Zehn Zylinder der Formel 1:Auf Kuscheldistanz

Sebastian Vettel fährt nur um einen mickrigen Punkt am WM-Titel vorbei, Michael Schumacher steigt aus einer zerquetschten Blechmasse namens Mercedes, Lewis Hamilton drängelt erstaunlich dreist gegen Felipe Massa und Timo Glock lernt den Rennfahrergott kennen. Die zehn Zylinder der Formel 1 vom Großen Preis in Singapur.

Jonas Beckenkamp

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Zehn Zylinder der Formel 1:Kamui Kobayashi

Kamui Kobayashi

Quelle: AP

Sebastian Vettel fährt nur um einen mickrigen Punkt am Weltmeister-Titel vorbei, Michael Schumacher steigt aus einer zerquetschten Blechmasse namens Mercedes, Lewis Hamilton drängelt erstaunlich dreist gegen Felipe Massa und Timo Glock lernt den Rennfahrergott kennen. Die zehn Zylinder der Formel 1 vom Großen Preis von Singapur.

Von Jonas Beckenkamp

Kamui Kobayashi ist Formel-1-Fahrer und kein Schwebekünstler. Diese Feststellung mag für eingefleischte Betrachter des Rennsports wenig überraschend klingen, aber wer den Japaner im Qualifying über die Piste fliegen sah, konnte beinahe anderes annehmen. Wie ein abhebender Düsenjet polterte der Sauber des Japaners durch eine Kurve, nachdem er durch einen Aufprall auf die Streckenbegrenzung die Bodenhaftung verloren hatte. Spektakulär sah es aus, wie der Pilot in seinem Fahrzeug über dem Asphalt schwebte und eine bedenkliche Schlagseite bekam. Doch es blieb beim Schrecken. Weil Kobayashi aus einer Biegung heraus in diese Schieflage geraten war, flog er nicht allzu schnell und prallte in gemäßigtem Tempo in einen Reifenstapel. In Mitleidenschaft wurde bei diesem Stunt nur das Auto des Crash-Piloten gezogen - ein Glück, denn mit dem Fliegen kennt sich der Rennfahrer Kamui Kobayashi eigentlich nur bedingt aus.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Timo Glock

Formel 1 - GP Singapur - Glock

Quelle: dpa

Es lief die zweite Phase des Qualifyings, als Timo Glock sich auf Karambolage-Kurs begab. Der 29-Jährige spürte in seinem Windschatten den schnelleren Mark Webber, der bereit zum Überholen schien. Um dieses Manöver des Australiers in der nächsten Kurve zu unterbinden, lenkte Glock seinen Virgin nach links und touchierte den Red Bull seines Kontrahenten mit dem Hinterrad. Es staubte, krachte und plötzlich war Webbers Fahrzeug um ein paar elementare Teile seines Frontflügels kürzer. "Ich weiß nicht, was passiert ist," ließ Glock sein Team über den Boxenfunk wissen - und deutete damit an, dass er sich nicht als Täter in dieser haarigen Angelegenheit sah. Dass es vielleicht doch einen Rennfahrergott gibt, offenbarte sich dann zu Beginn des Grand Prix: Diesmal schmiegte sich Daniel Ricciardo mit seinem HRT zu nah an das Auto des Deutschen an und sorgte damit für dessen frühen Ausfall. Zumindest kann man Glock nach diesem Rennen keine Berührungsängste mit Australiern nachsagen, denn: auch Ricciardo stammt aus "Down Under".

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Zehn Zylinder der Formel 1:Michael Schumacher

Mercedes Formula One driver Schumacher gets out of his car after he crashed during the Singapore F1 Grand Prix at the Marina Bay street circuit in Singapore

Quelle: REUTERS

Eine unangenehme Kollision erlebte unter der Skyline in Singapur auch Michael Schumacher. 30 Runden waren gefahren, als sich der Mercedes des siebenfachen Weltmeisters bis auf Kuscheldistanz dem Sauber von Sergio Perez näherte. Dann ereilte den jungen Lateinamerikaner eine plötzliche Entdeckung der Langsamkeit, was einen spektakulären Auffahrunfall zur Folge hatte: Schumacher stieß an das Heck des WM-Neulings und setzte mit seinem Boliden zu einer beängstigenden Flugnummer an, die an Kobayashis Düsenjet-Aktion erinnerte - zwar war Schumacher deutlich schneller unterwegs als der Japaner, aber er segelte eben nicht wie ein Blatt Papier durch die Luft, sondern plumpste sofort wieder hart auf den Asphalt. So endete dieser Crash glimpflich, indem der Deutsche seinen Wagen in die Absperrung steuerte und aus der zerquetschten Blechmasse unverletzt aussteigen konnte. "Perez fuhr eine komische Linie, ich war überrascht, dass er so früh vom Gas ging und wollte dazwischen durchstechen," erklärte Schumacher später - und dürfte sich deshalb gewundert haben, dass er für seine Aktion von den Rennkommissaren verwarnt wurde. 

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Zehn Zylinder der Formel 1:Paul Di Resta

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Quelle: AFP

Nanu? Paul Di Resta auf Platz fünf? Sieben Runden vor Ende des Grand Prix von Singapur hatte sich von allen unbemerkt der Schotte im Force India beträchtlich weit nach vorne geschlichen, während Nico Rosberg und sogar Lewis Hamilton sich noch dahinter befanden. Der junge Brite, in den drei vorangegangenen Rennen immerhin einmal Siebter und einmal Achter, kurvte seelenruhig über den Parcours und hätte er seine Hände nicht am Steuerrad gehabt, er hätte sie sich wohl vorfreudig gerieben über seinen nahenden Coup - ganz nach dem Motto: Wenn sich alle streiten, freut sich Paul Di Resta. Dabei ist sein Auto denen der Spitzenfahrer weit unterlegen. Das erkannte schließlich auch Hamilton, der seine deutlich höhere Geschwindigkeit doch noch zu einem lockeren Überholmanöver nutzte. Wäre auch zu schön gewesen, wenn Di Resta Fünfter geworden wäre, weil ihn alle anderen einfach übersehen. So feierte er mit Platz sechs sein bisher bestes Grand-Prix-Ergebnis - unbemerkt dürfte er bald nicht mehr bleiben.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Lewis Hamilton

McLaren Formula One driver Hamilton arrives for the Singapore F1 Grand Prix at the Marina Bay street circuit in Singapore

Quelle: REUTERS

Wenn ein Formel-1-Pilot wortlos durch die Boxengasse stapft, dürfte klar sein, dass Stunk im Verzug ist. Lewis Hamilton ist so etwas wie ein Evergreen im Beleidigtsein, denn bei dem risikofreudigen Briten geht häufig mal was schief. So auch an diesem Wochenende: Er wollte wieder einmal zu viel. Wie der ehemalige Weltmeister im Rennen Felipe Massa attackierte, war schon erstaunlich dreist. Weil er an dem Brasilianer vor der Einfahrt in eine Kurve nicht vorbeikam, rammte er diesen kurzerhand von hinten und schlitzte mit seinem Frontflügel dessen rechten Hinterreifen auf. Hamiltons erneute Unbeherrschtheit war kaum zu fassen, hatte er doch keine Chance, seinen Widersacher wirklich zu überholen. Eine ähnliche Rambo-Nummer hatte sich der McLaren-Pilot übrigens bereits in Monaco geleistet - auch damals hatte er völlig unmotiviert Massa abgedrängelt.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Felipe Massa

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Quelle: AFP

Dass Felipe Masse wegen Lewis Hamiltons Kamikaze-Aktion "not amused" war, ist nur allzu verständlich. "Der hört einfach nicht! Der versteht's nicht. Er hat mir schon wieder das Rennen kaputtgemacht. Er versucht immer, Superman zu spielen. Er zahlt dauernd dafür, aber er lernt's einfach nicht," echauffierte sich der Ferrari-Mann aus Brasilien. Der Versuch einer Aussprache direkt nach dem Rennen sei vergeblich gewesen, erklärte Massa, der schon nach dem Zwischenfall in Monaco harte Strafen für Hamilton gefordert hatte: "Ich habe versucht, mit ihm zu reden, aber er hört einfach nicht." TV-Kameras fingen ein, wie Massa Hamilton in der Boxengasse auf die Schulter klopfte und offenbar mit der spöttischen Bemerkung "Guter Job, wirklich guter Job" vorbeiging. Hamilton schaute zunächst erstaunt und schimpfte Massa anschließend hinterher - der dürfte auf ein gemeinsames Friedens-Bierchen bald keine Lust mehr haben.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Sebastian Vettel

