Wolfsburg:Zauberer als Zauderer

22 08 2015 Fussball Saison 2015 2016 1 Bundesliga 2 Spieltag 1 FC Köln VfL Wolfsburg 1 1

Matchball in der Nachspielzeit: Kevin De Bruyne (Grün) scheiterte erst an FC-Torwart Horn (links) - und im Nachschuss am Kölner Lehmann.

(Foto: imago/Team 2)

Der schmeichelhafte Punktgewinn des VfL beim 1. FC Köln beweist: Das pausenlose Transfer-Gezerre um die Offensivkraft Kevin De Bruyne schadet nicht nur dem Belgier selbst - es setzt auch dem Vorjahres-Zweiten sichtlich zu.

Von Milan Pavlovic, Köln

Peter Stöger ist dünnhäutig geworden, in seinem dritten Jahr beim 1. FC Köln gehen dem Österreicher die lustigen Sentenzen nicht mehr so locker von den Lippen. Debatten um den angeblich zu defensiven Spielstil haben ihn in der Vergangenheit geärgert, und nun, nach dem starken 1:1 gegen den Vorjahreszweiten Wolfsburg, musste der Trainer Antworten geben zu einem Spiel, das sein Team lange dominiert, aber eben nicht gewonnen hatte. Den Kopf zumeist so tief gesenkt wie seine Stimme, wurde nicht klar, ob Stolz oder Frust, Zufriedenheit oder Erleichterung bei ihm das vorherrschende Gefühl war. Aber dann rutschte Stöger neben vielen unverbindlichen Sätzen doch noch ein markantes Statement raus: "Wir haben einen Punkt geholt gegen einen Haufen Weltklassespieler."

Damit wäre man sogleich bei Kevin De Bruyne. Die vergangene Saison hatte ihn in diese Kategorie katapultiert, er war die personifizierte Wolfsburger Warnung an Serienmeister FC Bayern, dass es in dieser Saison an der Spitze knapper zugehen könnte. Zuletzt jedoch nahmen die Diskussionen um einen Wechsel des Belgiers zu den Einkäufern von Manchester City Überhand - und plötzlich sind nur noch die kolportierten Ablösen und Gehälter Weltklasse.

Auf dem Platz dagegen hakt es. Zwei Szenen in Köln waren sinnbildlich dafür: In der 30. Minute missriet De Bruyne eine Flanke, als wäre er ein Freizeitspieler von Kickers Grüngürtel. Und in der Nachspielzeit, als er das Spiel noch hätte auf den Kopf stellen können, vergab er zweimal allein vor dem Tor - vermutlich ging ihm auf dem langen Weg zu Timo Horn zu viel durch den Kopf, jedenfalls war der Abschluss ungewohnt fahrig. Woran er bei dem Sprint dachte, weiß nur der 24-Jährige, er schweigt in diesen Tagen und lässt andere reden.

Das neue FC-Sturmduo Zoller und Modeste setzte die Highlights, verpasste aber ein zweites Tor

"Den macht er nicht jedes Mal blind", sagte sein Sportdirektor Klaus Allofs zu der Szene in Nachspielzeit bei seinem Wochenend-Marathon an den Mikrofonen. Meist zeigte Allofs ein süffisantes, entwaffnendes Lächeln, oft servierte er dazu einen feinen Spruch ("Kevin hat sich dem Niveau der Mannschaft angepasst"), und in punkto Transfer gab es noch keine letzte Klarheit. Immerhin sagte der VfL-Geschäftsführer auf die Frage, wie das Team mit dem Gezerre um De Bruyne klarkomme und ob die blutleere Vorstellung in den ersten 60 Minuten in Köln damit zusammenhänge: "Natürlich beeinflusst uns das."

Auch die verbale Abstimmung in Wolfsburg klappt derzeit nicht ideal, denn Trainer Dieter Hecking wies eine Kausalkette brüsk ab: "Das hat keinen Einfluss auf das Team, das kann man nicht im Zusammenhang sehen. Es waren einige dabei, die nicht ihren besten Tag hatten." Innenverteidiger Timm Klose gestand hingegen ein: "Diese Situation ist nicht gut für einen Spieler. Das kann nicht spurlos an ihm vorüber gehen." Allofs forderte: "Wir dürfen nicht jammern, sondern müssen lernen, damit umzugehen. Es ist ja auch ein Zeichen, dass wir gute Spieler haben." Daraus entstünden eben "Störfeuer, aber die dürfen keine Ausrede für Leistungen sein".

Die Leistung des Pokalsiegers war diesmal noch bescheidener als beim 2:1 gegen Frankfurt. Über weite Strecken überzeugte der FC, der sich als Einheit präsentierte. Die Kölner liefen in der Hitze klug und viel. Hecking lobte: "Sie hatten eine hohe Intensität in den Läufen, da haben sie uns einiges vorgemacht." Besonders das neue Sturmduo Simon Zoller/Anthony Modeste hatte mehrere Momente für Highlight-Zusammenschnitte - doch außer beim 1:0 (Zoller, 30.) legte zum Frust der Kölner stets Wolfsburgs Torwart Koen Casteels als Spielverderber zuletzt Hand an.

So kam es, wie es im Fußball oft kommt: Wolfsburg erzielte wie aus dem Nichts den Ausgleich, der auch noch betont schmucklos zustande kam (Abstauber Bendtner, 83.); und dann bot sich nach De Bruyne auch Bas Dost sogar noch die Großchance zum 1:2 (Horn & Latte). "Das wäre vielleicht ein bisschen viel gewesen", sagte Hecking.

Ob das Gerede um De Bruyne bei einem Sieg nachgelassen hätte? Eher nicht. Auf alle Arten wurde Klaus Allofs verführt, sich zu verplappern. Vergebens. Er selbst habe als Spieler doch mal so einen Wechselpoker miterlebt: "Bei mir ging es damals um andere Summen", sagte Allofs kichernd. Und ein letzter Versuch: Wird De Bruyne am 31. August noch zum Kader des VfL gehören? Allofs: "Fragen Sie mich am 31. August, spätestens."

Am Sonntag bekräftigte er bei Sport1: "Unser Plan ist es, Kevin davon zu überzeugen, dass er noch ein weiteres Jahr für uns spielt. Das wäre für ihn und für den VfL eine gute Sache." Deshalb soll der Werksklub eine eigene Offensive gestartet und die Gehaltsofferte auf mehr als zehn Millionen Euro pro Saison verdoppelt haben. Allofs' Fazit: "Stand heute spielt Kevin am Freitag gegen Schalke." Zu klären wäre dann nur, welcher De Bruyne aufläuft - der leichtfüßige Zauberer der Vorsaison; oder der verpeilte Zauderer der ersten Spieltage.

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