Zehn Geschichten aus der zweiten Liga:Beim Barte des Unnerstall

Düsseldorf 26 07 2014 Torwart Lars Unnerstall F95 Fortuna Düsseldorf Wigan Athletic

Düsseldorfs Lars Unnerstall trägt den beeindruckendsten Vollbart.

(Foto: imago sportfotodienst)

Die Mannschaftsfotos werden zur Bartschau, viele Auswärtsspiele sind mit dem Fahrrad zu bewältigen und überall spielen Österreicher. Zehn Geschichten zum Start der zweiten Bundesliga.

Von Andreas Babst

Mit dem Fahrrad zum Auswärtsspiel

Die zweite Bundesliga hat sich in eine süddeutsche Regionalliga gewandelt - gleich elf Vereine liegen auf der Höhe von Frankfurt oder südlicher: Kaiserslautern, Darmstadt, Fürth, Sandhausen, Nürnberg, Karlsruhe, Aalen, Ingolstadt, Heidenheim, 1860 München und der FSV Frankfurt.

Das ist toll für die Fans der Klubs, die Auswärtsfahrten fast mit dem Fahrrad bestreiten können. Oder zumindest mit dem Regionalzug. Das ist weniger toll für die Vertreter aus dem Norden wie Braunschweig, Union Berlin und vor allem St. Pauli. Für die Hamburger wird jedes Auswärtsspiel zur Deutschland-Reise. Für Sören Gonther, neuer Kapitän von St. Pauli, ist "die Nationalmannschaft jetzt unser Vorbild". Er meint den Teamgeist in Brasilien. Der war bekanntlich trotz (oder wegen?) der vielen Reiserei hervorragend.

Balgerei beim Testspiel

Testspiele dienen oft dazu, ein wenig Glanz in den Zweitliga-Alltag zu bringen. Ein Gegner von internationalem Format muss her, am besten einer, den Fans und Spieler von Champions-League-Abenden vor dem Fernseher kennen. Gelingt dem Unterklassigen eine Überraschung, wird gefeiert. Nürnberg freut sich über ein 3:1 gegen den FC Valencia, Leipzig über ein 4:2 gegen Paris Saint-Germain und Heidenheim war nach dem 3:4 gegen Borussia Dortmund glücklich - immerhin brachte der Aufsteiger den Favoriten arg in Bedrängnis. Nach dem Test folgt die große Trophäenjagd: Die Leipziger Daniel Frahn und Terrence Boyd balgten sich derart heftig um Zlatan Ibrahimovićs Trikot, dass sich dieser genötigt sah, ein zweites aus der Kabine zu holen. Nicht jedes Testspiel stärkt unbedingt die Teammoral.

Absteiger mit neuem Rekord

Eintracht Braunschweig ist der vielleicht sympathischste Absteiger in der Bundesliga-Geschichte. Der "kleine Pissverein" (Trainer Torsten Lieberknecht) kämpfte bis zum Schluss und blieb fast oben. Jetzt heißt es wieder zweite Liga - den Fans ist es offensichtlich egal: Der Klub verkaufte noch mehr Dauerkarten als in der Vorsaison. Zweiter Absteiger ist der 1. FC Nürnberg. Dort deckt man sich mit neuen Spielern ein. Angreifer Josip Drmić muss ersetzt werden. Und Mike Frantz. Und Hiroshi Kiyotake. Und Marvin Plattenhardt. 14 Zugänge sind zu integrieren. Da wartet viel Arbeit auf den neuen Trainer Valérien Ismaël.

Aufsteiger aus der Provinz

Wo liegt Heidenheim? Der Klub war bis jetzt den meisten Fußball-Interessierten unbekannt. Das soll sich nun ändern, denn aus dem Klub soll eine feste Zweitliga-Größe werden - ohne reichen Mäzen wie bei Mitaufsteiger RB Leipzig, dafür mit 300 Sponsoren aus der Region. Der dritte Aufsteiger aus Darmstadt kommt bodenständig daher. Die einzige Extravaganz ist das Mannschaftsfoto: Das Team posiert vor den architektonisch gewagten Schrägen des lokalen Kongresszentrums mit dem schönen Namen "Darmstadtium".

