World Boxing Super Series:Alle wollen nur durch Lautstärke auffallen

Marco Huck

Marco Huck und sein Gegner Aleksander Usyk "gehen aufeinander los", heißt es zumindest in der Pressemitteilung.

(Foto: dpa)

Dem heutigen Boxsport fehlt der Glanz. Auch die neu gegründete World Boxing Super Series läuft Gefahr, es so sehr zu übertreiben, dass am Ende die Glaubwürdigkeit leidet.

Kommentar von Benedikt Warmbrunn

Um zu verstehen, warum dem heutigen Boxsport der Glanz fehlt, hilft es, ein altes Zitat mit einer aktuellen Mitteilung zu vergleichen. Das Zitat ist von Muhammad Ali, von wem auch sonst: "Leon Spinks ist so hässlich, wenn eine Träne sein Gesicht herunterrollt, schafft sie es nur halb runter, dann rollt sie wieder zurück." Das Zitat ist eine Unverschämtheit, aber es ist originell, es ist klug, es ist sogar noch vergleichsweise charmant. Es ist so oder so: beste Unterhaltung. (Das Zitat ist von 1978, Ali war schon nicht mehr der Fred Astaire des Boxrings, er verlor zunächst, revanchierte sich aber sieben Monate später.)

Am vergangenen Mittwochnachmittag verschickte nun die neu gegründete World Boxing Super Series eine E-Mail mit dem euphorischen Betreff: "Eklat auf PK: Huck und Usyk gehen aufeinander los!" Es wird darin begeistert erzählt, dass die beiden Boxer, die an diesem Samstag in Berlin gegeneinander antreten werden, sich geschubst hätten, dass die "heißblütigen Top-Sportler" kaum voneinander zu trennen gewesen seien. Über Aleksander Usyk heißt es: "Er formte im Gehen die Finger zur Pistole und ,erschoss' Huck." Über Marco Huck heißt es: "Der lachte den Champions aus: ,Hau bloß ab, sonst haue ich dir ein paar hinter die Ohren.'" Das war alles also sehr gewollt dramatisch, es sollte beste Unterhaltung bieten, aber am Ende war es der Versuch, eine Sache größer zu machen, als sie eigentlich ist. (Worum geht es schließlich beim Boxen, wenn nicht darum, sich ein paar hinter die Ohren zu hauen?)

Das Boxen hat sich selbst geschadet

Es war also wie so oft im gegenwärtigen Boxen: Es wird so sehr übertrieben, dass die Glaubwürdigkeit leidet. Was in diesem Fall besonders ärgerlich ist. Die World Boxing Super Series unternimmt eigentlich das Richtige, um der Sportart wieder zu mehr Glanz zu verhelfen.

Das Boxen hat sich in den vergangenen Jahren stark selbst geschadet, durch ungleiche Ansetzungen, durch fragwürdige Urteile, durch viel Geschrei um wenig Spannung im Ring. Die World Boxing Super Series will nun, einerseits, diesen Sport mit seinen unzähligen Weltmeistern wieder übersichtlich gestalten. Im Herbst treten acht der besten Boxer einer Gewichtsklasse im Achtelfinale an, im Frühjahr gibt es die Halbfinals, im Mai in Las Vegas das Finale. Die erste Staffel startet mit den Gewichtsklassen Supermittelgewicht und Cruisergewicht; in Letzterem treten alle Weltmeister der vier großen, anerkannten Weltverbände an. Der Sieger des Turniers wird sich also als besten Boxer seiner Gewichtsklasse bezeichnen dürfen. So weit, so löblich.

Doch die World Boxing Super Series macht sich, andererseits, auch nicht ganz frei vom Reflex der Branche, erst einmal durch Lautstärke auffallen zu wollen.

So geht es in dem Turnier um eine Muhammad-Ali-Trophy, was aus Marketingsicht natürlich schlau ist. Es setzt aber zugleich einen Maßstab, den kaum einer der aktuellen Boxer wird erfüllen können. Huck und Usyk etwa sind beide starke Athleten, aber sie erinnern im Ring nicht an Fred Astaire, sondern eher an "Let's Dance". Und die charakterliche Größe von Ali hatte ohnehin nur Ali. Wer dann noch einen Eklat in einer E-Mail feiert, grenzt sich nicht mehr ab von all jenen in der Branche, denen es nur ums Geschäft und ums Getöse geht.

Die World Boxing Super Series wird ihren Platz in der Branche finden, es liegt nur an ihr selbst, wie sie sich positionieren wird. Ob wieder der Eindruck bleibt, dass da ein gewaltiger Zirkus veranstaltet wird. Oder ob es ein Zirkus sein wird, der im Kern aus einer sehenswerten Sportveranstaltung besteht. So wie das auch zu Zeiten von Muhammad Ali war.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: