WM-Tagebuch "Blog do Brasil":Podolski im Dschungel

Lukas Podolski, Deutsche Nationalmannschaft, Fußball-WM

Sehr aktiv in sozialen Netzwerken: Lukas Podolski

(Foto: dpa)

Nationalspieler Lukas Podolski gratuliert einem Ball zum Twittern. Aber wie macht der das eigentlich? Und warum? Was SZ-Reporter bei der Fußball-WM erleben.

Von Claudio Catuogno

Lukas Podolski hat gerade auf Youtube dem WM-Ball Brazuca dazu gratuliert, dass dieser auf Twitter jetzt eine Million Follower hat. Das ist beunruhigend. Dass eine Million Menschen einem Ball auf den Leim gehen ohne sich zu fragen, wie das phänotypisch möglich sein soll, ständig 140 Zeichen Nonsens in ein Mobiltelefon zu tippen, wo doch Fußbälle heute gar nicht mehr dieses außenliegende Ventil besitzen, das man als WM-Ball früher noch zum Tippen auf der Schreibmaschine verwenden konnte, ist bereits ein ungutes Zeichen.

Viel mehr besorgt uns aber, dass Podolski zur Aufnahme des Schnipsels offenbar mit Waffengewalt gezwungen wurde. Jedenfalls sieht er sehr unglücklich aus. Man hat den Eindruck, als werde Podolski irgendwo im Dschungel festgehalten, er wirkt wie eine Geisel in einem Erpresservideo, nur dass Podolski statt einer Zeitung eben Brazuca in die Kamera hält. Ehe der Ball ihm runterfällt.

Überall Kameras

Überall Kameras. Alles wird gefilmt. Und das meiste würde wohl gar nicht stattfinden, wenn es nicht gefilmt würde. Am Strand von Leme, unweit der Copacabana, saßen am Samstag fünf Argentinier und hörten Musik, dann kam das argentinische Fernsehen vorbei und filmte. Jetzt sollten die Argentinier selbst was singen, was ihnen ohne die Kamera nie in den Sinn gekommen wäre.

Deshalb ist das mit der Drohne erfreulich, die jetzt in Ribeirão Preto über den Platz geflogen ist, als die Franzosen gerade mit dem Training begonnen hatten. Eine diskrete Drohne, die niemanden gezwungen hat, irgendwas zu inszenieren. Die Franzosen durften einfach weiter ihr Training machen, und kein Werbefuzzi hat gesagt: Hey, Benzema, lauf mal nach links, oder: Hey, Evra, sag mal: "Hallo Brazuca, eine Millionen Follower auf Twitter, das ist Weltklasse, ich bin einer davon", auch wenn's schwerfällt.

Die Franzosen haben das anonyme Fluggerät trotzdem nicht gut gefunden, der Trainer Didier Deschamps hat sich bei der Fifa beschwert, die soll herausfinden, wer es gesteuert hat. Die Franzosen fühlen sich in ihrer Privatsphäre gestört. Didier Deschamps hat einfach nicht begriffen, dass er noch Glück gehabt hat. Wenn er erst mal auf MySpace posten muss, dass die Drohne übrigens ein super Instagram-Profil hat, dann wird es richtig schlimm.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: