Wolfsburg:Warum Wolfsburg sich von Klaus Allofs trennt

Zwei Monate nach Trainer Dieter Hecking feuert der abstiegsbedrohte VfL Wolfsburg auch den Sport-Geschäftsführer. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Personalie Julian Draxler.

Von Javier Cáceres, Berlin

Das Ende der vierjährigen Amtszeit von Klaus Allofs beim VfL Wolfsburg kam am Montagabend per Pressemitteilung daher, garniert mit vielen warmen Worten. "Eingedenk der Leistungen von Klaus Allofs für den Verein und unseres guten persönlichen Verhältnisses zu ihm" sei die Entscheidung nicht leicht gefallen, wurde der Aufsichtsratsvorsitzende Francisco Javier García Sanz zitiert. Doch die schwierige sportliche Lage habe keine Wahl mehr gelassen. Man habe sich entschlossen, "einen Neuanfang zu machen".

Was diese Sätze recht gut verbargen: Durch die Flure der Vorstandsetage des Volkswagen-Konzerns, dem Eigner der "VfL Wolfsburg Fußball GmbH", geisterte am Montag nur noch die - von den Bossen letztlich als rhetorisch empfundene - Frage, ob man nicht zu lange an Allofs, 60, festgehalten habe. Er zehrte lange davon, dass er die Ära Magath vergessen ließ und den Verein zusammen mit dem im Oktober entlassenen Dieter Hecking zu einem Pokalsieg und zur Champions-League-Teilnahme führte. Zu García Sanz hatte Allofs bis zuletzt ein gutes Verhältnis - obschon der Spanier den Manager Allofs im Sommer in die Bredouille brachte, als er sich öffentlich in die Debatte um Allofs' viel diskutierte Nähe zum Spielervermittler Giacomo Petralito einschaltete. Nun aber konnte Allofs nicht mal mehr García Sanz das Gefühl vermitteln, rettende Impulse setzen zu können. Das 0:5 beim FC Bayern, als dessen hochoffizieller Jäger der VfL noch vor anderthalb Jahren auftrat, markierte am Samstag das Ende hochtrabender Ambitionen. Mit zehn Punkten steht der VfL auf Tabellenrang 15. "Es gibt kein Vertun: Wir stecken im Abstiegskampf", sagte García Sanz auf der Weihnachtsfeier.

Wie ein Herbstblatt sank der VfL in diesem Kalenderjahr dahin. Diese Entwicklung erst nicht erahnt und dann zu spät reagiert zu haben, ist einer der Vorwürfe, die Allofs nun zum Verhängnis wurden. Im SZ-Interview sagte Ex-Trainer Hecking am Samstag, er hätte vielleicht von sich aus einen Strich machen sollen am Ende der vergangenen Saison; Allofs hätte den Strich ziehen müssen, heißt es an maßgeblicher Stelle im VW-Konzern. Dort hatte man auch den fatalen Eindruck, dass Allofs, als Hecking tatsächlich entlassen war, keinen Plan B hatte. Statt einen erfahrenen Retter zu installieren, fiel die Wahl auf Valérien Ismaël, der nun mit dem Scherbenkehren nicht nachkommt. Allerdings hatte Allofs sehr wohl einen Plan B: Hätte sich die Mannschaft nicht demonstrativ für Ismaël ausgesprochen, so wäre Bruno Labbadia installiert worden. Laut Fachmagazin kicker steht der frühere HSV-Trainer nun aber nicht mehr zur Verfügung. Was insofern misslich ist, als schon jetzt als wahrscheinlich gilt, dass Ismaël wohl schon in der Winterpause ersetzt werden muss.

Wer Allofs nachfolgt und also die Trainerfrage löst, war am Montag offen. Zuletzt war Horst Heldt im Gespräch, Sonntagabend wurde Dietmar Beiersdorfer frei, am Montag meldete die Bild-Zeitung, auch Jens Todt sei im Gespräch. Der frühere Nationalspieler kennt Wolfsburg: Er war dort von Februar 2010 bis Mai 2011 Nachwuchskoordinator. Wer auch immer Manager werden sollte, über Arbeit wird er sich nicht beklagen müssen. Er wird nicht nur die Trainerfrage, sondern auch andere Personalien lösen müssen. Denn die Unruhe, die durch den im Sommer versuchten und gescheiterten Umbruch entstand, hält an.

Der VfL wird sich im Winter wohl von Julian Draxler trennen

So gilt als sicher, dass Linksverteidiger Ricardo Rodriguez, Europameister Vieirinha, der defensive Mittelfeldmann Luiz Gustavo und Julian Draxler gehen wollen. Vor allem das Management der Personalie Draxler gereichte Allofs zum Nachteil. Als der frühere Schalker sich im August mit einem von seinem Management eingefädelten Interview aus dem Vertrag herauspoltern wollte, reagierte der VfL mit einem resoluten Transferverbot. Zuletzt aber rückte Allofs genau davon ab. Er rätselte öffentlich, ob es nicht möglicherweise ein Fehler gewesen sei, den Reisenden Draxler aufzuhalten. Nun wird sich der VfL im Winter von Draxler wohl erst recht trennen müssen, zu einem niedrigeren Marktpreis, als er im Sommer zu erzielen gewesen wäre.

Als unglücklich wurden auch die Allofs-Äußerungen zu einem angeblichen Strategie-Wechsel beim VfL empfunden. Er suggerierte, VW werde auch beim VfL kürzen und auf Kräfte aus dem Nachwuchs setzen wollen, um das Geld wieder reinzuholen, das die Vorstände durch die Abgas-Affäre durch die VW-Schornsteine gejagt haben. Aus der Konzernzentrale heißt es jedoch, dass es keinen Sparbeschluss gebe. Man wolle sich bloß stärker an Klubs orientieren, die in den vergangenen Jahren ohne spektakuläre Transfers à la Draxler ausgekommen seien, etwa Bayer Leverkusen. Dafür steht auch Riechedly Bazoer, 20, er soll im Januar von Ajax Amsterdam an den Mittelland-Kanal wechseln und Luiz Gustavo ersetzen, der einem Wechsel entgegenfiebert. Am Samstag in München saß er nur auf der Bank.

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