 gewonnen hatten.

"Eine verdammte Schande"

"Pepinazo" war danach das meistverwendete Wort in den spanischen Medien, das sich wie "pepineros" von "pepino" ableitet, Gurke also, und den lauten Knall einer Bombe umschreibt. Wozu man wissen muss, dass Leganés, das in dieser Saison erstmals erstklassig ist, den kleinsten Etat der Primera División aufweist. "Una puta vergüenza", schimpfte Real-Stürmer Lucas Vázquez, der zu den besseren Spielern zählte, als er den Platz verließ: "Eine verdammte Schande."

Das war zwar vulgär, fasste die Empfindungen der 48 000 Zuschauer aber gut zusammen - zumal sie im Pokal schon vorher peinliche Vorstellungen sahen: Auch gegen den drittklassigen FC Fuenlabrada und den zweitklassigen CD Numancia hatte Real daheim nicht gewinnen können. Weil Real in der Liga 19 Punkte hinter Spitzenreiter FC Barcelona liegt, ist bereits von einer Katastrophensaison die Rede.

In der Tat hat Real nur noch eine Patrone in der Trommel, um die Saison zu retten: die Champions League, die Madrid im Erfolgsfall zum dritten Mal in Serie gewinnen würde. Doch im Achtelfinale wartet das Milliardenteam Paris Saint-Germain. Da überrascht es nicht, dass der französische Trainer Zinédine Zidane nach dem 2:1 genau einmal auflachte, und zwar sarkastisch - als er gefragt wurde, ob sein Job bei einem Aus gegen PSG in Gefahr sei: "¡Sí, claro!", rief Zidane, ja klar.

Dass in Krisenphasen die Messer bei Real schärfer gewetzt werden als Guillotinen in Zidanes Heimat zu Revolutionszeiten, weiß der Trainer nur zu gut. Nach dem Pokal-Aus bekannte er sich schuldig wie nie: Für das Versagen und "die schlimmste Nacht meiner Trainerkarriere" trage er allein die Verantwortung, sagte Zidane. In einer Hinsicht aber wies er Kritik zurück: Es sei richtig gewesen, dem deutschen Nationalspieler Toni Kroos sowie den Stürmern Cristiano Ronaldo und Gareth Bale freizugegeben, die Mannschaft sei wettbewerbsfähig genug gewesen. Eigentlich.

Auch die Debatten um Ronaldo verstummen nicht

Als Real aber den Toren von Javier Eraso (31.) und Gabriel Pires (55.) nur einen Treffer von Karim Benzema (47.) entgegensetzen konnte, hatte Zidane auf der Bank nur noch einen Stürmer als Alternative: den früheren Wolfsburger Ergänzungsspieler Borja Mayoral. Resultat: Niemand brachte den Ball ins Tor von Leganés, das von einem Mann mit perlendem Namen gehütet wurde: Nereo Champagne, ein Held der Partie. Real spielte zu einfallslos und - anders als in der Vorsaison - ohne den Punch, der dem Team so viele Siege und Titel gesichert hatte. "Wir müssen wieder aufstehen", sagte Zidane. Wohl wahr: Am Samstag reist der Meister zum Tabellendritten Valencia, der fünf Punkte vorn liegt. Es geht längst um alles. Ein Verfehlen der Champions-League-Plätze eins bis vier (Villarreal ist lediglich einen, der FC Sevilla drei Zähler hinter Real) wäre ein Super-GAU.

Nicht auszuschließen, dass sich die anschwellenden Debatten um eine vorzeitige Ablösung Zidanes (Vertrag bis 2020) beschleunigen. Zurzeit wird diesbezüglich über den Sommer geredet, vor allem über Mauricio Pochettino, Trainer beim Premier-League-Klub Tottenham Hotspur. Es dürfte aber nicht lange dauern, ehe es zu Spekulationen um Bundestrainer Joachim Löw kommt. Klubchef Florentino Pérez gilt als germanophil. Noch aber wird vor allem über Fußballer gesprochen.

Der erfolgsverwöhnte Klub würde gerne die Belegschaft noch im Januar aufrüsten, Zidane aber sperrt sich und erntet dafür Solidarität seines Teams: "Wir sind alle verantwortlich, nicht nur der Trainer", sagte Madrids Kapitän Sergio Ramos. Für den Sommer gelten Eden Hazard (FC Chelsea) und Torwart David De Gea (Manchester United) als Wechselkandidaten.

Nicht verstummen will auch die Debatte um Weltfußballer Ronaldo, der sein Nettogehalt (21 Millionen Euro jährlich) mehr als verdoppelt sehen will, um genauso viel zu verdienen wie Leo Messi beim FC Barcelona. Das sei angesichts der Krise nicht der richtige Zeitpunkt, heißt es bei Real. Aber längst kursiert das Gerücht, dass Klubchef Pérez gern Neymar aus Paris holen und Ronaldo in Zahlung geben möchte. Dass sich die katarischen PSG-Eigner darauf einlassen, darf freilich bezweifelt werden.

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