Wolfsburg verliert auch mit neuem Trainer:In die Regentonne!

SV Darmstadt 98 v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Auch dass Mario Gomez das 1000. Bundesliga-Tor der Wolfsburger erzielte, konnte nicht über die desolate Leistung des VfL hinwegtäuschen.

(Foto: Alexander Scheuber/Bongarts/Getty)

Auch Valerién Ismaël kann mit dem VfL nicht gewinnen. Zugang Mario Gomez trifft zwar erstmals, am Ende hallen trotzdem höhnische "Absteiger"-Rufe gegen die Wolfsburger durchs Stadion.

Von Frank Hellmann, Darmstadt

Irgendwann senkte auch Valérien Ismaël nur noch den Kopf. Er blickte betreten auf den Boden und schob die Hände in die Taschen seines dunkelgrünen Anoraks, der im Darmstädter Dauerregen genauso durchnässt war wie das krause Haupthaar. Kurz vor dem Schlusspfiff ahnte der Deutsch-Franzose, dass die widrigen Begleitumstände im Stadion am Böllenfalltor irgendwie auch die missliche Lage widerspiegelten, in die er bei seinem Bundesligadebüt als Fußballlehrer geraten war. Ausgerechnet haarsträubende Abwehraussetzer mündeten unter der Anleitung des einst exzellenten Innenverteidigers beim SV Darmstadt 98 in eine 1:3 (1:1)-Niederlage, die die Chancen für Ismaël nicht zwangsläufig erhöht, beim VfL Wolfsburg vom Interims- zum Cheftrainer aufzusteigen.

"Keiner hat erwartet, dass innerhalb von einer Woche hier eine Mannschaft antritt, die keine Fehler mehr macht. Das wäre eine unrealistische Erwartung gewesen", versicherte VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs hinterher, der über den 41-Jährigen "nicht nach einem Spiel" urteilen wollte. Ansonsten musste der Macher vom Mittellandkanal schon den verbalen Spagat bemühen, um einerseits seinen aus gemeinsamen Bremer Zeiten hoch geschätzten Vertrauten nicht zu vergraulen, andererseits sich aber auch andere namhafte Optionen - von Roberto Mancini, André Villas-Boas bis Marc Wilmots - offenzuhalten.

Allofs rechtfertigt sich - gegen den VW-dominierten Aufsichtsrat?

"Wir werden keine Entscheidung vor dem Heidenheim-Spiel treffen", führte Allofs später aus, "aber wir werden die Entwicklung im Auge behalten. Wenn die Situation tendenziell nicht besser wird, böte sich eine neue Lösung an - aber so weit sind wir noch längst nicht." Sollte also heißen: Ismaël bleibt für die Profis noch für die DFB-Pokalpartie am Mittwoch beim Zweitligisten FC Heidenheim verantwortlich, aber danach könnte einer der Kandidaten kommen, die sich offenbar der VW-dominierte Aufsichtsrat wünscht, obgleich Allofs vehement dem Eindruck entgegentritt, er besitze nicht mehr die sportliche Alleingewalt in der werkseigenen Fußball GmbH. Dazu passt, dass sich der 59-Jährige zeitlich überhaupt nicht festlegen wollte. Ein Ultimatum in der Trainerfrage gelte "nicht für zwei, drei oder vier Wochen".

Diffus wie diese Aussagen auf Managementebene blieben die Äußerungen aus dem Spielerkreis. Marcel Schäfer, überraschend auf den Linksverteidigerposten gerutscht, weil Ricardo Rodriguez zentral verteidigte, fand die Gesamtlage so Besorgnis erregend wie selten: "Wir sind in einer brutal schwierigen Phase." Gewisse Dinge dürften einfach nicht passieren, erklärte der 32-Jährige, der seit einem Jahrzehnt für die Niedersachsen spielt. Auch das hörte sich nicht unbedingt nach einem Plädoyer für den Übergangscoach an, der es nicht geschafft hatte, - wie von ihm angekündigt - die Blockaden der Berufsfußballer unter dem VW-Dach zu lösen.

Wie gerne Allofs vielleicht trotzdem Ismaël vertrauen würde, zeigte sich in den Rechtfertigungsarien, die er für den nächsten Nackenschlag anführte, den das südhessische Publikum mit höhnischen "Absteiger, Absteiger"-Rufen quittierte: die letzten Wochen hätten "Spuren hinterlassen", Fehler würden derzeit "sofort bestraft" und trotzdem habe er viele positive Dinge gesehen - "beispielsweise hat die Mannschaft Moral gezeigt". Zu diesem Zeitpunkt standen die Gäste indes nur noch zu zehnt auf dem Rasen und lagen mit 0:1 in Rückstand, nachdem sich Abwehrchef Jeffrey Bruma nach einem törichten Ballverlust zu einer Notbremse gegen den enteilten Laszlo Kleinheisler hatte hinreißen lassen. Im Anschluss zirkelte Änis Ben-Hatira die Kugel kunstvoll in den Winkel (25.).

Auch Gomez' lang ersehnter erster Treffer hilft den Wolfsburgern nicht

Ismaël, der nach ordentlichem Beginn mit einem "typischen Geduldsspiel" gerechnet hatte, musste damit seinen "ersten Plan in die Tonne kloppen", wie er geknickt einräumte. Bildlich also: in die Regentonne. Die Ersatzvariante sah dann vor, trotzdem einem Ballbesitzfußball zu frönen, der indes gegen leidenschaftlich spielende Lilien mit zu viel Risiko behaftet war. Kaum hatte Nationalstürmer Mario Gomez im Anschluss an eine Ecke das 1:1 geköpft (60.) - zugleich das 1000. Wolfsburger Bundesligator -, brachen sich die "Wölfe" selbst das Genick: Eine zu kurze Abwehr von Rodriguez nutzte der starke Kleinheisler zum 2:1 (68.), einen krassen Fehlpass des eingewechselten Paul Seguin bestrafte der auf der Gegenseite vom Kollegen Norbert Meier ebenfalls eingewechselte Sandro Sirigu mit dem 3:1 (76.).

"Bei den individuellen Fehlern müssen wir ansetzen. Wir werden jetzt eine Videoanalyse machen", erläuterte Ismaël, der seine eigene Position recht professionell betrachtete: "Ich bin gut geraten, nur von Spiel zu Spiel zu denken. Ich habe eine klare Absprache mit Klaus Allofs. Alles andere wäre fahrlässig und unseriös." Klang so, als wisse einer, dass er da vielleicht genauso wenig Einfluss hat wie auf das Wetter an einem Oktober-Wochenende.

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