WM 2011: US-Torhüterin Hope Solo:Zehn Schrauben in der rechten Schulter

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Hope Solo aus den USA ist für viele die beste Torhüterin der Welt und schillerndste Spielerin dieser WM. Vor dem Halbfinale gegen Frankreich erzählt sie mit viel Pathos Geschichten von Liebe, Tod, Teufel - und über die Zeit, als sie ohne Schmerzmittel kaum leben konnte.

Ulrich Hartmann

Wenn eine Frau mit ihrem Namen in einem Star-Wars-Film mitspielen könnte, wenn sie nahe der amerikanischen Westküste aufgewachsen ist und aussieht wie das Abbild der American Woman, dann ist es vermutlich Schicksal, dass das Leben ihr reihenweise Anekdoten schenkt, die für einen Hollywoodstreifen taugen. Vielleicht ist es aber auch bloß so, dass rund um charismatische Sportler nun mal Legenden gestrickt werden wollen und dass amerikanische Sportler sich nicht scheuen vor jenem Pathos, der für solche Legenden nötig ist.

Der entscheidende Sprung: Hope Solo hält im WM-Viertelfinale einen Elfmeter der Brasilianierinnen. (Foto: AP)

Die Fußballtorhüterin Hope Solo aus dem Bundesstaat Washington ist eine der schillerndsten Spielerinnen bei der WM, und jetzt, wo die USA auf ihren dritten WM-Titel zusteuern, lassen sich die Geschichten über Hope Amelia Solo, die von Liebe, Tod und Teufel handeln, so richtig schön erzählen.

Wer die Torhüterin Hope Solo, 29, vor zehn Monaten gesehen hätte, der hätte sich kaum vorstellen mögen, wie sie im Sommer 2011 durch die Strafräume deutscher Fußballstadien hechtet. Vor zehn Monaten zog sie mit der linken Hand einen Tropf neben sich her und trug um ihre rechte Schulter ein stabilisierendes Gerüst, so groß, dass damit eine Kirche renoviert werden könnte.

Sie musste damals Schmerzmittel nehmen. "Die Reha war das Schmerzvollste, was ich in meinem Leben durchgemacht habe", sagt sie. Wer die Torhüterin Hope Solo vor zehn Monaten gesehen hat, hat sich nicht vorstellen können, dass sie überhaupt je wieder würde lachen können.

Solo hat noch immer zehn Schrauben in den Knochen der rechten Schulter. Sie hatte vor ihrer Operation im September fast drei Jahre lang mit einem kaputten Schultergelenk und wachsenden Schmerzen gespielt. "Ich dachte, ich halte das aus, aber wenn ich weitergespielt hätte, wäre die Schulter irgendwann vermutlich einfach abgefallen." Sie hat sich also für eine Operation entschieden, die ein halbes Jahr Spielpause nachzog, und sie nennt diese Entscheidung einen Glücksfall, denn sie hat ein Problem abgeworfen, und es geht ihr damit viel besser.

Große Geschichten handeln von Rückschlägen, Zweifeln, Hoffnung und Erlösung. Solche Geschichten hat Solo oft erlebt, und die Medien genießen es, sie immer wieder zu erzählen: wie kurz vor der WM 2007 ihr Vater starb, jener Mann, der freiwillig auf den Straßen und in den Wäldern von Seattle gelebt haben soll und über den sie erzählte, er sei der glücklichste Mensch auf Erden gewesen und der einzige, der sie wirklich gekannt habe.

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Sie ist Weltfußballerin, aber der WM-Titel wird ihr weiterhin fehlen: Marta scheidet mit Brasilien im WM-Viertelfinale aus, weil einer Verteidigerin im Elfmeterschießen die Nerven versagen. Lotta Schelin und ihre schwedischen Mitspielerinnen besiegen mit Leichtigkeit Australien.

Oder wie sie während der WM 2007 in China vor dem Viertelfinale aus der Startelf geworfen wurde und die USA prompt 0:4 gegen Brasilien verloren, woraufhin ihre kritischen Aussagen sie vom Team isolierten. Solo paart die Leidenschaft ihrer italienischen Wurzeln mittlerweile aber gern wieder mit patriotischer Rührseligkeit. "Die Fans werden hinter uns stehen, die Welt wird hinter uns stehen", sagt sie über das Halbfinale gegen Frankreich an diesem Mittwoch (18 Uhr , ZDF) in Mönchengladbach.

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Doch so pathetisch Solo und ihre Geschichten auch klingen mögen, die eloquente Fußballerin scheut keine profane Konfrontation. Im September hatte sie nach einer 0:1-Niederlage ihres Teams Atlanta gegen Washington DC in ihrem Twitter-Blog Verschwörungstheorien entworfen und der US-Frauenliga und deren Schiedsrichtern offen Manipulation vorgeworfen. Sie war daraufhin gesperrt und zu einer Geldstrafe verurteilt worden, und es war womöglich kein Zufall, dass sie sich kurz darauf zur Operation der Schulter ins Krankenhaus begab.

Momentan spielt sie für einen Klub namens MagicJack in Boca Raton/Florida. Dort spielt sie mit Abby Wambach aus jenem US-Nationalteam, dem Solo in diesen Tagen eine spirituelle Emotionalität andichtete. "Diese Gruppe verströmt eine besondere Energie", hat sie nach dem Viertelfinalsieg gegen Brasilien gesagt, "und diese Wellen spüren wir in uns." Hope Solo heißt nicht nur so ähnlich wie eine Figur aus einem Star-Wars-Film, sie spricht auch noch so.

Man muss also mit der aus Schweden stammenden US-Trainerin Pia Sundhage über Solo reden, um etwas über die fußballerischen Fähigkeiten dieser für viele Branchenkenner besten Torhüterin der Welt zu erfahren. "Sie ist gut auf den Füßen, und sie liest das Spiel", sagt Sundhage, "sie ist unsere fünfte Verteidigerin." Sundhage hat Solo 2008 zurückgeholt, nachdem diese 2007 vom damaligen Trainer Greg Ryan ausgemustert wurde.

Für Solo ist auch das eine große Comeback-Geschichte mit höherem Sinn, denn es soll bloß keiner denken, hier ginge es noch um die Grundlagen des Fußballs. "Ich spiele aus Gründen, die größer sind als das Spiel selbst", sagt Hope Solo und freut sich auf ein an Möglichkeiten reiches Halbfinale gegen Frankreich, das ihrem Leben eine weitere Episode hinzufügen soll.

© SZ vom 13.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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