Zehn Zylinder der Formel 1:Ultimative Genugtuung für den Unterlegenen

Der ehrgeizige Sebastian Vettel freut sich nach einer miserablen Saison sogar über einen zweiten Platz. Nico Rosberg flüchtet nach dem Verlust der WM-Tabellenführung nach Thailand. Felipe Massa feiert ein trauriges Jubiläum. Die Höhepunkte vom Großen Preis von Singapur in der Formel-1-Kolumne.

Von Elmar Brümmer, Singapur

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Romain Grosjean

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Quelle: AP

Der stets ehrgeizige Sebastian Vettel freut sich nach einer miserablen Saison sogar über einen zweiten Platz. Nico Rosberg flüchtet nach dem Verlust der WM-Tabellenführung nach Thailand. Felipe feiert ein trauriges Jubiläum. Die Höhepunkte vom Großen Preis von Singapur in der Formel-1-Kolumne.

In der Formel 1 darf Romain Grosjean hauptsächlich deshalb mitmachen, weil der französische Staatskonzern Renault auch einen einheimischen Fahrer braucht - wie praktisch, dass der Bankierssohn aus Genf zumindest eine französische Fahrerlizenz besitzt. Grosjean aber wäre froh, wenn im Heck seines Lotus endlich der gewünschte Mercedes-Motor stecken würde. In der Qualifikation von Singapur schied er vorzeitig aus, weil dem Aggregat mal wieder die Power ausging. Auf Straßenenglisch machte er seiner Wut über die verkorkste Saison Luft: "Drecksmotor! Drecksmotor! Und dafür riskieren wir alles!?" Später ergänzte der Lotus-Pilot etwas sanfter: "Alles was ich mir wünsche, ist eine perfekte Runde." Im Rennen landete er auf Rang 13, richtig glücklich war er auch damit nicht.

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Das dritte Formel-1-Auto

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Quelle: AFP

Vier Formel-1-Teams, Caterham, Marussia, Lotus (im Bild: Pastor Maldonados Wagen nach einem Trainingsunfall) und Sauber plagen derzeit große finanzielle Sorgen. Noch ist nicht sicher, ob alle Betroffenen den Rennwinter überleben. Deshalb muss Bernie Ecclestone Vorsorge treffen, schließlich hat er den Veranstaltern und TV-Anstalten ein Starterfeld von 16 Autos garantiert. Bei nur noch acht Rennställen wäre die Untergrenze erreicht. Deshalb sollen die vier größten Teams von 2015 an jeweils ein drittes Auto einsetzen, ein entsprechendes Abkommen sei schon unterzeichnet. Und Streit gibt es auch bereits: Mercedes rechnet 30 Millionen Euro Extrakosten hoch, und Claire Williams vom gleichnamigen Traditionsrennstall beklagt: "Das ist nicht mehr die DNA unseres Sports." So ist das aber, wenn es ums nackte Überleben geht.

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Daniel Ricciardo

Red Bull Formula One driver Ricciardo of Australia smiles as he talks to journalist after the qualifying session at the Singapore F1 Grand Prix at the Marina Bay street circuit in Singapore

Quelle: REUTERS

Ein kurviger Stadtkurs am Äquator wie der Marina Bay Street Circuit fordert den Rennfahrern alles ab, unter anderem bis zu vier Liter Flüssigkeit. Trotzdem will Daniel Ricciardo, auf Anhieb Publikumsliebling in Singapur, keine der 1400 Kurven missen - auch wenn der dritte Rang für den Aufsteiger der Saison diesmal bedeutete, einen Platz hinter Teamkollege Sebastian Vettel zu landen. Ricciardo redet sich dafür in Ekstase, wenn er an den sportlichen Straßenkampf von Singapur denkt: "Es ist eine ganz besondere Strecke. Je näher man sich den Betonwänden nähert, je mehr will man in der nächsten Runde riskieren. Dieser Grand Prix bringt aus uns heraus, warum wir Formel-1-Rennen fahren - wir brauchen diesen Adrenalinschub, das Tempo, das Spiel mit dem Feuer."

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Der Boxenfunk

F1 Grand Prix of Singapore - Qualifying

Quelle: Getty Images

So wie die Sprachlosigkeit über Nacht verordnet worden war, so verschwand sie auch wieder im Dunklen. Weshalb Fernsehzuschauer wie Konkurrenten auch beim 14. WM-Lauf mitlauschen durften, was sich Fahrer und Ingenieure (im Bild: Mercedes-Rennchef Toto Wolff) zum Zustand des jeweiligen Rennwagens und der Lage im Rennen zu sagen hatten. Die Radikal-Reform zum Boxenfunk wurde nach heftigen Protesten der Teams in Singapur zurückgenommen. Weltverbandspräsident Jean Todt und Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone hatten mit dem erzwungenen Schweigegelübde den Eindruck abschwächen wollen, dass die Rennfahrer ferngesteuert sind. Aber die Piloten mit der komplizierten Hybridtechnik alleine zu lassen, das schien als Sicherheitsrisiko dann doch zu groß zu sein. Also ist nun das verboten, was die meisten Piloten sowieso nicht brauchen: Fahrtipps.

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Pascal Wehrlein

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Quelle: AFP

Als dritter Mann in der Formel 1 ist man in etwa so nützlich wie ein Ersatzreifen im Kofferraum. Aber es kann auch die Erfüllung eines Lebenstraums sein, mit 19 Jahren schon. Wie im Fall von Pascal Wehrlein, Herkunft Mauritius, Wohnort Sigmaringen. Wehrlein ist die neue Nummer drei bei Mercedes, offizieller Test- und Ersatzpilot. Außerdem ist Wehrlein, der kürzlich sein erstes DTM-Rennen gewonnen hat, auch eine Nummer eins: der erste Fahrer nämlich, der zum neuen Junior-Team des Stuttgarter Konzerns gehört. Mercedes will sich seinen Formel-1-Nachwuchs selbst heranziehen, wie Anfang der Neunziger: Da schafften es Michael Schumacher, Heinz-Harald Frentzen und Karl Wendlinger als Azubis in die Königsklasse. An Vorbildern mangelt es Wehrlein also nicht. Immerhin: Beim ersten Einsatz durfte er auf dem Siegerfoto von Mercedes posieren.

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Sebastian Vettel

Sebastian Vettel, Formel 1, Singapur, Lewis Hamilton

Quelle: REUTERS

Sieben Runden vor Schluss folgte die ultimative Genugtuung für Sebastian Vettel, den Schnellsten Heppenheims, der nicht mehr der Schnellste der Formel 1 ist. Mehr als die Hälfte des Rennens, dazu die entscheidende, musste er auf runtergefahrenen Reifen bestreiten. Er tat das bravourös, und sieben Runden vor Schluss wurde er dann tatsächlich mit den ersten Führungskilometern des Jahres belohnt. Das Vergnügen in Runde 53 war zwar ein kurzes, der mit frischen Pneus vom Pflichtboxenstopp hinterherjagende Lewis Hamilton schnappte Vettel in einem Radikalmanöver. Doch Vettel, ehrgeizig wie eh und je, war viel zu gut gelaunt, um sich zu ärgern: "Stellen Sie sich vor, sie sitzen in einem Fiat Panda und hinter ihnen kommt ein Porsche 911. Sie können ja mal versuchen, sich zu wehren ..." - die Unterlegenheit ist freilich nicht Vettels Schuld, sondern die von Renault oder Red Bull. Und deshalb gehört die Genugtuung für den zweiten Platz, seine beste Saisonplatzierung, Vettel allein.

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Lewis Hamilton

Singapore Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Er guckt nicht mehr nach links, nicht mehr nach rechts, nur noch geradeaus. Nico Rosberg scheint er dabei zu übersehen. Das Lächeln ist wie immer, die Höflichkeit auch, aber irgendetwas ist anders am neuen WM-Tabellenführer. Seit dem Crash mit Rosberg in Spa scheint sein inneres Momentum noch stärker ausgeprägt zu sein als bisher, was allerdings eine drastisch erhöhte Drehzahl bedeuten würde. Da spürt einer, was für ihn drin ist. Da fühlt sich einer wohl mit der Situation, die im Englischen als "make or break" treffend beschrieben wird. Da ist Lewis Hamilton plötzlich wieder er selbst. Keine Ablenkung mehr. Sieg Nummer sieben, das zeigte sein im Sprung aufs Podest gezeigtes Victory-Zeichen, bedeutet ihm gerade mehr als der Gedanke an einen zweiten WM-Titel. Die Kraft des Moments hat ein Gesicht.

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Nico Rosberg

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Quelle: AFP

An bösen Omen hat es nicht gemangelt. Der rote Mercedes-Oldtimer, mit dem Nico Rosberg - noch als WM-Führender - zur Publikumsrunde antrat, musste angeschoben werden. Auch der Renn-Silberpfeil sprang nicht an, wurde in die Boxengasse geschoben. Das Rennen hatte Rosberg verloren, bevor es los ging. Und in Runde 14, als beim ersten Stopp nach 70 Sekunden Standzeit dann gar kein Gang mehr ging, war Schluss mit der öffentlichen Demütigung. Ein Kabelbruch in der Lenksäule kostet ihn, erst zum zweiten Mal in diesem Jahr, den Spitzenplatz in der Gesamtwertung. Nach den vier wohl schlimmsten Wochen seiner Saison braucht er jetzt vor allem eins: Ruhe. Bis zum Rennen in Japan flüchtet er deshalb mit Frau Vivienne nach Thailand.

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Felipe Massa

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Quelle: AP

Es ist ein Jubiläum, an dass Felipe Massa, lange Jahre treuer Adjudant von Michael Schumacher und Fernando Alonso bei Ferrari, sicher nicht erinnert werden möchte. Aber es muss sein: Der fünfte Platz bei der Nachtschicht markiert den 100. Grand Prix in Serie, dem der 33-Jährige nicht gewann. Einen Sieg hatte der Brasilianer zuletzt im Saisonfinale 2008 in seiner Heimatstadt São Paulo geholt - in einem tragischen Rennen. Massa war bis zur letzten Kurve Weltmeister, dann schnappte ihm Lewis Hamilton den Titel durch die bessere Punktzahl noch weg. Immerhin, ein offizieller Trost bleibt: Durch seinen 205. Grand-Prix-Start zieht er in der ewigen Ausdauerliste an seinem Landsmann Nelson Piquet vorbei auf Rang 13. Allerdings war Piquet in seiner Karriere auch drei Mal Champion.

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Ferrari

F1 Grand Prix of Singapore

Quelle: Getty Images

Selten hat man sich im Fiat-Konzern wohl so sehr einen drittenPlatz gewünscht wie beim Äquator-Grand-Prix in Singapur. Ferrari-Pilot Fernando Alonso (im Bild) lag dann auch lange auf genau jenem Podiumskurs, der nach dem verkorksten Heimrennen in Monza und dem Rücktritt von Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo Italiens wunde Automobilseele etwas gesalbt hätte. Aber ein Ausritt in der ersten Kurve und ein zusätzlicher Boxenstopp ließen den Spanier zwar immer wieder heran, aber am Ende doch nicht am Red-Bull-Doppelpack vorbeikommen. Immerhin, da war er sich mit dem ungeliebten Teamchef Marco Mattiacci einig: Die Scuderia erschien endlich wieder so konkurrenzfähig zu sein, um mit den Schnellsten zu kämpfen. Daraus zieht Formel-1-Newcomer Mattiacci folgende Erkenntnis: "Die einzige Strategie, um Siege einzufahren, ist ein wettbewerbsfähiges Auto." Ach ja?

© SZ.de/jkn/rus
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