WM-Tagebuch "Blog do Brasil":Musikantenstadl im Taxi

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Taxis in Brasilien, hier in Rio de Janeiro. Immer für eine Überraschung gut.

(Foto: Getty Images)

Rechts in die kleine Gasse, schnell überholen, aber nie aufhören zu singen: Salvador da Bahia ist Musik - aber noch viel mehr. Ein Taxifahrer bringt die seltsamsten Dinge zusammen. Was SZ-Reporter in Brasilien erleben.

Von Thomas Hummel, Salvador

Salvador da Bahia ohne Musik wäre wie Paris ohne Croissant. Wie London ohne Pub, Berlin ohne Schnauze, Rom ohne Papst. Musik durchdringt die Stadt. Wenn die Samba-Trommler durch die Straße ziehen, erschüttern sie Mark und Seele. Nur der blasseste Europäer kann da noch seine Knie still halten. Abends singen kleine Bands in den Kneipen und Restaurants der Stadtteile Pelourinho oder Rio Vermelho, mit Zambumba (Basstrommel) und Sanfona (eine Knopfdruck-Akkordeon). Es ist herrlich.

Es gibt überhaupt nur einen Ort in ganz Salvador, der von Musik nichts wissen will. Der zudem von riesigen Klimaanlagen, die einen Polarwind entfachen können, auf europäischen Winter heruntergekühlt wird. Wo es keine Fenster gibt, weil der Ort im Keller liegt und wo die Flasche Wasser das Dreifache kostet. Dennoch kommen nur ausgewählte Personen dorthin und seltsamerweise scheinen viele Menschen diese Ausgewählten zu beneiden. Der Presseraum in der Arena Fonte Nova ist ein ganz und gar freudloser, kalter Ort. Würde sich eine Samba-Truppe hierhin verirren, allesamt gerieten zum ersten Mal in ihrem Leben aus dem Takt und würden sich eine Lungenentzündung holen.

Umso schöner ist es, den winterlichen Keller zu verlassen, hinaus in diese warme Stadt. Die Taxifahrer warten schon und es ist ein unverschämtes Gerücht in Salvador, dass sich unter ihnen betrügerische Gesellen befinden, die nur darauf warten, dass so ein Pressetyp aus dem Ausland einsteigt, um ihm Laptop, Handy und Geld abzuknöpfen. Oder mindestens den doppelten Preis.

Salvadors Taxifahrer sind freundlich, kennen den Weg, schalten den Taxometer ein und füllen geduldig eine Quittung aus. Wenn sie erfahren, dass ihre Gäste aus Deutschland kommen, stoßen sie ein lautes UUUiiihhh aus, wedeln mit der rechten Hand und sagen: "Muito forte! Muito forte!" - Sehr stark sei "unsere" Mannschaft, Uuuiiihhh.

Besonders begeistert war der Fahrer am Sonntag nach dem Spiel. Welch Wunder, haben "wir" Deutschen doch den Portugiesen samt ihrem Weltgockel den Hintern versohlt. Uuuiiihh, was sind "wir" stark.

Dann erklärte der Taxler, dass er nicht nur Taxler sei. Sondern auch cantor. Sänger.

Er kramte ein paar CDs heraus, legte eine davon ein und sagte: Der Sänger da auf der CD, das sei er. Es hörte sich ganz nett an, ein bisschen wie brasilianischer Musikantenstadl. Es ging die Avenida Centenário entlang, als er auf eine Playback-Version des Liedes umschaltete - dann sang er. Während er den deutschen Sieger nach Hause fuhr, der milde Wind strömte durch die offenen Fenster in den Wagen, sang er ihm ein Lied.

Er sang wirklich gut, es hörte sich genauso an wie zuvor auf der CD. Das Taxi mit dem Privatkonzert fuhr durch einen Tunnel, neben Singen konnte er problemlos die anderen Autos überholen, an der Ampel anhalten, wieder losfahren. Nur das sonst übliche Schimpfen auf die anderen Verkehrsteilnehmer ging während der Vorstellung nicht. Rechts in die kleine Gasse Richtung Hospital Português, hier geht es so steil den Berg hinauf, dass es einem die Lunge leicht wegdrückt. Doch des Fahrers Stimme blieb stramm wie zuvor. Inzwischen war er beim zweiten Lied angekommen.

Doch irgendwann ist auch die schönste Fahrt zu Ende, das Ziel erreicht. Applaus im Taxi, Verbeugung des Künstlers. Eine Quittung? Geht klar. Aber einen Moment: Er sei außerdem ein poeta, ein Dichter. Er holte ein paar Büchlein aus dem Kofferraum, darin fanden sich kleine Werke, zum Beispiel Oden auf einige Fußballklubs des Landes. Nur 20 Reals kostet das Büchlein, sagte er und grinste. Dass Fahrgäste aus Deutschland allerdings selten portugiesische Verse verstehen, sah er dann doch ein.

"Wenn Sie aber noch einmal ein Taxi brauchen, hier ist meine Karte." Darauf steht: "Taxi Almir Rocha, Komponist, Dichter und Autor." Salvador da Bahia bringt eben die seltsamsten Dinge zusammen.

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