Wolfsburg:Allofs ätzt leise

1899 Hoffenheim - VfL Wolfsburg

Der Greenkeeper der Wölfe: Verteidiger Dante testet in Hoffenheim die Qualität der Spielfläche.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der VfL bekommt allmählich Angst, selbst die minimalen Saisonziele zu verpassen und zeigt sein müdes Alltagsgesicht.

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Die Stürmer Klaus Allofs und Rudi Völler standen 1996 in Mexiko für Deutschland im WM-Endspiel gegen Argentinien auf dem Platz. Der draufgängerische Völler wurde in der zweiten Halbzeit beim Stand von 0:1 für den eleganten Allofs eingewechselt. Aber auch ein Tor von Völler konnte die Niederlage nicht verhindern, weil sich die Mannschaft noch ein Kontertor des unbarmherzigen Jorge Burruchaga zum 2:3 einfing. Heute sind beide Manager in der Bundesliga, Völler in Leverkusen, Allofs in Wolfsburg. Aktuell ist beiden gemeinsam, dass ihre hoch dotierten Teams den hohen Erwartungen in der Liga fast so hilflos hinterherrennen wie 1986 der arme Hans-Peter Briegel im WM-Finale dem flinken Burruchaga. Allofs und Völler sind aber auch als Manager so unterschiedlich, wie sie es als Spieler waren.

Völler reagiert auf Niederlagen und Kritik schon mal impulsiv. Zuletzt erst hatte er laut geschimpft, nachdem sein Trainer Roger Schmidt sich trotz Platzverweis geweigert hatte, den Innenraum zu verlassen. Leverkusen habe in diesem Fall keine glückliche Figur abgegeben, merkte Allofs aus dem fernen Wolfsburg dazu an. Mit dieser Aussage konfrontiert, erwiderte Völler in Richtung Allofs: Vielleicht fehle Wolfsburg ja ein bisschen in dieser Saison, weil "der Klaus" halt so sei, wie er sei.

Der Gemütszustand von Allofs lässt sich ja tatsächlich meist nur aus dem Inhalt seiner Worte erschließen. Der Mann spricht öffentlich einfach immer sehr leise - egal, ob es etwas zu feiern oder zu kritisieren gibt. Auch am Samstag war das so, als Allofs eine 0:1-Pleite beim Tabellenvorletzten TSG Hoffenheim erklären musste. Aber im Prinzip hielt er inhaltlich eine "Käse, Weißbier, Scheißdreck"-Wutrede wie Völler einst in der Funktion als Bundestrainer - nur eben im temperierten Allofs-Duktus.

Gesucht werden Punkte - aber auch 75 000 Euro, die Max Kruse in Berlin in einem Taxi verlor

Ein "Scheißspiel" habe er gesehen, ätzte der 59-Jährige so leise, als künde er vom nahen Frühling. Aus Allofs aber sprach der pure Frust über den vermeidbaren Rückschlag bei einem ersatzgeschwächten Abstiegskandidaten, der seine vier etatmäßigen Sechser ersetzen musste, und am Ende ein Mittelfeld aus Jungspunden und Debütanten zur Verteidigung der frühen Führung durch Andrej Kramaric (3.) auf dem Platz hatte. Es war nicht nur für Allofs verstörend, wie notorisch ungenau die Flanken, die Pässe und die wenigen Tor- abschlüsse der Wolfsburger gerieten. Die einzige wirkliche Ausgleichschance vergab André Schürrle in der Nachspielzeit kläglich. "Das war nicht im Stil einer Champions-League-Mannschaft. Wir haben keine Minute so gespielt", klagte Allofs und warf seinen Spielern vor: "Wir waren vom Kopf her nicht bereit, dagegenzuhalten."

Nur vier Tage nach dem erstmaligen Einzug ins Champions-League-Viertelfinale gegen den belgischen Vertreter KAA Gent sahen die Verantwortlichen des VfL wieder eine fahrige Wolfsburger Elf in der Liga. Kraftprobleme aber ließ Trainer Dieter Hecking nicht als Erklärung gelten: "Das ist kein Alibi, dass wir schon am Dienstag gespielt haben", stellte er zerknirscht fest. Und Allofs wollte auch den kurzfristigen Ausfall des verletzten Julian Draxler (Schmerzen im Knie- und Oberschenkelbereich) sowie Wehwehchen bei Maximilian Arnold und Schürrle nicht mäßigend in seine Generalkritik einfließen lassen.

In Wolfsburg bekommen sie langsam Angst, selbst die minimalen Saisonziele zu verpassen. Angetreten ist der Zweite des Vorjahres mit dem Ziel, sich erneut für die Champions League zu qualifizieren. Bei acht Punkten Rückstand auf den Tabellendritten Hertha BSC und fünf Zählern weniger als Gladbach ahnt Schürrle: "Der dritte Platz ist derzeit unrealistisch." Selbst die Teilnahme an der Europa League ist akut gefährdet. Eine Saison ohne Europapokal wäre - angesichts der Transfer-Investitionen - den Managern des VW-Konzerns nur schwer zu erklären. Im Liga-Endspurt könnte nun ausgerechnet ein großes Spiel gegen einen großen Gegner im Champions-League-Viertelfinale weitere Kraft und Konzentration rauben.

Zur Wolfsburger Leistung in Hoffenheim passte, dass Bild am Spieltag jene bizarre Geschichte auf der Titelseite druckte, in deren Mittelpunkt Nationalspieler Max Kruse stand. Kruse sollen Ende Oktober in Berlin 75 000 Euro abhandengekommen sein. Er hatte diesen Betrag damals offenbar in bar im Morgengrauen mit sich geführt und in einem Taxi liegen lassen. Kruse erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Was der bekannte Pokerspieler Kruse zu nachtschlafender Zeit - und wenige Stunden vor dem Training beim VfL - mit diesem Betrag in Berlin gemacht hat, will nun Allofs von dem Spieler erfahren und dann "gegebenenfalls reagieren". Man darf sicher sein, dass er auf seine Art energisch nachfragen wird.

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