Dressurpferd Totilas:Probleme eines Wunderhengstes

Totilas, Reiten, Rennpferd

Wunderhengst Totilas: Vom Olympia-Helden zum Stutenbeglücker.

(Foto: dapd)

Totilas ist der anrührendste Tänzer in der Geschichte des Dressursports. Doch seit Monaten hört man über ihn nur noch Unglücks-Geschichten. Für seine Fans ist Totilas unsichtbar geworden. Diesmal ist offenbar ein Unfall beim Entsamen der Grund.

Von Claudio Catuogno

Bevor man jetzt die beiden beliebten Worte "Totilas" (775 000 Treffer bei Google) und "Sex-Unfall" (2 080 000 Treffer bei Google) in allzu innige Verbindung zueinander setzt, wäre natürlich erst mal die Frage zu klären: War jene, nun ja, Aktivität, bei welcher sich das berühmteste und teuerste Dressurpferd der Welt Anfang des Jahres offenbar das Knie verdreht hat, wirklich - Sex?

Dazu muss man folgendes wissen: Während in der Vollblutzucht, also unter den edlen Galopp-Rennpferden, noch der sogenannte "Natursprung" vorgeschrieben ist, hat ein Dressurpferd wie Totilas heutzutage nicht mehr das Vergnügen, jene Stuten, die seine Nachkommen austragen, persönlich kennenzulernen. Allenfalls, um in Stimmung zu kommen, darf ein warmblütiger Deckhengst wie Totilas kurz mal an lebenden Artgenossinnen schnuppern - das war's dann aber auch schon mit Porno. Denn nun lenkt der aufmerksame Züchter die Lendenkraft seines Tieres zielgerichtet in das "Phantom" um.

Das Phantom ist zwar schon auch irgendwie ein Pferd. Aber halt eher so eines, wie man es von früher aus dem Sportunterricht kennt, wo der Sprung über das Pferd beim Geräteturnen immer ein bisschen mehr Punkte gab als der über den Kasten. Aus dem Phantom lässt sich dann, sobald der Akt, den man besser nicht Sex nennen sollte, vollzogen ist, der Samen entnehmen. Er wird portioniert, tiefgefroren, verschickt. Man darf sich so ein Leben als präpotenter Beschäler nicht zu romantisch vorstellen.

Totilas, und das ist jetzt gewissermaßen das Tragische an der Geschichte, die gerade als "Sex-Unfall" Schlagzeilen macht - Totilas war früher mal ein Hengst, der Millionen Menschen zu Tränen rührte, wenn er im Dressurviereck tanzte. Im Dressurviereck hat man ihn aber schon lange nicht mehr gesehen.

Inzwischen scheint vielmehr sein gesamtes Dasein zum Heulen zu sein, jedenfalls gemessen an den Erwartungen. Für mehr als zehn Millionen Euro hatten der Pferdegroßhändler Paul Schockemöhle und die Millionenerbin Ann Kathrin Linsenhoff den Hengst nach der Reit-WM 2010 dem Niederländer Edward Gal unter dem Sattel weggekauft. Totilas sollte das Pferd sein, mit dem Linsenhoffs Stiefsohn Matthias Alexander Rath Gold bei Olympia in London gewinnt (woraus wegen einer Erkrankung des Reiters nichts wurde).

Gleichzeitig sollte Totilas aber auch ein Investment sein - eines, das einer ähnlichen Logik folgt wie der Kauf von Manchester United durch amerikanische Investoren. Die Logik geht so: Der Kaufpreis wird dem Kaufobjekt aufgebürdet, und das Kaufobjekt muss sich halt dann ein bisschen anstrengen, um die Kohle wieder reinzuverdienen. 8000 Euro kostet eine Portion von Totilas' Samen, falls daraus ein Fohlen entsteht.

Das Phantom also. "Beim Draufspringen hat sich Totilas vertreten", sagte Rath am Mittwoch der Bild, "er hat eine Überdehnung im Knie, kann nur Schritt gehen. Ich hoffe, dass wir in zwei Wochen wieder trainieren können." Paul Schockemöhle bestätigt diese Version auf SZ- Anfrage. Passiert sein soll das Malheur in Linsenhoffs Gestüt in Kronberg im Taunus, wo sich Totilas während der Trainingsphasen aufhält (während der Deckphasen muss er auf Schockemöhles Gestüt nach Mühlen bei Oldenburg). Aber auch in Kronberg gibt es ein Phantom.

Totilas, der anrührendste Tänzer in der Geschichte des Dressursports. Totilas, der Wunderhengst. Seit Monaten hat man von ihm nichts mehr gehört außer Unglücks-Geschichten. Für seine Fans ist Totilas längst unsichtbar geworden. Totilas, das Phantom.

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