Zehn Zylinder der Formel 1:"Will mein Leben nicht für diese verdammten Reifen riskieren"

Lewis Hamilton liefert eine grandiose Aufholjagd und klagt bitterlich. Nico Rosberg wird aus Tausenden Kehlen ein "Happy Birthday" gesungen. Und Sebastian Vettel bleibt erstaunlich gelassen. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Von Elmar Brümmer, Silverstone

1 / 10

Zehn Zylinder der Formel 1:Der Randstein

F1 Grand Prix of Great Britain - Race

Quelle: Getty Images

Lewis Hamilton liefert eine grandiose Aufholjagd und klagt bitterlich. Nico Rosberg wird aus Tausenden Kehlen ein "Happy Birthday" gesungen. Und Sebastian Vettel bleibt erstaunlich gelassen. Die Höhepunkte des Formel-1-Wochenendes.

Der Randstein: Die einen schreiben ihn "Curb", die anderen "Kerb". In beiden Fällen wird er gleich ausgesprochen, eingedeutscht als "Randstein" beschrieben - und spielte eine maßgebliche Rolle beim Ausgang des Großen Preises von Großbritannien. Vor allem jene in Weiß-Rot lackierten Betonbegrenzungen in der Hochgeschwindigkeitskurve vier. Dort haben sich wohl die meisten der Reifen, die dann platzten, die ominösen Schnitte geholt. Ein Phänomen, das bei all dem Reifenärger in diesem Jahr so nie vorgekommen war. Ein Fernsehteam der BBC fand später heraus, was Rennleiter Charlie Whiting bei der Inspektion offenbar verborgen geblieben war: Im Curb/Kerb befand sich eine mehr als daumenbreite Kante. Zu blöd, dass der Automobilweltverband seine Kampagne für Straßensicherheit nicht auf Rennstrecken ausgeweitet hat.

2 / 10

Zehn Zylinder der Formel 1:Nico Rosberg

F1 Grand Prix of Great Britain - Race

Quelle: Getty Images

Nico Rosberg: Zwei der letzten drei Rennen gewonnen, da darf man schon sein, was Nico Rosberg gerade ist: "stolz." Vor allem auf Mercedes und den unheimlichen Aufwärtstrend der Silberpfeile. Dass wie bei seinem Triumph kürzlich in Monaco wieder eine Reifendiskussion den Erfolg überlagert, ärgert ihn, aber er nimmt es schulterzuckend hin: "Da sind verrückte Dinge passiert." Mit den Überraschungen war auch nach 95 Rennminuten nicht Schluss. Als er sich mehr als zwei Stunden nach dem Rennen auf der Bühne des Silverstone Circuit zeigte, ein Protest gegen seinen Erfolg durch Red Bull war gerade abgeschmettert worden, sangen Tausende Fans "Happy Birthday". Dem Geschenk zum 28. Geburtstag soll am kommenden Wochenende auf dem Nürburging nach Monte Carlo (Wohnort) und Silverstone (Sitz des Teams) der dritte Heimsieg folgen.

3 / 10

Zehn Zylinder der Formel 1:Fernando Alonso

F1 Grand Prix of Great Britain - Race

Quelle: Getty Images

Fernando Alonso: Für gewöhnlich twittert der Spanier, der sich gerade mit einem Musketier-Bärtchen angriffslustig verkleidet, martialische Sprüche nach Bravourfahrten wie der von Silverstone, als er sich aus dem Mittelfeld am Ende noch auf Rang drei schob und dabei trotz eines schwächelnden Ferrari drei Autos in einer Runde überholte. Diesmal waren es nur ein Bild aus der Bordkamera und die schlichten Angaben: 288 km/h, 3,6g Fliehkräfte. Es war der Moment, als ihm die kiloschweren Gummifetzen des genau vor ihm explodierten Pneus am McLaren von Sergio Perez um den Helm flogen. Seiner Reaktionsfähigkeit am Lenkrad hat er wohl sein Leben zu verdanken. Und Model-Freundin Dasha hatte morgens noch den Satz "Das Leben ist schön" in Facebook gestellt.

