Zeitfahren:In Würde weiterfahren

tony martin

Tony Martin verpasste den angestrebten Etappensieg.

(Foto: imago)

Die Tour de France gedenkt beim Zeitfahren bei der 13. Etappe des Anschlags in Nizza.

Von Johannes Aumüller, La Caverne du Pont-d’Arc

Dem Niederländer Tom Dumoulin war das Unbehagen anzumerken, als er sich in einer kleinen Kabine zum obligatorischen Sieger-Interview einfand. Natürlich sei er einerseits sehr froh, sagte der Mann aus der deutschen Giant-Equipe nach seinem klaren Erfolg auf der Zeitfahr-Etappe vor Tour-Spitzenreiter Christopher Froome, aber andererseits sei er auch sehr traurig an diesem Tag. "Der Radsport ist halt nicht so wichtig heute", sagte er.

Es ist unter dem Eindruck des Anschlags von Nizza vieles anders gewesen als bei einer üblichen Tour-Etappe. Die Profis hielten vor dem Start und nach dem Rennen auf dem Siegerpodium eine Schweigeminute ab, die sonst so laut lärmende und dröhnende Werbekarawane absolvierte den Parcours diesmal leise. Und mancher Teilnehmer bestritt das 37,5 Kilometer lange Zeitfahren von Bourg-Saint-Andéol nach La Caverne du Pont-d'Arc "wie paralysiert", wie etwa John Degenkolb mitteilte.

Am Freitagmorgen haben die Organisatoren und die Behörden durchaus über eine Absage diskutiert, aber dann gemeinsam entschieden, dass das Rennen unter erhöhten Sicherheitsbedingungen wie geplant stattfinden soll. "Wir glauben, dass wir uns nicht dem Druck derer beugen dürfen, die unsere Art zu leben verändern wollen", sagte Tour-Direktor Christian Prudhomme: "Die Tour de France wird in Würde fortgesetzt."

Zwischendurch stand im Raum, dass der eine oder andere Fahrer aussteigt, aber am Ende gingen doch alle im Feld verbliebenen Sportler an den Start. Und nicht nur der deutsche Zeitfahr-Spezialist Tony Martin, der den angestrebten Etappensieg klar verpasste, war verblüfft ob seiner Eindrücke. "Schon am Morgen beim Warmfahren standen die Massen an den Straßen und haben zugejubelt und mit lachenden Gesichtern an der Werbekarawane gestanden", berichtete er: "Ich glaube, es ist wichtig, dass man das Zeichen setzt, dass man sich vom Terrorismus das Leben nicht diktieren lässt, es ist auch ein Zeichen der Freiheit."

Angesichts der Attentate in Frankreich in den vergangenen Monaten spielte das Thema Sicherheit bei der diesjährigen Tour von Beginn an eine größere Rolle als sonst. Die Organisatoren wissen, dass ihr Sport besonders anfällig ist, so viele Menschen kommen täglich zusammen, nur schwerlich lässt sich das alles kontrollieren. Erstmals begleiten Mitglieder der französischen Spezialeinheit GIGN das Rennen, dem Pendant zur deutschen GSG9. Insgesamt sind rund 23 000 Polizisten im Einsatz.

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