X-Games in München:Knochenbrüche sind fast schon normal

A skateboarder competes at the Mini Mega competition during the 2013 X-Games at Jiangwan Stadium in Shanghai

Bodenlos: Skateboarder bei einem Actionspektakel in Shanghai.

(Foto: Reuters)

Wenn die X-Games kommende Woche erstmals in München gastieren, geht es auch um die Sicherheit der Athleten. Wie gefährlich das Actionspektakel sein kann, zeigt der Fall Caleb Moore: Der Amerikaner verunglückte im Januar bei den Winterspielen tödlich.

Von Sebastian Winter

Paris Rosen hatte den Vorwärtssalto einfach nicht mehr geschafft. Bei den Sommer-X-Games war der Freestyle-Motocrosser 2010 in Los Angeles vor Tausenden Zuschauern eine mächtige Schanze hinaufgerast, irgendetwas ging dann schief, sein Motorrad drehte sich zu langsam. Rosen und sein Gefährt landeten hart auf dem Boden, der Pilot rührte sich zunächst nicht mehr. Die Diagnose im Krankenhaus lautete: Leberriss, Knorpelbruch, Bruch der unteren Lendenwirbelsäule im Bereich des Beckens, Lungenquetschung und zahlreiche Abschürfungen und Prellungen.

Dieser Unfall ist knapp drei Jahre her. Auf der Videoplattform Youtube kann man ihn noch einmal quasi live miterleben, eine Sequenz des übertragenden Senders ESPN - der die X-Games 1995 erfand und seither vermarktet - zeigt ihn in allen Facetten. Knapp 800.000 Menschen haben sich den Mitschnitt auf Youtube angesehen, manche haben ihn kommentiert und weitergeleitet. Sie waren somit gewissermaßen auch Werbeträger für das Actionspektakel. Wobei die Frage ist, ob solche Stürze Werbung sind oder eher imageschädigend.

Es gibt viele ähnliche Fälle, auch schlimmere. Und wenn vom 27. Juni an die X-Games erstmals in München gastieren, dann geht es auch um diese Frage, und um die Sicherheit der Athleten. Immerhin rasen sie mit ihren Mountainbikes, Skateboards oder Motocross-Maschinen in manchen Wettbewerben Schanzen hinauf wie Rosen und vollführen in der Luft atemberaubende Kunststücke.

Dieser Aspekt ist in den vergangenen Monaten noch mehr in den Mittelpunkt gerückt. Ende Januar starb der 25-jährige US-Amerikaner Caleb Moore bei der Wintervariante des Spektakels, als sein 200 Kilogramm schweres Schneemobil nach einem missglückten Rückwärtssalto auf ihn krachte. Moore ist der erste X-Games-Tote überhaupt. Ende Februar erlag der japanische Motocrossfahrer Eigo Sato seinen Verletzungen nach einem Sturz, den er sich beim Training für seine neunte "Red Bull X-Fighters"-Saison, eine weitere Extremsport-Serie, zugezogen hatte. Erst kürzlich hatte die ARD in der Fernsehdokumentation "Die dunkle Seite von Red Bull" über acht Todesfälle von Extremsportlern berichtet, die bei dem Konzern unter Vertrag standen.

Nyiah Huston, einer der besten Skateboarder der Welt, findet den Skateboard-Kurs in München erst einmal "cool". Doch auch der 18-jährige US-Amerikaner weiß, dass er in seiner Disziplin "Street League" bei einem kleinen Fehler direkt auf den harten Beton prallt, wenn er mit seinem Board an den Schuhen Treppengeländer hinunterrutscht und waghalsige Sprünge zeigt. Knochenbrüche sind fast schon normal, auch wenn Huston bislang verschont geblieben ist.

"Vor zehn Jahren war es noch nicht nötig, Hindernisse zu fahren, die wir heute fahren. Jetzt sieht man alle Typen, auch richtig gefährliche. Wenn du den Contest gewinnen willst, dann musst du alles fahren", sagt Huston.

Der Schweizer Motocross-Freestyler Mat Rebeaud, einer der ganz Wagemutigen, die auch mal nur mit den Händen in 15 Metern Höhe an ihrem Motorrad hängen, äußert sich bei einer X-Games-Pressekonferenz am Mittwoch im Olympiapark so: "Ich bin Profi, da gehört das dazu. Aber lassen Sie uns nicht über meine Verletzungen sprechen."

Das sagt viel aus über eine Szene, die das Risiko liebt, aber auch unter einem gewaltigen Druck steht. Das junge Publikum möchte für den Eintrittspreis Spektakel sehen, die Bilder sollen um die Welt gehen - am besten mit den Sponsorenlogos der individualistischen Szene. Sie werden üppig entlohnt: Beim Mountainbike-Slopestyle teilen sich die 16 Athleten ein Preisgeld von 50.000 Dollar - der Sieger erhält 20.000.

Tarek Rasouli hat den Mountainbike-Parcours am Olympiaberg erstellt. Er hat die Ursprungsversion etwas adaptiert, eine Schanze verkleinert, auch weil die Athleten das wollten. "Wir haben uns ihr Feedback geholt", sagt Rasouli. In die Strecke ließ er Matten und Schaumstoffkonstruktionen und eine spezielle, weiche Erde einarbeiten. "In meiner Zeit ging es einfach nur um das Höher, Schneller, Weiter. Jetzt stehen eher Tricks und Geschicklichkeit im Vordergrund." Rasouli, ein früherer Star der Freerider-Szene, ist seit einem BMX-Unfall querschnittgelähmt.

Das Organisationskomitee betont, dass die Athleten "keine Stuntmen oder Draufgänger" seien: "Sie sind Vollprofis, die nur kalkulierbare Risiken bezüglich der Tricks eingehen", sagt Olympiapark-SprecherArno Hartung. Auch wenn es "wie mit jedem anderen professionellen Sport die Gefahr von Verletzungen und in ganz extremen, seltenen Fällen sogar tödliche Verletzungen" gebe.

Steffi Laier aus Dielheim ist eine von vier Deutschen bei den X-Games in München. Die 27-Jährige startet im "Women's Enduro X", sie überwindet auf dem Parcours mit ihrer Motocross-Maschine Hindernisse wie Wassergräben, Reifen oder Holzpfähle. Und sie kennt die Sache mit den Verletzungen. Einerseits teilt sie die Einstellung vieler anderer X-Games-Teilnehmer, denn sie findet: "Blöd gesagt kann man auch zu Hause von der Leiter fallen."

Zugleich erzählt Laier, die wie die anderen Athleten mit einem Brustpanzer und Orthesen geschützt ist, von einem zu kurz geratenen Sprung über drei Hügel Mitte August 2012. Auf dem Scheitelpunkt der letzen Erhebung landete sie und stürzte. "Mein Motorrad hat mir dann von hinten den Oberschenkel durchschlagen", sagt Laier, der Knochen war kaputt. Laier ist jetzt wieder da, sie hofft, dass es dieses mal besser klappt. Auch wegen der Bilder.

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