Wolfsburgs Trainer vor dem  Aus:Fakten sprechen gegen Ismaël

Nach der 1:2-Niederlage gegen Bremen darf der Coach zwar noch das Samstagstraining leiten, doch der Krisenstab tagt. Und der Sportchef geht auf Distanz.

Von Jörg Marwedel, Wolfsburg

Am Samstagmorgen hat Valérien Ismaël das Training beim VfL Wolfsburg mit den Reservisten und Einwechselspielern wie Mario Gomez geleitet. Scheinbar wie immer. Doch die entscheidenden Stunden lagen da noch vor ihm. Kurz darauf tagte in der Geschäftsstelle die Klubführung mit Sportchef Olaf Rebbe. Es ging um Ismaëls Zukunft beim VfL, und was Rebbe kurz nach dem Schlusspfiff des am Freitagabend 1:2 verlorenen Abstiegskampf-Derbys gegen Werder Bremen verlauten ließ, war nicht das, was Ismaël nach dem trotz der Niederlage "besten Spiel in dieser Saison" (so Mittelfeldspieler Jannes Horn) gern gehört hätte.

Rebbe bewertete nur das Resultat und sagte: "Ich halte mich an die Fakten und nicht an gefühlte Emotionen." Es gehe um Ergebnisse, und "die stimmen gerade nicht", meinte der Nachfolger von Klaus Allofs kühl. Und: "Ich schließe gar nichts aus. Die Enttäuschung ist groß."

Aufmunternde Worte hatte der 38-Jährige nicht parat - für die Spieler nicht und für Ismael schon gar nicht. Nachdem die bisher auf einem Relegationsplatz liegenden Bremer mit ihrem zweiten Auswärtssieg hintereinander zu den Wolfsburgern aufgeschlossen haben, hing der Arbeitsplatz des Franzosen nach zuletzt vier Niederlagen in fünf Partien am seidenen Faden.

24 Februar 2017 Wolfsburg Volkswagen Arena Fussball 1 Bundesliga 22 Spieltag VfL Wolfsburg

Ratlos: Valerien Ismaël steht in Wolfsburg nach der unglücklichen Niederlage gegen Bremen angeblich vor dem Aus.

(Foto: imago)

27:7 Schüsse, 13:1 Eckbälle und 67 Prozent Ballbesitz - und doch kein Punkt

Dabei gab es diesmal überhaupt keine Diskussionen, dass die Wolfsburger das bessere Team waren. "Sie waren uns in allen Belangen überlegen", sagte der frühere VfL-Profi Max Kruse. Nur in einem Punkt waren die Bremer den Hausherren überlegen - in der Effektivität. 27:7 Schüsse, 13:1 Eckbälle und 67 Prozent Ballbesitz standen für die Niedersachsen zu Buche.

Ismaël hatte das Gefühl, man hätte 5:2 gewinnen müssen und verwies noch auf die Pfostenschüsse von Daniel Didavi (36.) und Borja Mayoral (40.). Doch Werders junger Nationalspieler Serge Gnabry zeigte früh, wie man Chancen wirklich nutzt. In der 10. Minute zog er aus 16 Metern ab, und von Ricardo Rodriguez abgefälscht landete die Kugel zum 0:1 im Netz. Acht Minuten später nahm er einen von Lamine Sané verlängerten Freistoß von Zlatko Junuzovic mit der Brust an und beförderte den Ball zum 0:2 ins Tor - sehenswert. Es waren Gnabrys Treffer neun und zehn, neun davon fielen auswärts.

Danach spielte nur noch der VfL Wolfsburg, der von Valérien Ismael nach dem 0:3 in Dortmund gleich auf fünf Positionen verändert wurde - was ja durchaus ein Risiko für den Coach war. Zu den ungewohnten Bankdrückern zählten Nationalspieler wie Gomez (bis zur 60. Minute), Jeffrey Bruma und Vierinha. Besonders die "Neuen" Christian Träsch, Mayoral und Didavi machten so viel Dampf, dass das Team trotz der Niederlage am Schluss mit Applaus verabschiedet wurde. Was bewies, dass am Auftritt der Wolfsburger wirklich nur die Tore fehlten.

VfL Wolfsburg v Werder Bremen - Bundesliga

Wolfsburgs Benaglio streckt sich vergeblich: Serge Gnabry (3.v.l.) schießt Werder zum Sieg.

(Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Kapitän Benaglio spricht sich für Trainer Ismael aus

Kapitän Diego Benaglio unterstrich zudem, dass das Verhältnis der Profis zum Trainer noch "intakt" sei. "Wenn der Trainer uns nicht erreichen würde oder das Team nicht hinter der Philosophie des Trainers stehen würde, dann wäre eine Leistung wie gegen Bremen nicht möglich gewesen", betont der Torhüter und spricht sich klar gegen eine erneute Veränderung an der Seitenlinie aus: "Ich denke nicht, dass uns ein Trainerwechsel helfen würde. Ich würde mich definitiv für Ismaël aussprechen."

Bei den Bremern hingegen ist der Coach erst einmal aus der Schusslinie. Über die Entlassung von Alexander Nouri war ja nach den ersten vier Niederlagen heftig spekuliert worden. "Er ist trotz der Kritik an ihm immer ruhig geblieben", lobte Kapitän Clemens Fritz. Und er hat offenbar den Teamgeist vorgelebt, den die Bremer seit Monaten zeigen und der jetzt neben "einem Quäntchen Glück" (Nouri) auch die "Leidenschaft" befeuerte, mit der Werder nach der Pause sein Tor verteidigte.

Doch abgesehen von dieser Arbeits-Ethik und der Zielsicherheit Gnabrys konnten sich die Bremer besonders bei ihrem Torwart Felix Wiedwald bedanken. Der Keeper, der ebenso oft in der Diskussion stand wie sein Trainer, hat wie beim 2:0 in Mainz in der Vorwoche auch in Wolfsburg den Sieg festgehalten. Allein in der ersten Halbzeit bewahrte er sein Team gegen Yunus Malli (22.), Jakub Blaszczykowski (26.) und Rodriguez (45.) vor einem Wolfsburger Treffer. Nur Mayroal hatte 102 Sekunden nach dem 0:2 für den VfL getroffen. Jetzt fehlen dem vor kurzem noch umstrittenen Wiedwald nur noch fünf Spiele, dann wird sein Vertrag automatisch um ein Jahr verlängert.

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