WM-Tagebuch "Blog do Brasil":Lost in Brasília

WM-Tagebuch "Blog do Brasil": Straßen ohne Namen: die Hauptstadt Brasília (Foto: Regina Schmeken)

Straßen ohne Namen: die Hauptstadt Brasília (Foto: Regina Schmeken)

Die brasilianische Hauptstadt Brasilia hat die Form eines Flugzeugs. Oder die eines Schmetterlings. Die Orientierung sollte leicht sein - aber selbst die einheimischen Taxifahrer verlieren sich darin. Was SZ-Reporter bei der WM erleben.

Von Michaela Metz, Brasília

Es gibt ja diese Städte, denen normale Straßennamen nicht schick genug sind, nicht systematisch genug. Städte, die modern und zukunftsorientiert sein wollen und ihre Besucher nicht mit den komplizierten Namen irgendwelcher ehemaliger Staatspräsidenten, Generäle oder dem längst niedergegangenen Landadel langweilen wollen. Brasília ist so eine Stadt.

Lúcio Costa gewann 1957 mit seinem Plano Piloto den Wettbewerb um die Realisierung der urbanen Struktur der neuen Hauptstadt auf der Zentralen Hochebene Brasiliens. Er präsentierte ein klares, leicht verständliches Modell. Das glaubten damals jedenfalls alle. Bis heute ist die Stadt in funktionale Zonen eingeteilt, die den Alltag angeblich erleichtern.

Es geht schon damit los, dass die 2,5-Millionen-Stadt nicht so rund oder ausufernd, nach allen Seiten wuchernd daherkommt wie all die anderen brasilianischen Metropolen. Die brasilianische Hauptstadt, die 1960 mitten im nirgendwo erbaut wurde, hat die Form eines Flugzeugs. Oder die eines Schmetterlings, wie Lúcio Costa sagte. Da sollte die Orientierung doch leicht sein!

Das Cockpit ist der Regierungssitz der Präsidentin Dilma Rousseff. Der Rumpf beinhaltet all die staatstragenden Niemeyer-Regierungsgebäude, die Theater, die Museen und die Nationalbibliothek. In den Tragflächen befinden sich Läden und Wohnviertel, die in so genannte superquadras aufgeteilt sind. Ist doch ganz einfach: Im Bankensektor befinden sich alle Banken. Im Hotelsektor sind alle Hotels zu finden. Im kommerziellen Sektor der Handel.

Die Blocks sehen alle gleich aus

Unsere Adresse heißt: SQS 304, Block B. Klingt einfach, ist es aber nicht. Sieht ja alles gleich aus! Sogar der Taxifahrer ist verwirrt und bringt uns zu einem völlig anderen Ort. Unter Einsatz unseres Lebens überqueren wir eine Schnellstraße, die zwischen den Wohnblocks plötzlich herauswächst. Aber auch dann wieder das gleiche Bild. Niemeyer-Blocks, Kirche, Kreisverkehr, Ladenstraße, Schnellstraße.

Und fast alle kleineren Straßen sind Sackgassen. Wir schleichen uns zwischen den Wohnhäusern durch, schon hungrig vom vielen Herumlaufen. Ist das unser Block? Oder das da drüben? Ah! Hier ist der Kiosk, den wir gestern schon gesehen haben! Zum Glück! Nein. Es ist ein anderer! Die sehen ja auch alle gleich aus! Einen solchen Kiosk gibt es überall zwischen den Blocks.

Der Verkäufer hat Mitleid mit den verloren gegangenen Gringos und schenkt uns ein leckeres Stück Bananenkuchen. Selbstgebacken! Schließlich entdecken wir den rotbraunen Erdhaufen vor dem Eingang unseres Hauses. Hab mich selten so über eine Baustelle gefreut! Endlich ein Orientierungspunkt, wir sind angekommen!

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