Singapore Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Der Weltmeister hatte alles versucht, um die Rechenschiebereien um seine hypothetische Titelverteidigung im Keim zu ersticken. "Ich fahre einfach das Rennen. Rechnen könnt ihr ja," hatte Sebastian Vettel vor dem GP von Singapur den Journalisten erklärt, als man von ihm wissen wollte, ob er denn schon mit dem Titel plane. Und wie so oft, blieb sich der Heppenheimer treu. Er lieferte ein glänzendes Rennen ab, führte das Feld nach Belieben an, gewann überlegen und verfehlte den erneuten WM-Gewinn am Ende - das haben findige Rechenfüchse längst auskalkuliert - um einen mickrigen Punkt. Diesen einen Zähler gilt es für Vettel nun aus den verbleibenden fünf Rennen zu holen. Es gab wahrlich schon schwierigere Aufgaben, also machen wir uns nichts vor: Vettel ist quasi wieder Weltmeister. Aber wagemutige Prophezeiungen waren eben noch nie sein Ding und so teilte der baldige Doppel-Weltmeister mit seinem gewohnten Siegerlächeln mit: "Mit der Meisterschaft hat es heute nicht ganz geklappt, aber die Chancen stehen gut, dass es im nächsten Rennen klappt."

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Zehn Zylinder der Formel 1:Jenson Button

Singapore Formula One Grand Prix

Quelle: dpa

Am Ende war er der Einzige, der Sebastian Vettel noch halbwegs folgen konnte. Während die anderen WM-Konkurrenten Alonso, Hamilton und Webber zu Beginn ihre Probleme hatten, gelang es Button dank seines guten Starts zumindest teilweise, die Rücklichter des weltmeisterlichen Red Bull im Visier zu behalten. So belohnte sich der Brite mit einem starken Rennen, das für ihn letztlich mit Platz zwei über die Bühne ging. Damit ist der McLaren-Mann so etwas wie der "Last Man Standing" im schier aussichtslosen WM-Kampf - nur er kann Vettels zweiten Titelgewinn noch verhindern, wenn er ... nun ja, alles gewinnt, während der Deutsche alles verliert. Das dies nicht passieren wird, dürfte Button selbst wissen. Dennoch war er nach dem Rennen einer der wenigen Zufriedenen an diesem ereignisreichen Tag. Er hatte sein Bestes gegeben - gegen diesen Sebastian Vettel ist das schon ein Grund, sich zu freuen.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Fernando Alonso

F1 Grand Prix of Singapore - Race

Quelle: Getty Images

Zugegeben, die Chancen standen für ihn ohnehin nicht mehr allzu rosig. Die vielen Eventualitäten, die ihm noch einen letzten Angriff auf Sebastian Vettel ermöglicht hätten, hatte der Spanier selbst schon eingeräumt - vor dem Rennen in Singapur. "Vettel fährt einfach zu gut. Wir werden weiter versuchen, anzugreifen und aggressiv zu sein, um Rennen zu gewinnen", sagte Alonso: "Die Tour de France können wir nicht mehr gewinnen, aber einzelne Etappen." Diese Ausführungen des früheren Doppel-Weltmeisters (2005, 2006) klangen schon arg nach Aufgabe. Was dann zum Start des Rennens passierte, unterstrich diese Annahme nachhaltig: Alonsos Ferrari schlich voran wie die ewig trödelnde Schildkröte Tranquilla Trampeltreu - und gleich mehrere Autos sausten an ihm vorbei. Davon erholte sich der 30-jährige Asturianer nicht mehr. Er wurde Vierter und muss endgültig einsehen, dass er dieses Jahr weder die Tour de France noch die Formel-1-WM gewinnen wird.

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Zehn Zylinder der Formel 1:Mark Webber

F1 Grand Prix of Singapore - Race

Quelle: Getty Images

Es war kein schlechtes Wochenende für Mark Webber. Er war trotz der Rempel-Attacke von Timo Glock im Qualifying von Platz zwei gestartet, fuhr ein solides Rennen und wurde schließlich Dritter. Doch wer den ehrgeizigen "Aussie" kennt, der weiß, dass er für sich höhere Aufgaben im Sinn hat. Zum Beispiel den WM-Titel. Doch damit wurde es in der Vergangenheit noch nichts und auch in diesem Jahr verschwinden sämtliche Pläne diesbezüglich erst einmal wieder in der Schublade der großen Wünsche. Dass er kürzlich bei Red Bull verlängerte, wird er sich gut überlegt haben - auch wenn in naher Zukunft nicht zu erwarten ist, dass er neben Vettel bald als ebenbürtiger Titelkandidat seine Runden drehen darf. Immerhin, Platz drei in Singapur eroberte Webber, weil Alonso mit Bremsproblemen kämpfte. Es muss ja nicht immer die eigene Stärke sein, die einen nach oben trägt.

© sueddeutsche.de/jbe/hum
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