Berühmter Bruder

Österreicher überall

Nicht nur den Mürztaler Dietrich Mateschitz zieht es in die zweite Bundesliga. Die Anzahl der Österreicher in der Liga ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Mittlerweile tummeln sich derart viele Spieler aus dem Nachbarland in der zweiten Liga, dass jeder Verein einen beschäftigen könnte - 18 sind es bereits. Sie bereichern nicht nur spielerisch, sondern auch durch ihre Nachnamen den deutschen Fußball; nicht ohne Grund unterhielt das Magazin 11 Freunde einst eine Rubrik namens "Österreicher mit Supernamen". Ein kurzer Blick auf die aktuelle Liga-Auswahl genügt, um einen Favoriten zu küren: Marco Knaller vom SV Sandhausen. Der Mann ist leider Torwart.

Vollgas mit der Jugend

"Da geht's Vollgas und los", sagte Frank Kramer auf den Saisonstart angesprochen. Um mit dem vom Trainer vorgegebenen Tempo mithalten zu können, wurde der Kader von Greuther Fürth einer (nicht ganz freiwilligen) Verjüngung unterzogen. 23,1 Jahre beträgt das Durchschnittsalter - das niedrigste der ganzen Liga. Einzig Goran Šukalo hat mehr als drei Jahrzehnte erlebt, er wird bald 33 Jahre alt. Von den restlichen Spielern könnten viele noch für Juniorenmannschaften auflaufen. Da kommen die meisten auch her: aus der eigenen U19, aus der Nachwuchsabteilung von Bundesligisten oder einfach vom Abstellgleis größerer Klubs.

Berühmter Bruder

Der Name eines Weltmeisters findet sich selten in der zweiten Liga. Wenn also ein solcher auftaucht, sollte zuerst einmal der Vorname überprüft werden. Und tatsächlich ist es nicht Sami, sondern Rani Khedira, der neu bei RB Leipzig spielt. Er kam für eine Million Euro vom VfB Stuttgart, wo die Verantwortlichen trotz weltmeisterlichem Nachnamen nicht auf ihn setzten.

Stiller Millionen-Transfer

Normalerweise werden teure Transfers groß inszeniert, schließlich soll ein Teil der Ausgaben durch den Verkauf der Trikots mit dem neuen Namen refinanziert werden. Dass ein Rekordtransfer verschwiegen wird, kommt selten vor. Eigentlich nie. Außer bei RB Leipzig. Dort ist das Kunststück gelungen, den wertvollsten Spieler der zweiten Liga zu verpflichten, ohne dass ein einziges Trikot beflockt wird. Fünf Millionen Euro überwies Leipzig dem RSC Anderlecht für Massimo Bruno. Der 20-jährige Belgier wurde aber nur einen Tag später nach Salzburg ausgeliehen, wo die Chance, international zu spielen, größer ist als in der zweiten Bundesliga. Der österreichische Mateschitz-Klub inszenierte die Ankunft des teuren Mittelfeldspielers dann standesgemäß, Auskünfte über die Besitzverhältnisse wurden aber weggelassen.

Ewige Trainer

Trainer bei einem selbsternannten Aufstiegskandidaten zu sein, ist so eine Sache. Auch wenn das Aufstiegsziel mit den vorhandenen Spielern fast nicht zu erreichen ist, muss bei Misserfolg der Trainer gehen. Düsseldorf beschäftigte vergangene Saison drei verschiedene Übungsleiter, ebenso Kaiserslautern und 1860 München. Als Bundesliga-Absteiger wäre diese Saison eigentlich auch Braunschweig ein solcher Aufstiegskandidat. Klappt es nicht, darf der Trainer wohl trotzdem bleiben - Torsten Lieberknecht ist schon mehr als sechs Jahre im Amt. Den Rekord der Liga hält aber ein anderer: Frank Schmidt, Trainer des 1. FC Heidenheim, ist im September bereits sieben Jahre für die erste Mannschaft verantwortlich. Sein Vertrag läuft bis 2020.

Ein Bart wie ein Wikinger

Seit Andrea Pirlo weiß jeder Fußballer, dass eine wilde Gesichtsbehaarung nicht von Höchstleistungen auf dem Platz abhält. Selbst Franck Ribéry zeigt sich neuerdings mit Vollbart. Die Manschaftsfotos der Zweitligisten beweisen: Auch in der zweiten Liga ist der Trend zum Wildwuchs angekommen. Aufwendige Gesichtsfrisuren sind zur Seltenheit geworden, die Spieler mögen es wild wie das italienische Vorbild. König aller Bartträger der zweiten Bundesliga ist übrigens Lars Unnerstall von Fortuna Düsseldorf - mit seinem Wikinger-Bart stellt er sogar Pirlo in den Schatten.

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