Yuzuru Hanyu gewinnt Gold:Der Herr der Kuscheltiere

Dem Japaner Yuzuru Hanyu gelingt das seltene Kunststück, einen Olympia-Sieg zu wiederholen. Dabei hatte er nach einem schweren Trainingssturz vor drei Monaten gezweifelt, ob er je wieder Schlittschuhe tragen würde.

Von Barbara Klimke

Erst flog ein gelber Plüschbär, dann ein zweiter, ein dritter, ein vierter, bis sie aufs Eis prasselten, als habe jemand die Schleusen zum gelben Bärenhimmel aufgemacht. Scharen von Blumenkindern schwärmten aus, um die Stofftiere aufzuklauben, immer respektvoll den schmalen jungen Mann umkurvend, der auf dem Eis kniete und den Kopf in den Händen barg: Yuzuru Hanyu, 23, Herr über die Kuscheltiere und die aufwühlenden Gefühle, hat in der Gangneung Eis-Arena einen erstaunlichen Doppelsieg vollbracht: Er hat die Herzen und sein zweites Olympiagold erobert.

Bei der Flower-Zeremonie strömten die Zuschauer von den Tribünen an die Bande, um "Yuzu", wie ihn die Japaner nennen, möglichst aus der Nähe zu fotografieren. Manche trugen Haarreife mit Bärenohren, um auf diese Weise ihre Bewunderung für den jungen Künstler zu bekunden, dessen Maskottchen Pu der Bär (Winnie the Puh) ist. Die Verehrung von Hanyu in Japan hatte schon vor seinem Auftritt in Pyeongchang derartige Dimensionen angenommen, dass ihn die New York Times "Michael Jackson auf dem Eis" nannte. Sie dürfte nun noch ein bisschen größer werden, weil er der erste Eiskunstläufer seit dem Amerikaner Dick Button 1952 ist, der im Männer-Wettbewerb seinen Olympiasieg verteidigte.

Er sei sehr glücklich, sagte Hanyu. Und weil er ein höflicher Mensch ist, hat er nach dem Wettkampf zunächst dem Zweit- und Drittplatzierten, seinem Landsmann Shoma Uno und dem spanischen Trainingskollegen Javier Fernandez, seine Hochachtung ausgesprochen und dann allen Konkurrenten, allen Trainern, allen Zuschauern und sogar den Organisatoren der Spiele in Südkorea gedankt. Er freue sich, "diese Erfahrungen mit Ihnen allen teilen können".

Bemerkenswert war nicht nur seine stille Freude und Zurückhaltung im Moment des Triumphs, sondern die Art, wie er zustande kam. Hanyu hatte sich vor drei Monaten bei einem Sturz im Training nach einem verunglückten Vierfachsprung eine schwere Knöchelverletzung zugezogen, betroffen waren Sehnen, Knochen, der gesamte Bandapparat. Lange blieb unklar, ob der beste Eisläufer der Gegenwart - manche halten ihn für den besten der Geschichte - in Pyeongchang würde antreten können. Er selbst gab am Samstag zu, dass es Momente gab, in denen er zweifelte, ob er jemals wieder Schlittschuhe tragen würde; der Fuß musste wochenlang ruhiggestellt werden.

Hanyu gewinnt die 1000. Goldmedaille der Olympischen Spiele der Neuzeit

Drei Wochen vor Beginn der Winterspiele ist er das erste Mal wieder einen dreifachen Axel gesprungen. Zwei Wochen vor Beginn der Winterspiele trainierte er wieder Vierfachsprünge. Dann übernahm er am Freitag schon in der Kurzkür die Führung. Und am Samstag in der Kür zur Filmmusik "Seimei" streute er, um es für die Nachwelt festzuhalten, folgende Elemente ins artistische Programm: Vierfach-Salchow, Vierfach-Toeloop, Dreifach-Flip, Kombination aus Vierfach-Salchow und Dreifach-Toeloop, Vierfach-Toeloop, Kombination aus Dreifach-Axel und Doppel-Toeloop, Dreifach-Rittberger, Dreifach-Lutz. Nur den letzten hätte er beinahe verstolpert. Von der Jury erhielt er in der Gesamtwertung 317,85 Punkte, elf mehr als der 20-jährige Shoma Uno, der hinterher erklärte, es gebe Gründe, weshalb er Hanyu als Idol verehrt. Es passte zum Vortrag, dass sich Hanyu die 1000. Goldmedaille der Olympischen Spiele der Neuzeit verdiente.

Anschließend räumte er allerdings ein, dass die Verletzung noch nicht vollständig verheilt sei; seine Teilnahme an der WM in Mailand im März ist demnach ungewiss.

Nach Mailand weiterreisen wird auf jeden Fall der Berliner Paul Fentz, 25, der abschließend Rang 22 belegte, mit seiner Kür zur Musik der siebten TV-Staffel von "Game of Thrones" aber nicht ganz zufrieden war. Beim Vierfach-Toeloop, seinem einzigen Sprung dieser Kategorie, fehlte eine Umdrehung. Den Doppel-Axel sprang er nur einfach. "Das ärgert mich maßlos", sagte er. Der Sportdirektor der Deutschen Eislauf Union, Udo Dönsdorf, der zwei Tage zuvor ein staunenswertes Goldmedaillenprogramm der Paarläufer bejubeln durfte, merkte kritisch an, dass es Fentz am Kampfgeist von Aljona Savchenko und Bruno Massot fehlte: "Er hatte nichts zu verlieren, da erwarte ich, dass er etwas riskiert." Keine Plüschtiere also für Fentz.

Die gelben Pu-Bären von Hanyu lagen am Ende hinter der Bande, säckeweise ordentlich verpackt. Er werde damit verfahren wie immer, erklärte der Mann, dem die Herzen und Kuscheltiere zufliegen, er wird sie den Gemeinden von Pyeongchang und Gangneung schenken. Und dann sagte er noch: "Mit den Geschenken habe ich ja auch die Emotionen der Menschen empfangen."

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