4 / 10

Zehn Zylinder der Formel 1:Lewis Hamilton

***BESTPIX*** F1 Grand Prix of Great Britain - Race

Quelle: Getty Images

Lewis Hamilton: "Lew, Dein Heimatland braucht Dich jetzt", hatte die Sun vor der Qualifikation zum britischen Grand Prix in breiten Lettern gefordert. Als einziger Insulaner mit echten Chancen zeigte er sich prompt heimatbewusst und fuhr die Pole-Position ein, aus der er acht Runden lang eine komfortable Führung machte, bis der erste Reifen des Tages knallte. Der Schock war mindestens so groß wie der über seine angebliche Mal-Wieder-Trennung von Freundin Nicole. In eine Aufholjagd vom letzten Platz legte er seine ganze Wut und wurde am Ende noch grandioser Vierter. Dann klagte er öffentlich zurück: "Muss erst etwas passieren, bevor etwas passiert? Das ist inakzeptabel, ich will mein Leben nicht für diese verdammten Reifen riskieren. Aber mit den Funktionären zu reden, das ist Zeitverschwendung."

5 / 10

Zehn Zylinder der Formel 1:Nico Hülkenberg

-

Quelle: AFP

Nico Hülkenberg: Es ist nur ein Pünktchen, und erst der sechste der Saison, den Nico Hülkenberg vom Niederrhein für das Sauber-Team eingefahren hat. Aber für die Teamchefin aus der Schweiz ein enorm wichtiger: "Ein hart erarbeiteter Punkt. Im Moment können wir von unserem Auto keine Wunder erwarten. Dieses Resultat ist dennoch gut für die Moral." Denn durchs Fahrerlager gehen Gerüchte, dass das seriöse Privatteam, das in dieser Saison sein 20. Formel-1-Jubiläum feiert, ums finanzielle Überleben kämpft. Hülkenberg, der sich bei Sauber für Ferrari-Aufgaben empfehlen wollte, ist doppelt frustriert: Sportlich sieht er kein Land, weil immer das Heck am Rennwagen zickt. Und die erste Rate seines Gehaltes soll er auch nicht bekommen haben. Deshalb könnte er 2014 wechseln, wenn er will. Oder muss.

6 / 10

Zehn Zylinder der Formel 1:Kimi Räikkönen

British Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Kimi Räikkönen: Verschlossen ist er häufig. Aber selten zieht er die schwarze Lotus-Schirmmütze so tief ins Gesicht wie in Silverstone. Vermutlich hat der Finne sogar damit geschlafen. Denn darunter muss wohl eine der schrecklichsten Frisuren der Formel-1-Geschichte stecken - ein ziemlich verunglückter Irokesen-Schnitt. Raus kam das nur nicht, weil er zum Schluss des Rennens seinen dritten Platz verlor. Sonst hätte er die Kappe bei der Hymne abnehmen müssen. Gut gelaunt dürfte er trotzdem sein: Dass Red Bull ihn unbedingt als Vettel-Nebensitzer will, Lotus ihn aber um jeden Preis halten möchte, steigert nur den Marktwert. Im Pokern ist der 33-Jährige Profi gut und setzt noch einen oben drauf: "Ich bin so frei, dass ich auch aufhören könnte."

7 / 10

Zehn Zylinder der Formel 1:Williams-Team

British Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Williams-Team: Was cleveres Eigen-Marketing ist, lebt der kriselnde Williams-Rennstall vor. In Anbetracht der sportlichen Leistungen schien eine reguläre Schampusdusche beim britischen Grand Prix höchst unwahrscheinlich (was sich in den Plätzen elf und zwölf für Pastor Maldonado und Valtteri Bottas auch bestätigte). Aber kurzerhand wurde die eigentlich erst am Nürburgring fällige Feier für den 600. Grand Prix des Teams vorgezogen - und deshalb kamen die Formel-1-Urgesteine in den Genuss eines einmaligen Sponsorvertrags mit einer Edel-Champagner-Marke. Begossen wurden 114 Siege und 16 WM-Titel, ertränkt wurde der aktuelle Punktestand nach acht Rennen: Null. Aber was lernte Claire Williams doch von ihrem Vater Frank: "Schaue nie zurück."

