Wolfsburg gegen Braunschweig:"Deshalb hasse ich die Relegation"

VfL Wolfsburg - Eintracht Braunschweig

Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht (re.): Entgeistert nach der Fehlentscheidung

(Foto: dpa)
  • Der VfL Wolfsburg gewinnt das Hinspiel der Relegation mit 1:0 durch einen Handelfmeter, der Braunschweig in Rage bringt.
  • Eintracht-Trainer Lieberknecht brodelt und sagt: "Mit so einer Entscheidung ist vielleicht die ganze Saison am Arsch."
  • Noch in der Nacht gibt Schiedsrichter Stegemann seinen Fehler zu.

Von Carsten Scheele, Wolfsburg

Plötzlich wurde es laut in den Katakomben, einer brüllte, es war Torsten Lieberknecht, der Braunschweiger Trainer. Wortfetzen waren zu verstehen: "Erst in Hannover, jetzt hier", schrie Lieberknecht, gemeint war Schiedsrichter Sascha Stegemann, der seine Mannschaft in dieser Saison schon einmal gepfiffen hatte - und auch damals an einer strittigen Elfmeterszene beteiligt war. Die Geschichte wiederholte sich am Donnerstagabend, im ersten Bundesliga-Relegationsspiel zwischen Wolfsburg und Braunschweig.

Qua Amt entschied Stegemann in der 35. Minute zunächst, dass Wolfsburgs Mario Gomez den Ball im Strafraum nicht mit der Hand berührt hatte (eine diskutable Entscheidung, wie Fotos und TV-Bilder belegten). Gleich darauf wertete er die Aktion von Braunschweigs Innenverteidiger Gustav Valsvik als absichtliches Handspiel, obwohl der Arm des Norwegers aus vielleicht einem Meter angeschossen wurde. Die leidige Hand-Regel führt immer wieder zu Diskussionen, auch diesmal ging alles sehr schnell, binnen Sekundenbruchteilen war Stegemann jedoch von Valsviks angeblichem Vergehen überzeugt - und zeigte auf den Punkt. Gomez verwandelte den freundlich gemeinten Elfmeter zum 1:0. Es blieb das einzige Tor, die entscheidende Szene des Spiels.

Lieberknecht fasst seinen Schmerz in Worte

In Lieberknecht brodelte es, doch er hatte sich gefangen, als er kurze Zeit darauf vors ARD-Mikrofon trat. "Jeder hat die Situation gesehen", sagte Lieberknecht in ruhigem Ton, der Elfmeterpfiff tue deshalb "extrem weh". Lieberknecht fasste seinen Schmerz in Worte: "Mit so einer Entscheidung ist vielleicht die ganze Saison am Arsch."

Die Wolfsburger sahen die Angelegenheit geringfügig anders, auch wenn keiner den Elfmeterpfiff vehement zu verteidigen gedachte. Sie plädierten eher auf ausgleichende Gerechtigkeit, Gomez etwa, der bemerkte, er hätte "allein in dieser Saison fünf Elfmeter bekommen müssen". Durch den Sieg steht sein Team in der Relegation gut da, ein Tor geschossen, keines kassiert. "Ein ordentliches Ergebnis", fasste es Yunus Malli in der ihm eigenen Gelassenheit zusammen. Er hatte recht, Wolfsburg ist dem Klassenerhalt am Ende einer deprimierenden Spielzeit ein deutliches Stück näher gekommen.

Nicht nur Lieberknecht dachte sofort an Karlsruhe

Umso bitterer für den Zweitligisten aus Braunschweig. Die Mannschaft hatte lange gut bis sehr gut mitgehalten, den spielerisch überlegenen Bundesligisten mit großer Willenskraft bekämpft, begrätscht, beackert. Mirko Boland hatte sogar die Chance zur Führung, doch er köpfelte freistehend vorbei (23.). Alles lief gut, bis Stegemann Valsviks Abwehraktion fälschlicherweise so auslegte, dass der Braunschweiger seine Körperfläche absichtlich und zu seinem Vorteil vergrößert hatte.

Nicht nur Lieberknecht dachte sofort an Karlsruhe, an die Situation vor zwei Jahren, als der Hamburger SV kurz vor Schluss einen fragwürdigen Freistoß zugesprochen bekam, den Marcelo Diaz zum Ausgleich verwandelte und damit den Klassenerhalt des Bundesligisten überhaupt erst ermöglichte. Auch 2017, in Wolfsburg, ist der Zweitligist der Leidtragende. "Deswegen hasse ich die Relegation", sagte Lieberknecht. Am Ende einer langen Saison mit vielen umstrittenen Szenen hat Braunschweig nun lediglich ein Spiel Zeit, die Konsequenzen dieser einen Szene auszubügeln.

Noch in Wolfsburg schwor sich die Mannschaft, den reichen Nachbarn im Rückspiel am Montagabend (20.30 Uhr, Liveticker auf SZ.de) mit allen Mitteln zu bekämpfen, in einem pickepackevollen Stadion mit nachweislich fanatischen Fans auch mental an die Grenzen zu treiben. "Wenn es einer verdient hat, dann wir", sagte Vorzeigekämpfer Boland und man konnte sich vorstellen, wie er innerlich die Zähne fletschte.

Nur Lieberknecht hing die Elfmeterszene noch nach. An den Schiedsrichter gerichtet sagte er: "Ich würde mir wünschen, dass er sagt: War 'ne Fehlentscheidung." Und dachte wohl selbst nicht daran, dass sich Stegemann an diesem Abend tatsächlich noch öffentlich äußern würde. Ja, er habe falsch gelegen, er ärgere sich. Es wäre "besser gewesen, auf den Pfiff zu verzichten", sagte Stegemann bei Sky. Ein später, wenn auch schrecklich unbedeutender Sieg für den leidenden Lieberknecht.

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