WM-Vergabe:DFB-Affäre: Beckenbauers angeblicher Fingerzeig

Beckenbauer und Blatter

Half Franz Beckenbauer (r) mit, Sepp Blatter die Wiederwahl zu organisieren?

(Foto: dpa)
  • Eine durchgesickerte Aussage von Wolfgang Niersbach bringt Bewegung in die DFB-Affäre - und könnte auf eine schwarze Fifa-Kasse schließen lassen.
  • Die deutschen Behörden suchen nach Rechtshilfe.

Von Thomas Kistner

Franz Beckenbauer rückt erneut in den Fokus der Frage, mit welchen Mitteln die Fußball-WM 2006 nach Deutschland geholt wurde. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) ließ am Dienstag brisante Inhalte aus Verhörprotokollen unbestritten, die tags zuvor über die Bild-Zeitung an die Öffentlichkeit gelangt waren. Diese stammen aus Vernehmungen der Kanzlei Freshfields, die im Auftrag des DFB die Vorgänge rund um das sogenannte Sommermärchen prüft. In den Papieren wird Beckenbauer belastet. Überdies nähren die Aussagen der damals an der WM-Organisation Beteiligten den Verdacht, dass mit deutschem Geld Korruption im Umfeld von Sepp Blatter, dem Präsidenten des Fußball-Weltverbandes Fifa, betrieben worden sein könnte.

Freshfields soll die Ergebnisse seiner Untersuchung Ende Februar vorlegen. Dass nun Informationen über den möglichen Zweck und Verbleib jener 6,7 Millionen Euro, die den Verband seit Oktober in der Krise halten, publik werden, quittiert der DFB "mit großem Befremden". Kein Präsidiumsmitglied habe "zu irgendeinem Zeitpunkt Zugang" zu den Protokollen gehabt.

Die "äußerst ärgerliche Indiskretion", die der DFB nun beklagt, rückt Beckenbauer in ein trübes Licht. Der Chef des WM-Organisationskomitees wird demnach von Wolfgang Niersbach, dem ehemaligen Präsidenten des DFB, und einem weiteren Zeugen belastet. Niersbach soll bei Freshfields ausgesagt haben, Beckenbauer hätte nach Blatters Wiederwahl Ende Mai 2002 in Seoul gesagt: "Der ist auch mit meinem Geld gewählt worden." Und Vize-Generalsekretär Stefan Hans soll erklärt haben, Beckenbauer habe zu der Frage, wem Blatter jene Wiederwahl verdanke, auf sich selbst gedeutet; Beckenbauer, 70, beruft sich auf Erinnerungslücken (siehe nebenstehender Text).

Die Aussagen der zwei Zeugen stützen den Verdacht, die deutschen WM-Organisatoren könnten eine schwarze Wahlkasse Blatters gefüllt haben. Beckenbauer und Niersbach behaupteten dagegen bisher öffentlich, 2002 eine Vereinbarung mit dem Finanzkomitee der Fifa getroffen zu haben: Die Deutschen sollten zehn Millionen Franken zahlen, um später von der Fifa mehr als 200 Millionen Franken Organisationszuschuss zu erhalten.

Die Darstellung klingt bizarr; auch Blatter wies sie jüngst in einem Spiegel-Interview als "absurd" zurück: "Geld bezahlen, um Geld zu bekommen? So was gibt es bei der Fifa nicht." Der 79-Jährige bestreitet jede Verwicklung in die Vorgänge; von Korruption will er an der Fifa-Spitze nie Kenntnisse gehabt haben.

Wie war die Situation im Jahr 2002, als ein deutscher Zehn-Millionen-Vorschuss an Leute des Fifa-Finanzkomitees geflossen sein soll? Blatter ging ins größte Krisenjahr seiner Karriere. Zur gerade bankrott gegangenen Fifa-Hausagentur ISL liefen Strafermittlungen. Und im Sommer, bei der Präsidentenwahl vor der WM in Japan und Südkorea, forderte ihn Issa Hayatou heraus; Afrikas Verbandschef hatte die Unterstützung der europäischen Fußball-Union Uefa. Zudem stand die halbe Fifa-Exekutive gegen Blatter: Die Opposition hatte mithilfe des damaligen Fifa-Generalsekretärs Michel Zen-Ruffinen Ungereimtheiten in Blatters Finanzgebaren entdeckt und Strafanzeige erstattet.

Wie es bei Blatters Wahl damals lief

Blatter kämpfte um sein Amt, er hatte ja nicht gehalten, was er bei seiner Inthronisierung 1998 versprochen hatte: dass er die WM 2006 nach Südafrika bringen werde. Stattdessen siegte bei der Kür im Juli 2000 Deutschland mit 12:11 Stimmen. Vor dem letzten Wahlgang war der Neuseeländer Charles Dempsey gegangen, statt - wie ihm daheim aufgetragen worden war - für Südafrika zu stimmen. Mit der Enthaltung verhinderte er eine 12:12-Pattsituation, in der Blatters Votum als Präsident doppelt gezählt und die WM wohl ans Kap gebracht hätte.

Blatter hatte also eine Rechnung offen mit den Deutschen, und er brauchte Stimmen. Jedoch unterlagen die Fifa-Konten der Kontrolle des abtrünnigen Zen-Ruffinen: Laut Statut ist es Amtsinhabern verboten, im Wahlkampf Fifa-Mittel einzusetzen. Wäre Blatter damals unterlegen, hätte Oppositionsführer Lennart Johansson an der Uefa-Spitze gleich die Fifa-Bücher geöffnet.

Die Schweizer Bundesanwaltschaft bestätigt ein Rechtshilfeersuchen der deutschen Behören

Das wussten auch Blatters Getreue, die mit ihm unterzugehen drohten: Leute wie Jack Warner (Trinidad & Tobago) oder Mohammed Bin Hammam (Katar), damals Verbands-Chefs in Asien und Amerika. Beide sind nach Korruptionsfällen inzwischen lebenslang gesperrt, damals saßen sie im Fifa-Finanzkomitee. Nahmen sie die deutschen Millionen in Empfang?

Die Justiz bearbeitet diese Frage mit Hochdruck, dies teilte die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) am Dienstag auf Anfrage der SZ mit. Die BA bestätigt im Kontext der Frage, wofür Adidas-Chef Louis-Dreyfus damals den deutschen WM-Machern die zehn Millionen geliehen habe, dass "ein Rechtshilfeersuchen der deutschen Behörden bei der BA eingegangen ist. Dieses wird prioritär behandelt". Das Fifa-Ethikkomitee gibt ebenfalls an, den Fall "sehr aufmerksam" zu verfolgen.

Als Blatter 2002 die Wahl gewann, stand Europas Fußball vor der Spaltung. Zu den Unterstützern des Fifa-Patrons zählte die deutsche Delegation. Kein Wort trug sie in Seoul zu den tagelangen Korruptionsdebatten bei, leichenblass verfolgten Beckenbauer, Niersbach und Co. die Tumulte. Am Ende gratulierten sie Blatter. Sichtlich erleichtert.

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