8 / 10

Zehn Zylinder der Formel 1:Mark Webber

Red Bull Formula One driver Webber of Australia throws his cap to the crowd after coming second in the British Grand Prix at the Silverstone Race circuit

Quelle: REUTERS

Mark Webber: Der Mann unter den Buben, demnächst 37 Jahre alt, wollte das am schlechtesten gehütete Geheimnis der Branche nicht mehr für sich behalten. Der Australier wird nach elf Formel-1-Jahren, die letzten fünf davon als gedemütigter Knappe von Sebastian Vettel, zum Jahresende in die Sportwagen-WM wechseln - zum neuen Porsche-Werksteam. Red Bull erwischte er mit der zu diesem Zeitpunkt unerwarteten Ankündigung auf dem falschen Fuß, so dass Vettels wichtigste Mission neben der Rennstrecke jene wurde: "Es darf jetzt keine Unruhe entstehen." Webber bewies auf den 52 Runden, wozu er sonst noch im Stande ist: Nach verbocktem Start und Rückfall auf Rang 17 wurde er noch Zweiter. Und war trotzdem sauer, weil er sicher war, Nico Rosberg noch abzufangen.

9 / 10

Zehn Zylinder der Formel 1:Sebastian Vettel

-

Quelle: AFP

Sebastian Vettel: Zehn Runden bis zum Maximalergebnis von 25 Punkten, zum vierten Sieg im achten Rennen, zu einer - zumindest in diesem Sommer - nicht mehr einholbaren WM-Führung. Und dann schaltet er hoch, und runter, aber das Getriebe reagiert nicht mehr. Der Red-Bull-Rennwagen, mit dem er das Rennen wie gewöhnlich in Champion-Manier regiert hatte, ist stillgelegt. Vettel schließt die Augen, als er sich aus dem Cockpit quält. Was er da wohl alles hat schwinden sehen? Er gibt sich gelassen, seltsam. Das hat vielleicht mit der zunehmenden Reife zu tun - am Mittwoch wird er ja schon 26 Jahre alt. Selbst sein künftiger Teamkollege scheint ihm egal: "Wer auch immer da kommt - am Ende des Tages willst du dich immer selbst herausfordern." Hochschalten, wie gewohnt.

10 / 10

Zehn Zylinder der Formel 1:Paul Hembery

F1 Grand Prix of Great Britain - Qualifying

Quelle: Getty Images

Paul Hembery: Die Runde, die da im Truck direkt hinter der Boxengasse tagte, bestimmt über Wohl und Wehe der Formel 1: Verbandspräsident Jean Todt, Rennleiter Charlie Whiting und der Pirelli-Sportdirektor berieten direkt nach dem Reifendesaster in Mittelengland über Sofortmaßnahmen, übermorgen soll das in noch größerer Runde geschehen. Der Gummi-Mann versteht die Rennwelt sowieso nicht mehr: Die Formel 1 hatte ausdrücklich die weniger haltbaren Pneus gewünscht, damit es mehr Spannung gibt. Und als einige Rennställe nicht damit zurechtkamen, hatten die Italiener sofort eine neue Reifengeneration gebracht. Doch die muss im Lager bleiben, weil sich die verfeindeten Teams nicht auf einen vorgezogenen Einsatz einigen konnten. Noch ein paar Pannen, und Pirelli zieht sich zurück. "Dann", unkt das Branchenblatt autosport, "fährt man wohl auf Reifen von Fred Feuerstein."

© Süddeutsche.de/ebc/rus
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: